Ein 73-Jähriger zeigt der CDU, wie man mit Twitter umgeht
Die politische Karriere von Ruprecht Polenz ist längst vorbei. Doch mit 73 Jahren ist er heute einer der einflussreichsten Influencer seiner Partei.
Die Zeit, in der Ruprecht Polenz den meisten Deutschen ein Begriff war, zumindest den politikinteressierten, ist schon eine Weile her. Zur Jahrtausendwende war der gebürtige Sachse ein paar Monate lang CDU-Generalsekretär, später Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Das sind nicht gerade die Ämter, mit denen man richtig berühmt wird. Wenn ein solcher Mann also, inzwischen 73 Jahre alt, beinahe täglich das politische Geschehen kommentiert, kann schnell der Verdacht aufkommen, dass da einer nicht loslassen kann. Auf gut Deutsch: Dass da ein alter, weißer Mann nervt, weil er überzeugt ist, alles besser zu wissen. Weit gefehlt.
Politrentner Polenz macht seiner Partei vor, wie das mit den sozialen Medien funktioniert. Fast 20.000 Menschen folgen diesem Mann auf Twitter – mehr als dem amtierenden CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak übrigens. Er ist immer auf der Höhe der Zeit, hat zu vielem eine Meinung, schlägt sich mit Hasskommentaren rum und liefert sich auch schon mal mit den eigenen Parteifreunden rhetorische Scharmützel. Hat der Typ denn nichts Besseres zu tun? Er könnte sich doch auch um seine vier Kinder und sieben Enkel kümmern. Das tut er schon auch. „Opa sein, da geht nix drüber“, stellte er neulich in einem Interview mit der taz klar. Aber da ist eben auch noch seine zweite Leidenschaft, die Politik.
Ruprecht Polenz: Ein 73-Jähriger zeigt der CDU, wie Twitter geht
Polenz ist keiner, der sich in einer schön zurechtgebogenen Filterblase auf die Schulter klopfen lässt. Er geht dahin, wo es weh tut. Legt sich mit rechten Schreihälsen und allen anderen an, die unsere offene Gesellschaft bekämpfen. In einem Medium, in dem immer mehr Menschen Andersdenkende wahlweise niederbrüllen, mit Häme überziehen oder einfach blockieren, versucht er es mit unaufgeregter Sachlichkeit. Bestes Beispiel: Während die CDU mit einer dilettantischen Mischung aus Herablassung und Hilflosigkeit auf die Attacken des blauhaarigen Youtubers Rezo reagierte, suchte Polenz das direkte Gespräch mit dem jungen Mann, der sein Enkel sein könnte. „Lieber Rezo, zuerst hat mich Dein Video ,Zerstört die CDU‘ wahnsinnig geärgert und ich habe meiner Verärgerung auf Twitter und Facebook Luft gemacht. Dann habe ich das kritische Echo auf meine Kommentare gelesen und noch mal nachgedacht“, beginnt Polenz seinen Brief – und wird im Netz dafür gefeiert. Später telefonierten die beiden miteinander.
Polenz will nicht wortlos zusehen
Wer dem älteren Herrn auf Twitter folgt, erlebt einen Mann, der nicht wortlos zuschauen will und kann, wie Wut und Hetze den politischen Diskurs vergiften. Populisten und Vereinfacher bekommen es mit ihm zu tun. Auch und gerade, wenn sie selbst CDU-Mitglieder sind. Wer die Union nach rechts rücken will, wie etwa Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, muss erst einmal an Polenz vorbei. Dass er einmal einer der einflussreichsten Influencer seiner Partei werden würde, hätte er sich auch nicht träumen lassen. Aber er kann nicht anders, der alte, weise Mann der CDU.
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