Ermittler haben sich bei Stasi-Aufarbeitung stark unter Druck gefühlt
Hansjörg Geiger war der Chef der Behörde für die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit der DDR. Der spätere BND-Chef erinnert sich an hitzig debattierte Politiker-Fälle.
Der frühere Chef von Bundesverfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst Hansjörg Geiger hat in seiner Zeit als erster Direktor der Gauck-Behörde bei Stasi-Ermittlungen gegen ostdeutsche Politiker starken Druck gespürt.
Dies habe nicht nur im Fall des Stasi-Verdachts gegen den früheren brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe gegolten, sagte Geiger unserer Redaktoin. „Bei Stolpe waren die Akten umfangreich und für uns war die Lage eigentlich klar“, sagte Geiger. „Stolpe aber war damals der wichtigste Mann in der Ost-SPD, eine Integrationsfigur. Deshalb haben viele aus vielleicht sogar nachvollziehbaren politischen Gründen schützend ihre Hand über ihn gehalten.“
Ex-Behördenleiter: Schlimmste Fälle, wenn innerhalb von Familien ausgespäht wurde
Schon als im Dezember 1990 der Verdacht aufkam, dass der erste frei gewählte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sein könnte, habe er die Brisanz der Fälle am eigenen Leib erlebt. „Als ich mit dessen Akten zum damaligen Innenminister Schäuble nach Bonn geflogen bin, wurde ich von Polizeibeamten bis zum Flugzeug gebracht, damit mir ja niemand die Unterlagen entreißt“, erzählte Geiger. „So hitzig wurde das Stasi-Thema in diesen Monaten behandelt!“ Von Anfang an sei die Erwartungshaltung an die Stasi-Unterlagen-Behörde extrem groß gewesen.
Die schlimmsten Fälle seien für ihn gewesen, wenn DDR-Regime-Kritiker innerhalb der eigenen Familie ausgespäht wurden. „Wir hatten eine ganze Reihe von Fällen, in denen Eltern für die Stasi die eigenen Kinder ausgehorcht haben – mit der Folge, dass die Kinder kein Abitur machen durften und damit auch nicht studieren konnten“, berichtete Geiger. „Umgekehrt haben auch heranwachsende Kinder der Stasi über die eigenen Eltern berichtet – mit teilweise drastischen Folgen für die Eltern“, erzählte er.
Wie sich Hansjörg Geiger und Joachim Gauck bei der Behörde kennenlernten
Gelegentlich hätten sogar Ehepaare für die Stasi gearbeitet, ohne dass sie es voneinander wussten. „Ich erinnere mich an den Fall einer Familienrichterin, die sich in den letzten Monaten der DDR bei den Bürgerrechtlern eingeschlichen und bei dieser Gelegenheit ihre eigene Stasi-Akte vernichtet hatte“, sagte Geiger. Später habe sie sich in Brandenburg um eine Richterstelle beworben - in der festen Überzeugung, man könne nichts Verdächtiges mehr über sie finden. „Ihr Pech war nur, dass ihr Ehemann auch bei der Stasi war und dass in dessen Akte eine Kopie von ihrer Akte lag.“
Geiger war als damaliger Referatsleiter beim bayerischen Datenschutzbeauftragten im Oktober vom damaligen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Joachim Gauck als Direktor der neuen Behörde berufen worden. Gauck habe er damals gar nicht gekannt und sei ihm offenbar empfohlen worden, sagte Geiger. „Aber wir hatten schnell das Gefühl, dass wir zusammenpassen würden. Er, der ostdeutsche Pfarrer, ein Protestant, und ich, der westdeutsche Jurist, ein Katholik.“
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