Einen neuen Streit kann sich Merkel nicht leisten
Angela Merkel hat sich zurückhaltend für eine milliardenschwere Investitionsoffensive für Europa ausgesprochen. Dafür gibt es auch einen guten Grund.
Neun Monate ist es mittlerweile her, dass der französische Staatspräsident Emmanuel Macron unter anderem die Einrichtung eines speziellen Euro-Budgets für Investitionen vor allem in den strukturschwachen EU-Ländern vorschlug. Auf eine Antwort aus Berlin wartete er seitdem vergebens.
Nun hat sich Angela Merkel gerade noch rechtzeitig vor dem EU-Gipfel auf die Seite Macrons geschlagen und sich ebenfalls für eine milliardenschwere Investitionsoffensive ausgesprochen. Allerdings hat die Kanzlerin die ehrgeizigen Pläne deutlich zusammengestutzt, es gibt keinen eigenen Fonds, zudem ist die Frage, wie viel Geld zur Verfügung gestellt werden soll, noch nicht geklärt.
Merkel laviert auf einem äußerst schmalen Grat
Merkels Zurückhaltung hat einen guten Grund. Die europäische Haushalts- und Finanzpolitik ist in der CDU wie der CSU mindestens so umstritten wie die Asyl- und Flüchtlingspolitik. So laviert Merkel auf einem äußerst schmalen Grat zwischen den Erwartungen Macrons, den sie im Gegenzug bei der Lösung des Asylstreits dringend braucht, und den roten Linien ihrer eigenen Partei. Es wird der Kanzlerin aber guttun, dass Macron sie nun in der Asyl-Frage unterstützt.
Die Erfahrung zeigt: Wenn in Europa zumindest die Achse Berlin–Paris steht, ist einiges möglich.
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Merkel bleibt - wie so häufig - auch hier im Ungefähren. Aber bereits die grundsätzliche Einwilligung in ein Eurozonen-Budget gibt Anlass zu allergrößter Sorge, ahnt man doch, dass das der Einstieg in eine neue Geldpipeline von Nord nach Süd sein könnte.
Ein Schelm, wer meint, das sei der Preis für ein Entgegenkommen Macrons in der Flüchtlingsfrage, in der Merkel mächtig unter Druck steht. Aber fest steht, dass der Zeitpunkt für diese Zäsur in der Euro-Politik nicht besser hätte gewählt werden können. Die Machtfrage in der Union ist gestellt. Deshalb wird die CDU Merkel jetzt um fast jeden Preis unterstützen, obwohl es in der Sache heftige Bedenken gegen Merkels Kurs gibt. Außerdem scheint es während einer Fußball-WM wichtigere Themen zu geben als die Sicherung der Grundlagen unseres künftigen Wohlstandes.
Was also bleibt? Die Erkenntnis, dass es inzwischen fast schon zwei Gründe für ein mögliches Auseinanderbrechen der Unionsparteien geben könnte. Und die wachsende Sehnsucht nach einem unabhängigen Bayern, auch wenn diese völlig illusorisch ist. Es sei denn, der Rest der Republik würde sich ohne Bayern wohler fühlen. Aber das ist nun wirklich undenkbar! Allein schon deshalb, weil Bayern der größte Geber im Finanzausgleich ist.