Kosovaren kämpfen um den deutschen Pass
Der Freistaat Bayern verlangt von ihnen, auch die serbische Staatsbürgerschaft zu löschen.
„Einbürgerungszusicherung“ – dieser sperrige Begriff klingt nicht wie ein Zauberwort. Doch auf Menschen, die Bürger Deutschlands werden wollen, hat er befreiende Wirkung. Wer ein Dokument mit dieser Überschrift in Händen hält, für den ist der deutsche Pass meist nur noch Formsache. Es sei denn, er ist Kosovare und wohnt in Bayern oder Sachsen.
Ein Beispiel aus Schwaben: Luan Thaqi – der Familienvater wollte seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen – lebt seit 1993 in einer bayerischen Stadt. Wie viele seiner Landsleute verließ er seine Heimat angesichts der Kriegswirren in Ex-Jugoslawien. Schritt für Schritt baute er sich eine wirtschaftliche Existenz als Unternehmer in Bayern auf. „Für mich war klar, dass ich Bürger des Staates werden will, in dem ich mich zu Hause fühle.“
Republik Kosovi erklärte im Februar 2008 seine Unabhängigkeit
Um die frühere jugoslawische Provinz Kosovo entbrannte 1999 ein blutiger Krieg, in den die Nato massiv mit Luftangriffen intervenierte. Der Status Teilrepublik von Serbien, der ab 2002 galt, wurde von den ethnisch-albanischen Kosovaren – der großen Mehrheit der Bevölkerung – nicht akzeptiert. Im Februar 2008 erklärte das Parlament die Unabhängigkeit der Republik Kosovo. 102 Staaten haben Kosovo gegen erbitterten Widerstand Serbiens als unabhängigen Staat anerkannt. Darunter die USA, die Bundesrepublik und fast alle EU-Mitglieder.
„Also bin ich davon ausgegangen, dass es ausreicht, die kosovarische Staatsbürgerschaft zu löschen“, sagt Thaqi. In 14 Bundesländern würde dies tatsächlich genügen, nicht aber in Bayern oder Sachsen. Grundsätzlich gehen die Länder davon aus, dass eine serbische Staatsbürgerschaft zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Doch während in fast allen Ländern gilt, dass es für Kosovaren nicht zumutbar und auf legalem Weg sehr schwierig ist, in Serbien eine Auflösung der Staatsbürgerschaft zu erreichen, wird in Bayern genau dies verlangt.
Vorschriften haben mitunter groteske Folgen
Das hat mitunter groteske Folgen, zumal viele Kosovaren gar nicht über entsprechende Dokumente verfügen. Thaqi: „Im serbischen Konsulat verlangte man von mir, dass ich und meine Familie zunächst die serbische Staatsbürgerschaft beantragen müssten, um sie dann zu löschen.“ Er habe einen kleinen Zettel zugeschoben bekommen, auf dem die Telefonnummer eines serbischen Anwalts stand. Er könne dies regeln, sagte man. „Regeln“ hieß in diesem Falle, dass dieser Jurist offen erklärte, er brauche Geld, um die Behörden in Belgrad gnädig zu stimmen. Dabei geht es um vierstellige Summen. Eine Praxis, die nach Ansicht von Experten in Serbien durchaus üblich ist. „Warum“, so fragt Thaqi verbittert, „zieht Bayern daraus keine Konsequenzen. Will man mich nicht?“
Innenministerium: Mehrstaatlichkeit der Neubürger soll ausgeschlossen werden
Es gehe darum, nach „Möglichkeit die Mehrstaatlichkeit“ der Neubürger auszuschließen, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung im bayerischen Innenministerium. Man habe jedoch Richtlinien erlassen, die es den Einbürgerungsbehörden erlauben, auf die Löschung der serbischen Staatsbürgerschaft zu verzichten, wenn es dafür stichhaltige Gründe gibt: So sind Reisen nach Serbien ebenso wenig zumutbar, wie der Zwang, einen Anwalt mit der Angelegenheit zu betrauen. Allerdings scheint dieser Spielraum von einigen Behörden nicht genutzt zu werden. Dies zeigen Fälle in Bayern, die dem der Familie Thaqi gleichen. 2010 – neuere Zahlen liegen nicht vor – wurde bei 78 von 248 eingebürgerten Kosovaren auf die Löschung von der serbischen Staatsbürgerschaft verzichtet.
Das Ministerium immerhin vermeldet, dass die Bereitschaft der serbischen Bürokratie, die Verfahren großzügiger abzuwickeln, gestiegen sei. Potenziell profitieren könnten davon die aktuell mehr als 31 000 kosovarischen Staatsangehörigen, die im Freistaat leben.
Die Diskussion ist geschlossen.