Ein Endlager im Jahr 2100? Das ist absurd lange hin
Zumindest die Finanzierung der Entsorgung des Atommülls ist geregelt. Doch ein Endlager hat Deutschland damit noch lange nicht. Das birgt neue Risiken.
Im Rückblick wird klar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Koalitionspartner, die FDP, im Jahr 2011 eine wegweisende Entscheidung fällten. Sie besiegelten nach dem Unglück im japanischen Fukushima das Ende des Atomzeitalters in Deutschland. Für eine schwarz-gelbe Bundesregierung war das bemerkenswert. An eine Renaissance der Atomspaltung in Deutschland glauben heute selbst viele Menschen nicht mehr, die an verantwortlicher Stelle in Kernkraftwerken arbeiten. Wo nicht mehr investiert wird, stirbt am Ende das Wissen über die Technik aus. Die Atomenergie hat Bayern geholfen, industriell aufzuholen. Doch sie birgt große Risiken, hier haben die Kritiker am Ende recht behalten. Mit dem Atomausstieg sind aber längst nicht alle Probleme gelöst.
Es ist ein wichtiger Schritt, dass seit Donnerstag die Finanzierung der Entsorgung des radioaktiven Mülls geregelt ist (Lesen Sie hier mehr: Bundestag beschließt Atom-Entsorgungspakt). Die Konzerne zahlen Rücklagen in einen staatlichen Fonds ein, dafür übernimmt der Staat die Verantwortung für die Entsorgung. Dort ist sie in besseren Händen als bei den wankenden Energie-Riesen, deren Aktienkurse in den Keller gefallen sind und deren Zukunft ungewiss ist. Nach Merkels chaotischem Atomausstieg – erst Laufzeitverlängerung, dann plötzliche Kehrtwende – ist das eine richtige Weichenstellung. Weit größere Probleme müssen aber noch gelöst werden.
Reicht das Geld für die Entsorgung des Atommülls?
Zum einen stellt sich die Frage, ob das Geld für die Entsorgung des stahlenden Mülls reicht. Rund 23,55 Milliarden Euro erhält der staatliche Fonds. Was ein Endlager am Ende aber kostet, kann nur schwer abgeschätzt werden. Öffentliche Projekte neigen zur Kostenexplosion. Am Ende könnte wieder der Steuerzahler einspringen müssen.
Zum Zweiten gibt es noch lange kein Endlager für abgebrannte Brennelemente und andere, hoch radioaktive Stoffe. Richtig war es, den Salzstock Gorleben als Endlager nochmals infrage zu stellen. Nicht nur aufgrund der massiven Proteste. Auch die Eignung erschien im Laufe der Zeit immer fraglicher. Das Beispiel des absaufenden Atomlagers Asse zeigt, dass Gründlichkeit vor Eile gehen muss. Damit aber beginnt die Suche von Neuem – mit ungewissem Ausgang und neuen Gefahren.
Die Entsorgung wird Deutschland länger beschäftigen, als das Land Atomenergie genutzt hat
Denn dass ein Endlager 2050 in Betrieb gehen kann, halten selbst Experten für unrealistisch. Kommt es 2070? Oder 2100? Die Zeiträume sind jedenfalls absurd lang. Die Entsorgung wird Deutschland länger beschäftigen, als das Land Atomenergie genutzt hat. Bis zum Jahr 2100 werden aber manche Krisen über Europa schwappen. Die gefährlichsten Stoffe des Landes dürfen deshalb nicht auf unabsehbare Zeit an der Oberfläche erreichbar sein. Leider wird es die Suche erschweren, dass in Deutschland wohl keine Gemeinde ein Endlager haben will. Zu groß ist die Angst, zum „Atomklo“ der Republik zu werden. Der Bau von Stromtrassen ist ein warnendes Beispiel: Für die abstrakten Entscheidungsverfahren im Vorfeld interessiert sich kaum ein Bürger. Wird es aber konkret, flammen die Proteste auf. Welcher Politiker will da ein Atom-Endlager durchsetzen?
Die schlimmste Entwicklung aber wäre es, wenn die derzeitigen Zwischenlager zum Dauerzustand werden würden. In der Nähe mehrerer Atomkraftwerke lagern heute abgebrannte Brennelemente in Castor-Behältern und Hallen aus Stahlbeton – auch in Gundremmingen. Ein Zwischenlager wird aber niemals die Sicherheit eines Endlagers in der Tiefe haben. Auf Dauer sind die Zwischenlager den Anwohnern nicht zuzumuten. Die Politik muss deshalb ihre Entscheidungskraft nutzen. Und das Interesse der Bevölkerung am Thema darf nicht nachlassen.
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