Wie Edmund Stoiber Milliarden spart
Der CSU-Politiker ist seit sieben Jahren in Brüssel aktiv. Davon profitieren deutsche Firmen, die Wirtschaft spart 3,8 Milliarden Euro jährlich, weil sie die Mehrwertsteuer in der EU elektronisch abrechnen kann.
Wenn sich einer mit Bürokratie auskennt, dann er: Edmund Stoiber stand in seiner Zeit als bayerischer Ministerpräsident im Ruf des „Aktenfressers“. Doch seit sieben Jahren kämpft er auf EU-Ebene dafür, den Verwaltungsaufwand zu stutzen. Demnächst will er einen Schlussbericht über seine Arbeit als ehrenamtlicher Chef der Brüsseler Anti-Bürokratie-Arbeitsgruppe vorlegen. „Wir werden wohl eine Kosteneinsparung von 40 Milliarden Euro pro Jahr belegen können“, sagt er in Tutzing bei der Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie. Die durch Richtlinien und Verordnungen aus Brüssel verursachten Bürokratiekosten wurden zu Beginn seiner Tätigkeit auf 124 Milliarden Euro im Jahr veranschlagt. Ein Minus von gut 30 Prozent – das wäre mehr als erwartet. Ein Beispiel, wo Stoiber die Axt anlegte: Alleine die deutsche Wirtschaft spart mittlerweile 3,8 Milliarden Euro jährlich, weil sie die Mehrwertsteuer in der EU statt auf Papier elektronisch abrechnen kann.
Stoiber gefällt eine Idee aus England: Wer ein neues Gesetz will, muss ein anderes streichen
Aber der frühere CSU-Chef weiß, dass der Bürokratieabbau eine Sisyphus-Arbeit ist: „Es kommen ja immer neue Belastungen dazu“, sagt er. 70 bis 75 Prozent der Gesetze, die in den Mitgliedsländern wirksam werden, wurden in Brüssel gemacht. 1000 Verordnungen erlässt die EU-Kommission jedes Jahr. Da sei auch vieles dabei, was nicht nötig ist. Wenn es in einem Staat einen tödlichen Unfall mit einer Schnullerkette für Babys gab, müsse nicht gleich ein EU-weites Gesetz her.
Stoiber sieht keinen Grund, zu resignieren. Schließlich gibt es immer wieder auch neue Ideen: „Gut gefällt mir ein Vorschlag aus England: Wer ein neues Gesetz haben will, muss dafür ein anderes aus dem eigenen Geschäftsbereich streichen.“
Überhaupt hat Stoiber, der die Parteipolitik hinter sich gelassen hat und seither souverän und sympathisch wirkt, gute Vorschläge für die EU parat: Das Europäische Parlament müsse zum „entscheidenden Faktor“ werden, fordert er. Die EU-Kommission, das Verwaltungsorgan der Gemeinschaft, solle kleiner, aber gleichzeitig politischer werden und endlich offensiv kommunizieren („so eine schlechte Öffentlichkeitsarbeit leistet sich keine Regierung in der EU“). Und dann müsse über Brüssel auch in den Medien mehr berichtet werden („es fehlt eine europäische Öffentlichkeit“).
Laut Stoiber wird das Freihandelsabkommen mit den USA nie kommen
Nicht nur jetzt in der Krim-Krise müsse man froh sein, dass die Staaten nicht alleine dastehen, sondern dass die EU handelt, sagt Stoiber. Dasselbe gelte für den Datenschutz. Gegen US-Konzerne wie Microsoft, Google und Facebook habe kein europäischer Nationalstaat mehr eine Chance. „Sie glauben gar nicht, mit welcher Arroganz die Kalifornier auftreten“, weiß Stoiber.
Das große Freihandelsabkommen mit den USA, über das die EU-Kommission derzeit verhandelt, hat er bereits abgeschrieben. „Das wird nie kommen“, sagt er zur Überraschung seiner Zuhörer. Die Meinungsunterschiede seien zu groß, der US-Kongress werde Einschränkungen, die von den Europäern verlangt werden, nie akzeptieren. „Lasst uns lieber ein paar kleinere Dinge machen“, empfiehlt Stoiber.
Er rät zu Selbstbewusstsein. „Europa ist nicht nur Wirtschaftskraft. Europa hat auch Faszination“, sagt der 72-Jährige – und wirkt dabei tatkräftig wie ein junger Mann
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