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Würzburg
17.08.2016

Einen Monat nach dem Axt-Attentat stellt sich die Frage "Warum?"

Ein Attentäter hatte genau vor einem Monat in einem Regionalzug in Würzburg mit einer Axt und einem Messer fünf Menschen schwer verletzt.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/Archiv (dpa)

Am 18. Juli steigt Riaz Z. in einen Regionalzug, packt Axt und Messer aus und geht auf wildfremde Menschen los. Auch einen Monat danach stellt sich noch die Frage: Warum nur?

Da sind diese Bilder, die Melanie Göttle nicht aus dem Kopf gehen. Wie hinter ihrem Haus der Zug stoppt, wie Menschen in Panik um Hilfe rufen, all das Blut, die Schwerverletzten. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Günter Karban springt sie an diesem Abend vom Sofa auf, stürzt nach draußen, reißt mit bloßen Händen das Gestrüpp aus, damit sich die alte, schmale Gartentür öffnen lässt, damit die Menschen durch ihren Garten fliehen können. Jene Menschen, die gerade noch in der Regionalbahn 58130 saßen, auf dem Weg nach Würzburg. Bis Riaz K. kam, der 17-jährige Flüchtling.

Melanie Göttle wird nicht fertig mit dem, was am 18. Juli vor ihrer Gartentür im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld passiert ist. Klar, an jenem Abend hat sie getan, was sie konnte. Sie hat den Weg frei gemacht für die Sanitäter, die die Verletzten durch ihren Garten zu den Krankenwagen getragen haben. Sie hat Decken und Tücher herangeschafft und gemeinsam mit den Nachbarn Getränke verteilt. Doch jetzt, einen Monat nach der Axt-Attacke, ist nichts mehr so, wie es war. Die 44-Jährige hat massive Schlafstörungen, leidet an Ängsten, kann nicht im Garten bleiben, wenn ein Zug vorbeifährt. Sie meidet Menschenansammlungen. Und ihren Nebenjob bei einer Taxizentrale hat Göttle aufgegeben – weil sie da immer erst nachts heimkam. Jetzt würde sie sich zu dieser Zeit gar nicht mehr aus dem Haus trauen.

Der 18. Juli ist der Tag, der das Leben von Melanie Göttle verändert hat. Der Tag, der Deutschland schockiert. Nicht nur, weil Riaz K. an jenem Abend in den Regionalzug steigt, mit einem Messer und einer Axt im Gepäck, weil er Minuten später auf eine Touristengruppe aus Hongkong losgeht und vier der fünf Asiaten schwer verletzt. Die Axt-Attacke von Würzburg markiert den Tag, an dem der Terror Bayern erreicht. An dem ein unauffälliger Flüchtling, der vor einem Jahr über Passau in den Freistaat eingereist war, bereit ist, im Namen des Islamischen Staates zu töten – und später von der Polizei erschossen wird.

Warum? Das ist die Frage, die sich in Gaukönigshofen, eine halbe Stunde von Würzburg entfernt, noch immer viele stellen. Hier hatte Riaz K. die letzten zwei Wochen gelebt, hier war er am Sonntag noch mit seiner Pflegefamilie beim Pfarrfest – Stunden, bevor er das Blutbad anrichtete. Warum nur? Es ist die Frage, die auch Renate Braunbeck bewegt. Sie leitet das Kolpinghaus in Ochsenfurt, wo bis zu 18 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind, ausschließlich junge Männer. Auch Riaz K. war elf Monate hier.

Keine Anzeichen bei Riaz Z. gesehen

Renate Braunbeck kennt die Bewohner, sie trifft ihre Schützlinge jeden Tag. Sie spricht mit ihnen, sitzt mit am Mittagstisch, geht mit ihnen schwimmen. Darauf, dass einer von ihnen plötzlich ausrastet, zur Axt greift, in einen Zug steigt, wahllos Menschen angreift, sie schwer verletzt – „darauf ist keiner vorbereitet, das denkt man auch nicht“, sagt sie. „Es sei denn, es gibt Anzeichen dafür.“ Doch diese Anzeichen hat sie bei Riaz K. nicht gesehen. Sie hat ihn als einen Jungen kennengelernt, der sich eingebracht hat, der offen war, sich ein Leben in Deutschland aufbauen wollte. „Der einen guten Weg gegangen ist.“ Es fällt ihr schwer, in ihm einen bösartigen Terroristen zu sehen. „Mit uns hat er doch friedlich zusammengelebt“, sagt Braunbeck. Bis heute kann sie nicht verstehen, warum Riaz „diese schreckliche Tat“ begangen hat. Was der Auslöser dafür war. Ob es der Tod eines Freundes in Afghanistan war, von dem er offenbar kurz zuvor erfahren hatte. Oder etwas anderes.

Es sind Fragen, auf die Renate Braunbeck wohl niemals eine Antwort finden wird. Und dann ist da noch eine, die die Sozialpädagogin umtreibt. „Hätten wir erkennen können, zu was Riaz fähig ist? Welche Faktoren gibt es, die auf eine Radikalisierung hindeuten?“ Seit dem Attentat arbeiten Braunbeck und ihre Kollegen mit dem „Violence Prevention Network“ zusammen, einem Netzwerk, das sich seit Jahren darum bemüht, ideologisch oder religiös motivierte Gewalttaten von Jugendlichen zu verhindern. Die Fachleute sagen: Dass aus Riaz K. ein brutaler Terrorist wird, wäre für die Mitarbeiter des Kolpinghauses nicht auszumachen gewesen. „Das gibt uns eine Entlastung“, sagt Renate Braunbeck. Dennoch hat sich ihr Blick geschärft. Sie weiß, dass so etwas wieder geschehen könnte. Auch, weil mittlerweile zutage tritt, in welchem Maße Jugendliche in Deutschland für die Terrormiliz IS angeworben werden. Allen Flüchtlingen nun aber misstrauisch gegenüberzustehen, hält sie für falsch: „Traumatisierte Jugendliche brauchen Beziehung, feste Ansprechpartner, Unterstützung, aber keinen Generalverdacht.“

Die Axt-Attacke, sie hat auch bei den Flüchtlingen rund um Würzburg ihre Spuren hinterlassen. Viele verstehen nicht, warum ausgerechnet Riaz K. jenen Frieden, den sie nach ihrer langen Flucht hier gefunden haben, wieder zerstört. Warum sie von der Polizei verhört werden, warum ihnen auf einmal so viel Ablehnung entgegenschlägt. Nach dem Attentat durfte der eine oder andere sein Praktikum nicht beenden. Manche werden auf der Straße angepöbelt, erzählt Renate Braunbeck. Und dass es auch mal vorkommt, dass Passanten Flüchtlinge fragen: „Wo hast du denn deine Axt, wo dein Messer?“

Tatwaffe Messer

Und dann sind da diese Meldungen, die so ähnlich klingen wie die aus Würzburg und viele Menschen beunruhigen. Drei Tage nach dem Blutbad von Würzburg: Ein 45-Jähriger greift einen Mitarbeiter des Jugendamts mit einem Messer an. Wieder drei Tage später: In Reutlingen geht ein Syrer auf der Straße mit einem Dönermesser auf eine Frau los und tötet sie. In der Woche drauf sticht ein Kunde in einem Kaufhaus in Köln einen Verkäufer nieder. Vergangene Woche dann: Ein Mann attackiert in Magdeburg Passanten. In Marktheidenfeld in Unterfranken stürmt ein Betrunkener mit einem Messer in der Hand übers Volksfest. Und dann die jüngsten Vorfälle, mit noch größeren Parallelen zu Würzburg: In der Schweiz geht ein bewaffneter Mann in einem Zug auf mehrere Fahrgäste los. Zwei Menschen sterben, fünf werden schwer verletzt. Vorgestern verletzt ein geistig verwirrter Mann in einem Zug in Vorarlberg zwei Fahrgäste. Die Tatwaffe: ebenfalls ein Messer.

Belege dafür, dass die Messerattacken hierzulande überhandnehmen, haben weder das Bundes- noch Landeskriminalamt. Denn die polizeiliche Kriminalstatistik bildet nur das Delikt ab, nicht aber die Tatwaffe. Kriminologen gehen allerdings davon aus, dass die Berichterstattung über Gewalttaten andere labile Menschen motivieren kann. „Die mediale Intensität ist ein Verstärkungseffekt für diese Menschen, die alle auf der Kippe stehen“, sagt Kriminologe Christian Pfeiffer.

Auch Manuela Dudeck, Ärztliche Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Günzburg, sieht einen Nachahmer-Effekt nach Würzburg. „Manche psychisch kranken Menschen bemerken, dass sie ihr Selbstwertgefühl steigern können, wenn sie mit ihren Aggressionen nach außen treten.“ Wenn einer mit seiner Messerattacke Aufmerksamkeit bekommen habe, sei das auch ein Modell, das andere nachahmen. Und warum das Messer? „Das ist leichter verfügbar als andere Waffen“, sagt Dudeck.

Die 47-Jährige, die seit 22 Jahren in der Psychiatrie und seit drei Jahren im Maßregelvollzug arbeitet, kann von Menschen berichten, die sich nach jahrelanger Demütigung und Frustration einer Idee anschließen, sich radikalisieren. Sie sagt: „Wir müssen uns bemühen, Menschen mit großen psychischen Problemen eher aufzufangen.“ Doch völlig verhindern ließen sich solche Attentate wie in Würzburg nicht.

Einen Monat nach Axt-Attentat ist ein bisschen Ruhe eingekehrt

In Ochsenfurt ist einen Monat nach der Axt-Attacke ein bisschen Ruhe eingekehrt. Simone Barrientos jedenfalls gibt nicht mehr so viele Interviews wie im Juli. Die Verlegerin, die sich in der Stadt ehrenamtlich um Flüchtlinge kümmert, hat Riaz K. nur flüchtig gekannt. Und doch hat sie viel zu sagen. Sie war im Brennpunkt der ARD zu sehen, in den „Tagesthemen“, diskutierte mit Innenminister Herrmann im BayerischenFernsehen. „Ich bin einfach da“, sagt sie. Einige der Flüchtlinge nennen sie sogar Mama. Dabei verkörpert sie ein ganz anderes Frauenbild, als manche Asylbewerber es kennen: Sie tritt selbstbewusst auf, mit wildem Haar, engen Kleidern und großzügigem Ausschnitt. Man könnte glauben, diese Frau haut nichts um. Bis zu einem gewissen Grad hat Barrientos nach dem Attentat auch funktioniert. „Dafür sorgt schon das Adrenalin.“

Bei einer Veranstaltung in der Ochsenfurter Stadtbücherei fällt sie in Ohnmacht, ihr Kreislauf klappt zusammen. „Ich war völlig am Ende, emotional als auch kräftemäßig.“ Barrientos hatte keine Zeit, über das Geschehen nachzudenken. Auch das könnte zu ihrem Schwächeanfall geführt haben, erkennt sie heute. Dabei hätte sie sich so sehr gewünscht, mit jemandem darüber zu reden, einfach mal zur Ruhe zu kommen. Eine Antwort auf die Frage nach dem Warum zu finden.

Melanie Göttle, die Frau mit dem Garten an der Bahnlinie, will einfach nur die Bilder im Kopf loswerden. „Aber sie lassen sich nicht ausradieren“, sagt die 44-Jährige. Doch vielleicht kann sie wenigstens einen Schleier darüber legen. Deshalb wollte Göttle die verletzte chinesische Familie in der Klinik besuchen. „Ich wollte sehen, dass es den Leuten besser geht.“ Aber man habe sie nicht zu den Patienten gelassen. Einer der Asiaten, der 30-jährige Freund der Tochter der Touristenfamilie, ist auch einen Monat nach dem Axt-Attentat nicht außer Lebensgefahr.

In Heidingsfeld, sagt Melanie Göttle, spreche kaum noch jemand über das Attentat. Selbst in ihrer Nachbarschaft sei „das alles nur noch selten ein Thema“. In ihrer Familie aber ist die Bluttat allgegenwärtig. Melanie Göttle ist klar, dass sie therapeutische Hilfe braucht. Doch einen Termin hat sie erst im November. Eine lange Zeit. Zeit, in der all die Bilder wohl hochkommen. „Ich sage mir ja immer wieder, dass so was bei uns kein zweites Mal passiert“, sagt Göttle. „Aber es nützt nichts.“

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