Ex-Innenminister Baum warnt Bundesregierung vor Einmischung
In den Fall Puigdemont mischt sich nun ein früherer Bundesinnenminister ein: Gerhart Baum sagt, die Bundesregierung sollte sich heraushalten.
Endet sein Kampf um die Freiheit hinter Gittern? Die spanische Justiz wirft Carles Puigdemont Rebellion vor und will ihm den Prozess machen. Dafür haben spanische Richter einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt. Denn der Anführer der katalanischen Separatisten hat das Land längst verlassen. Die Flucht endete vor elf Tagen auf einer Autobahn in Schleswig-Holstein. Mit seiner Festnahme wurde der Fall Puigdemont auf einen Schlag zum Fall für deutsche Richter. Soll Deutschland den Politiker an Spanien ausliefern, wo ihm wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums bis zu 30 Jahre Haft drohen?
Wenn es nach der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein geht, ist die Antwort klar. Sie beantragte am Dienstag einen Auslieferungshaftbefehl. Damit liegt das Schicksal des 55-Jährigen nun in den Händen des Oberlandesgerichts. Dass sich die Politik bisher aus der Sache offiziell heraushält, gefällt nicht allen.
Gerhart Baum: "Die deutsche Politik soll sich raushalten"
Als Linken-Chef Bernd Riexinger vom Antrag der Staatsanwaltschaft erfährt, platzt ihm der Kragen. „Puigdemont soll als politischer Gefangener ausgeliefert werden. EU und Bundesregierung ducken sich weg und schieben die Justiz vor. Rechtlich: fragwürdig. Politisch: Duckmäusertum“, schreibt er auf Twitter.
Doch dürfte die Regierung überhaupt Einfluss auf den Fall nehmen? Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum warnt entschieden davor. „Die deutsche Politik sollte sich wirklich raushalten, sie kommt sonst in Teufels Küche“, warnt der FDP-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Schlüssel für die strafrechtliche Beurteilung von Puigdemonts Freiheitskampf liege in Madrid. „Die deutsche Justiz hat ausschließlich zu prüfen, ob der Haftbefehl zurecht besteht“, stellt er klar.
Baum: "Spanien ist ein Rechtsstaat"
Puigdemonts Anwälte haben bereits juristische Gegenmaßnahmen ergriffen und gehen weiterhin davon aus, dass die Richter die Auslieferung ihres Mandanten ablehnen werden. Sie bezeichnen den früheren katalanischen Regionalpräsidenten, der sich noch immer in der Justizvollzugsanstalt Neumünster in Gewahrsam befindet, als „politischen Gefangenen“. Ex-Minister Baum findet das wenig überzeugend: „Jemand, der von der Justiz gesucht wird, ist noch lange kein politisch Verfolgter – Spanien ist schließlich ein Rechtsstaat.“ Große Chancen auf Asyl räumt er Puigdemont jedenfalls nicht ein. Dass der Separatistenführer auf seiner Flucht zufällig in Deutschland gelandet ist, glaubt der 85-Jährige im Übrigen kaum: „Möglicherweise wollte Puigdemont uns sogar politisch instrumentalisieren.“
Für Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth ist die Sache nicht ganz so eindeutig. „Nicht wenige Expertinnen und Experten äußern Zweifel daran, dass eine Auslieferung von Carles Puigdemont deutschem und europäischem Recht entspräche. Ihre Argumente verlieren mit der heutigen Entscheidung nicht an Plausibilität“, sagt die Grünen-Politikerin auf Nachfrage. Sie vertraue nun auf das Urteil des zuständigen Gerichts. Bis dahin könnten allerdings noch ein paar Tage vergehen.
Entscheidend wird nun sein, ob die Taten, die Puigdemont zur Last gelegt werden, in beiden Ländern strafbar sind. Denn im internationalen Recht gilt der Grundsatz, dass Beschuldigte nur dann ausgeliefert werden. Den Vorwurf der Rebellion, den die spanische Justiz dem Politiker macht, gibt es in Deutschland zwar nicht. Nach Überzeugung der Generalstaatsanwaltschaft entspricht er aber dem Hochverrat, der laut Paragraf 81 des Strafgesetzbuchs dann erfüllt ist, wenn jemand versucht, durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt ein Teilgebiet aus der Bundesrepublik auszugliedern oder die verfassungsmäßige Ordnung dort abzuschaffen.
Im konkreten Fall geht es also um die Frage, ob Puigdemont das Referendum organisiert hat, obwohl gewaltsame Ausschreitungen zu erwarten waren.
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