Die relative Armut des Ludwig-Holger Pfahls
Die Affäre um Ludwig-Holger Pfahls zieht immer weitere Kreise. Langsam wird klar, wie der frühere Rüstungsstaatssekretär sein Vermögen vertuscht haben soll. Von Holger Sabinsky-Wolf
Wann der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls zuletzt über die 120 Jahre alten, handgemachten Fußbodenkacheln der Villa Mas Rayo im südfranzösischen Vallauris ging, ist nicht bekannt. Sicher ist hingegen, dass diese Villa dazu beigetragen hat, dass Pfahls Weihnachten im Gefängnis von Kaisheim (Kreis Donau-Ries) verbrachte.
Im Internet kursiert noch ein Exposee des Anwesens, das der einstige Ziehsohn von Franz Josef Strauß im Jahr 1994 für rund fünf Millionen Francs gekauft hat. Von einer "herrschaftlichen Villa" ist da die Rede, 320 Quadratmetern Wohnfläche, 23 000 Quadratmetern Grundstück, mit unverbaubarem Panoramablick über die Côte d'Azur. Die luxuriöse Ausstattung beinhaltet eine Sommerküche, Pool, automatische Bewässerung und versenkbare Fliegengitter. "Dieses Anwesen eignet sich hervorragend zum Empfang von Gästen", schreibt der Makler.
Welche Freunde Ludwig-Holger Pfahls dort empfing, ist nicht bekannt. Sicher ist hingegen, dass einige seiner Bekannten wegen ihm in große Schwierigkeiten geraten sind. Die Affäre um den betrügerischen Bankrott, den die Augsburger Staatsanwaltschaft dem früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Pfahls vorwirft, zieht immer weitere Kreise. Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass mittlerweile neun Personen in Untersuchungshaft sitzen. Neben Pfahls, seiner moldawischen Ehefrau Viorica Sava (38) und dem saarländischen Lobbyisten Dieter Holzer sind drei Rechtsanwälte inhaftiert. Insgesamt gibt es laut Nemetz 16 Beschuldigte.
Pfahls wird vorgeworfen, sich offiziell als vermögenslos dargestellt zu haben, in Wirklichkeit aber ein reicher Mann zu sein. Er soll im Ausland über vier Millionen Euro verfügen und sie Gläubigern in Deutschland verheimlicht haben. Alle anderen Beschuldigten sollen Pfahls in mehr oder minder großem Umfang bei dem betrügerischen Bankrott geholfen haben. Zwei Anwälte haben bereits Haftbeschwerde eingelegt, einer hat die mündliche Haftprüfung beantragt.
Pfahls' Ludwigshafener Anwalt Rüdiger Weidhaas - er verteidigte einst Fernsehmoderator Andreas Türck in dessen Vergewaltigungsprozess - äußert sich noch gar nicht. Er will erst die Akten sichten. Der Anwalt seiner Ehefrau, Marcus Traut aus Wiesbaden, ist nicht zu erreichen. Holzers Augsburger Anwalt Gerhard Decker weist alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Der Tatnachweis dürfte für die Augsburger Ermittler ein komplexes Puzzle aus Indizien werden.
Drei zentrale Figuren der Affäre Schreiber sitzen in Haft
Aber das sind sie in den Verfahren des so genannten Schreiber-Komplexes gewohnt. Es entbehrt nicht einer gewissen Kuriosität: Gut 15 Jahre, nachdem Staatsanwälte und Steuerfahnder die Ermittlungen aufgenommen haben, sitzen drei zentrale Figuren der Schreiber-Affäre in bayerischen Gefängnissen. Schreiber, Holzer, Pfahls - ihre Namen fielen im Zusammenhang mit Schmiergeldern für Politiker und Manager, dem ominösen Verkauf von "Fuchs"-Panzern nach Saudi-Arabien, der Leuna-Affäre um den französischen Elf-Konzern und dem CDU-Spendenskandal.
Nach fünf Jahren auf der Flucht war Pfahls 2005 in Augsburg wegen Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Anfangs zahlte er Steuern zurück, im September 2007 erklärte er sich dann aber für vermögenslos und gab eine eidesstattliche Erklärung (Offenbarungseid) ab. Er soll dem Finanzamt Nürnberg-Nord noch 1,8 Millionen Euro inklusive Säumniszuschlägen und der Staatsanwaltschaft Augsburg noch über 91 000 Euro schulden.
Die Ermittler observierten und hörten Telefone ab
Ein Offenbarungseid auf der einen, ein großes Vermögen auf der anderen Seite. Da verstehen Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung keinen Spaß und setzten dem prominenten Verdächtigen hart nach. Sie observierten, hörten Telefone ab und öffneten die Post. Mit den Ergebnissen der verdeckten Ermittlungen bekamen sie Haftbefehle.
Eine zentrale Rolle spielt die Villa Mas Rayo. Als Pfahls 1999 in Asien untertauchte, wurde das Anwesen für 5,7 Millionen Francs an Leo Henry Evans, einen ehemaligen Generaldirektor im südafrikanischen Außenministerium, verkauft. Die Ermittler glauben an ein Scheingeschäft und gehen davon aus, dass Pfahls immer der faktische Eigentümer der Luxusvilla war. Als Beleg haben sie einen Brief vom April 2009, in dem der Südafrikaner bestätigen soll, dass Pfahls der wirtschaftlich Berechtigte war und er selbst keine Verfügungsmacht hatte. Das Haus soll inzwischen für etwa 2,7 Millionen Euro an einen Russen verkauft worden sein. Wer das Geld bekommen hat, ist unklar.
Außerdem soll Pfahls eine Million seines Auslandsvermögens in die Horn Liegenschaften GmbH eines Bauunternehmers im Raum Nürnberg investiert haben. Als Sicherheit sollen 50 Prozent der Geschäftsanteile an Pfahls' Frau überschrieben worden sein. Im Gegenzug soll der Bauunternehmer - er ist selbst Beschuldigter - über eine Firma seiner Unternehmensgruppe von Ende 2006 bis Mitte 2008 Grundsteuern sowie Strom- und Wasserkosten für die Villa Mas Rayo übernommen haben - zu einem Zeitpunkt, als Pfahls offiziell schon längst nicht mehr Besitzer des Anwesens war.
Einen Teil des Pfahls-Vermögens soll dessen alter Kumpel Dieter Holzer verwalten - in einem Schließfach in Liechtenstein, der Schweiz oder Österreich. Die Ermittler glauben belegen zu können, dass Holzer Pfahls immer dann Geld übergeben habe, wenn der es benötigte.
Zudem soll Ludwig-Holger Pfahls seine Ehefrau beim Kauf eines Hauses in Sengenthal (Oberpfalz) als Käuferin vorgeschoben haben. 100 000 Euro finanzierte die Moldawierin über einen Kredit, 97 000 Euro des Kaufpreises sollen von Gelddepots im Ausland stammen, von denen die Ermittler glauben, dass Pfahls sie in Moldawien, Norwegen und anderswo besitzt. Viorica Sava selbst hatte im Dezember 2009 erklärt, dass sie von Verwandten mit Bargeld und Überweisungen unterstützt werde. Die Staatsanwälte glauben das nicht.
Sie glauben, dass Pfahls in betrügerischer Absicht Vermögen vor den Gläubigern vertuscht hat.
Kleine Randnotiz: Auch der wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilte Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber, bei dem immer über gebunkertes Millionenvermögen spekuliert worden war, hat sich durch einen Offenbarungseid für pleite erklärt. Er hat keinen Cent der Steuerschuld von 7,3 Millionen Euro beglichen. Von Holger Sabinsky-Wolf
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