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Türkei
06.07.2018

Ein Vater, der Putsch und der tote Sohn

Vater Sedat Tekin mit einem Bild seines beim Putsch getöteten 21-jährigen Sohns Murat: „Die Putsch-Kommandeure haben Murat und seine Kameraden regelrecht dem wütenden Volk hingeworfen.“
Foto: Schmitt, dpa

Kadett Murat Tekin stirbt in der Putschnacht im Juli 2016. Vermutlich wurde er gelyncht. Seine Geschichte erzählt von einem Land, in dem Ungerechtigkeit, Hass und Misstrauen herrschen – und von einer Familie, die Gerechtigkeit sucht

Als Sedat Tekin seinen Sohn Murat nach zehn Tagen endlich findet, kann er ihn nur an drei Malen im Gesicht und am abgebissenen Daumennagel identifizieren. Diese Besonderheiten des 21-Jährigen erkennt er trotz der Blutergüsse. Bald zwei Jahre sind seit Murats Tod und dem Putschversuch in der Türkei vergangen. Doch das flaue Gefühl im Magen wird Tekin nie vergessen, das ihn an jenem Julitag 2016 vor der Istanbuler Gerichtsmedizin überfiel. Es war fast der einzige Ort, an dem der Vater noch nicht gesucht hatte. Nachdem Sedat Tekin die rund 500 Kilometer aus der Küstenstadt Izmir nach Istanbul gefahren war, hatte er Krankenhäuser abgeklappert. Er hatte vor dem Gericht selbst gewartet, wohin mutmaßliche Putschisten gebracht wurden. Vielleicht ja auch Murat? Als letzte Option blieb die Gerichtsmedizin.

„Ich weiß nicht mehr, wie ich es überhaupt dorthin geschafft habe“, sagt der 57-Jährige. Er zeigt ein Foto seines Sohnes, wie er ihn dort vorfand: Murat, Offiziersanwärter, der Körper entstellt von Tritten, Schlägen, Messerstichen, das Gesicht geschwollen. Sedat Tekin unterschrieb ein Schreiben: „Ich hatte meinen Sohn der Luftwaffenakademie in Istanbul-Yesilköy anvertraut. Ich hole seine Leiche.“ Der Obduktionsbericht nennt als Todesursache: von Schlägen verursachte Verletzungen über den Körper verbreitet, Stichwunden und Druck auf Genick sowie Zuhalten von Mund und Nase: mechanische Erstickung.

In der Nacht des Putschversuchs gegen den gewählten Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom 15. auf den 16. Juli 2016 starben mehr als 200 Menschen – viele davon Zivilisten. Sie wurden erschossen oder von Panzern überrollt. Es gab mehr als 2000 Verletzte. Alleine auf der ersten Brücke über den Bosporus in Istanbul, die nun „Brücke der Märtyrer des 15. Juli“ heißt, starben 32 Zivilisten und zwei Polizisten.

Das Volk habe sich den Putschisten in den Weg gestellt – diese Version der Geschichte der Nacht erzählt vor allem Präsident Erdogan gerne. Viele Aufständische starben in Gefechten mit der Polizei. Doch es gibt auch ungeklärte Fälle wie den Murat Tekins und seines Kameraden Ragip Enes Katran. Die beiden Schüler der Luftwaffenakademie wurden in der Putschnacht auf der Brücke vermutlich von einem Mob gelyncht. Doch in den Opferstatistiken tauchen sie nicht auf. Murat und Ragip passen nicht in die Legende. Sie gelten als Verräter.

Der Umsturzversuch hat das Land grundlegend verändert. Er hat die Türken zunächst geeint gegen die Putschisten. Dann, während zwei Jahren Ausnahmezustand, wieder gespalten. Für Sedat Tekin und seine Frau Sevkiye war der 15. Juli der Tag, an dem sie begannen, das Vertrauen in ihren Staat, ihren Präsidenten und in die Gerechtigkeit zu verlieren. Die Tekins wohnen in einem Arbeiterviertel in Izmir. An der Hauswand weht die türkische Flagge, rot mit weißem Halbmond und Stern. Das Wohnzimmer gleicht einem Schrein für Murat: Fotos zeigen den Sohn im Fliegeranzug. Murat in Ausgehuniform. Murat mit Schulkameraden – und als kleiner Junge. Meistens schaut er ernst.

„Unseren Sohn nennen sie Verräter, aber mein Kind ist ein Märtyrer“, sagt Murats Mutter Sevkiye Tekin. Eine Einstufung als Märtyrer bringt in der Türkei nicht nur finanzielle Hilfen für die Familie. Der Status bedeutet vor allem Ehre. Verräter ist dagegen ein Stigma, das Murats Eltern nur schwer verkraften. „So einen Putsch kann niemand akzeptieren, der sein Vaterland liebt“, sagt die 53-jährige Mutter. Die Schuldigen müssten vor Gericht. „Aber solche wie mein Kind, die sind unschuldig. Er hat sein Vaterland geliebt.“ Sie spricht leise und bestimmt, zieht ihr Kopftuch zurecht. Ihr Mann dagegen läuft hin und her, schreit fast: „Wir wollen, dass diese Mörder bestraft werden.“

Der mutmaßliche Lynchmord an Murat ist in der Öffentlichkeit bekannt. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu besuchte Murats Familie und sprach den Fall im Abgeordnetenhaus an. Doch herausgekommen ist wenig. Kübra Aydin, eine Anwältin aus Istanbul, hat den Fall der Familie Tekin übernommen. Sie sammelte Indizien: Videos, Bilder, Twitter-Nachrichten, stellte mehrere Anträge an die Staatsanwaltschaft. In einem schreibt sie: „Wir fordern, dass dieses Drama der Menschlichkeit nicht ungestraft bleibt.“ Die „Putsch-Kommandeure“ hätten Murat und seine Kameraden „regelrecht dem wütenden Volk hingeworfen“. Doch von Ermittlungen ist nichts bekannt. Die Behörden schweigen auch auf Anfrage von Journalisten zu dem Fall.

Im Dezember 2017 erließ Erdogan das Notstandsdekret 696. Es gewährt Menschen Straffreiheit, die sich gegen die Putschisten stellten. Auch solchen, die massiv gewalttätig wurden. Damit sind auch Murats mutmaßliche Angreifer geschützt. Sedat Tekins Stimme überschlägt sich fast, als er über das Dekret spricht: „Zu sagen, ich stelle diese Mörder nicht vor Gericht, ist ein Verbrechen“, sagt er. Es gebe keine Gerechtigkeit im Land. „Alles wird von einer Person kontrolliert.“ Sedat Tekin und seine Frau hatten immer Erdogans islamisch-konservative AKP unterstützt. Doch nun sind sie enttäuscht und wütend auf den wiedergewählten Präsidenten.

Sedat Tekin stöpselt einen USB-Stick in den Computer und zeigt ein Internet-Video, das mutmaßlich in der Putschnacht auf der Brücke aufgenommen wurde. Es ist schon Morgen. Jemand filmt mit dem Mobiltelefon und läuft über die Brücke. Der Mann sagt: „Wir haben schon vier umgebracht, jetzt sind wir beim Fünften. Hund!“ Man hört Schüsse. Er läuft auf eine Gruppe zu. Vor ihnen liegt ein lebloser Soldat. Der Kopf des Mannes ist von Blut überströmt. Mehrere treten auf ihn ein.

Vieles über die Putschnacht ist noch unklar. Inzwischen wurde bekannt, dass der Geheimdienst MIT schon am Nachmittag des 15. Juli den Tipp eines Soldaten erhielt und von einem geplanten Aufstand wusste. Eine Kommission – die manches untersucht hat und vieles nicht – kommt zu dem Schluss, dass die Putschisten den Staatsstreich eigentlich nachts um drei Uhr durchziehen wollten, ihn aber vorzogen, weil sie verraten wurden. Der Putschversuch begann gegen 21 Uhr am Freitagabend und dauerte Stunden. Murat und seine Kameraden auf der Militärschule befanden sich etwa anderthalb Autostunden von Istanbul entfernt. Seine Mitschüler haben ausgesagt, dass die Kommandeure sie nachts wecken ließen und in Busse verfrachteten. Man habe ihnen gesagt, es handele sich um eine Nachtübung und brachte sie zur Brücke. Dass der Umsturzversuch da schon im vollen Gange war, hätten sie nicht gewusst.

Wegen der Vorfälle auf der Brücke sind insgesamt 143 Soldaten angeklagt, etwa wegen Umsturzversuchs. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft. Unter den Angeklagten sind 48 Mitschüler Murats, allesamt in Untersuchungshaft. Würde Murat noch leben, stünde er wahrscheinlich auch vor Gericht. In der Anklageschrift wird er als toter Verdächtiger geführt.

Sedat Tekin hat die Leiche seines Sohnes von Istanbul nach Izmir gebracht. Der Imam verwehrte dem Vater das Totengebet für Murat, weil er als Verräter gilt. Die Oppositionspartei CHP, die in Izmir regiert, wies den Tekins schließlich einen Platz auf einem städtischen Friedhof zu. Er liegt wenige Kilometer vom Haus der Familie entfernt auf einem Hügel. In der Ferne glitzert das Meer. Neben Murats Grab weht eine türkische Flagge. In den weißen Grabstein ist sein Foto eingelassen. Die Mutter streicht darüber. „Auf diese Art zu sterben, das hat niemand verdient“, sagt sie. „Der Staat muss vor uns Rechenschaft ablegen. Dafür kämpfen wir.“ Mirjam Schmitt, dpa

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