Ex-CDU-Minister Schwarz-Schilling: Merkel hätte Seehofer feuern müssen
Exklusiv Der 87-jährige ehemalige Minister macht CSU-Chef Seehofer für die Krise der Volksparteien verantwortlich und hofft, dass Merkel noch drei Jahre Kanzlerin bleibt.
Herr Schwarz-Schilling, wie erleben Sie im Moment die Situation in Ihrer Partei, der CDU?
Christian Schwarz-Schilling: Ich bin seit einigen Monaten ziemlich frustriert über die Lage. Das Wahlergebnis der CDU in meiner Heimat Hessen ist schlimm. Schuld daran hat meiner Meinung nach aber vor allem einer. Und das ist CSU-Chef Horst Seehofer, der als Störenfried zwischen CDU und CSU auftritt. Angela Merkel hätte das vermeiden können, ja müssen. Sie hätte Seehofer im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz als Innenminister entlassen müssen. Denn er hat das Chaos angerichtet, das die ganze Bundesregierung nach unten zieht. Da hätte ich mir von Angela Merkel schon eine klarere Haltung gewünscht.
Seehofer ist Parteichef des Bündnispartners CSU. Seine Entlassung hätte den Bruch der Großen Koalition bedeutet...
Schwarz-Schilling: Nicht unbedingt. Seehofer ist doch in seinen eigenen Reihen zunehmend isoliert. Merkel hätte der CSU anbieten können, einen neuen Kandidaten für das Innenministerium zu benennen. Und wenn die CSU dieses nicht akzeptiert hätte, wären sie eben künftig nur noch in Bayern tätig. Die CSU weiß doch, dass das Risiko für sie selbst viel größer ist. Wenn die im Bund keine Rolle mehr spielt, verliert sie auch in Bayern weiter an Zustimmung. Ich war 1976 beim Bruch in Kreuth bereits in der Fraktion dabei und habe mich mit allen Kräften bemüht, diesen Bruch zu verhindern. Die damaligen Überlegungen gelten heute in gleicher Weise und ein Bruch sollte möglichst vermieden werden.
Nun scheint Seehofer zwar angezählt, aber zumindest als Parteichef könnte er Angela Merkel zunächst überleben. Wie bewerten Sie Merkels Rückzug von der Parteispitze?
Schwarz-Schilling: Es war der richtige Schritt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt für mich überraschend kam. Wenn sie es nicht getan hätte, wäre die Kritik an ihr immer größer geworden. Dann wäre die Kritik an ihr bis zum Parteitag im Dezember in den Medien immer größer geworden. Der Abwärtstrend in der Wählergunst hätte sich kaum mehr stoppen lassen.
Angela Merkel möchte aber noch drei Jahre Kanzlerin bleiben...
Schwarz-Schilling: Und das ist richtig so. Sie wird ihre verbleibende Zeit nutzen, um ihr politisches Erbe zu ordnen und die zahlreichen verbleibenden Probleme anzugehen. Ich bin auch überzeugt, dass sie die vollen drei Jahre durchhalten wird. Und sie wird ihre heute noch gewichtige Rolle zugunsten Deutschlands, sowohl national wie international voll einsetzen.
Wie bewerten Sie den Kampf um Merkels Nachfolge an der Parteispitze?
Schwarz-Schilling: Das ganze Gerede, dass für die Nachfolge nicht gesorgt sei, hat sich jetzt als falsch erwiesen. Dass jetzt über die richtige Person an der Parteispitze gestritten wird, ist gut so. Das ist ganz einfach das Spiel der Demokratie. Dieser Prozess bedeutet eine Normalisierung der CDU. Damit ist die CDU auch der CSU einen Schritt voraus - den Christsozialen steht die Erneuerung noch bevor.
Um den Parteivorsitz bewerben sich Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz. Wer ist ihr Favorit?
Schwarz-Schilling: Ich bin ja selbst Delegierter, wem ich meine Stimme geben werde, lasse ich mir noch offen. Alle drei Bewerber sind sehr ernst zu nehmen. Ich werde jetzt genau hinhören, was die einzelnen Kandidaten zu den Themen zu sagen haben, die für mich entscheidend sind. Dazu gehören insbesondere die Förderung des Mittelstandes und die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft und der Europapolitik Deutschlands.
Wie schwierig wird es für die Volksparteien, den Abwärtstrend zu stoppen?
Schwarz-Schilling: Union und SPD werden sich nur behaupten, wenn sie es jetzt richtig machen. Das heißt: Gut regieren im Zusammenspiel mit der Kanzlerin. Es ist nämlich nicht die erste Aufgabe einer Partei, das eigene Profil gegen die anderen zu polieren, sondern das Land gut zu führen.
Die CDU diskutiert aber gerade intensiv über ihr Profil - etwa ob die Partei wieder konservativer werden muss...
Schwarz-Schilling: Ein betonter Rechtsruck wäre falsch. Langfristig wird die CDU nur mit einer guten Politik der Mitte erfolgreich sein. Und sie sollte den Grünen gegenüber auch auf Bundesebene offen Offenheit zeigen. Ich war in Hessen ein starker Befürworter des schwarz-grünen Koalitionsvertrages. Zuerst einmal muss unsere Partei klären, welche Werte sie vertritt und welche Richtung sie einschlagen will. Und dann eine pragmatische Politik von Tag zu Tag machen, Kompromisse schließen, die unseren langfristigen Werte nicht schädigen. Wenn man dann in zehn Jahren Bilanz zieht, sollte herauskommen, dass unsere Ziele gestärkt wurden und das Erreichte nicht allzu weit von dem, was man sich vorgenommen hat, entfernt liegt.
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