Ex-Präsident Evo Morales - Boliviens gefallenes Idol
Evo Morales war als erster indigener Präsident Lateinamerikas ein Hoffnungsträger. Nun tritt der bolovianische Präsident zurück. Er soll in Mexiko Asyl erhalten.
Er galt als Held in Lateinamerika, als Mann der kleinen Leute, als Schutzpatron der Indigenen. Jetzt ist der bolivianische Präsident Evo Morales nach über 13 Jahren an der Macht politisch am Ende. Und zwar nicht, wie es aus Moskau hieß, weil ihn „ein von der USA organisierter Staatsstreich“ hinweggefegt hatte, sondern weil ihn große Teile der Bevölkerung seines Landes ablehnten. Sie wollten den Mann nicht mehr, der ihnen immerhin viele Jahre relativer politischer und wirtschaftlicher Stabilität beschert hat. Am Sonntag musste der 61-Jährige einsehen, dass er sich nicht mehr im Amt würde halten können – auch Polizei und Militär waren von ihm abgerückt. Er trat ab, nicht ohne seine Gegner „Putschisten und Verräter“ zu nennen. Zurück bleibt ein Machtvakuum in Bolivien. Morales selbst wird das Land verlassen, er hat Mexiko um Asyl gebeten. Sein Land werde Morales Asyl gewähren, teilte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard am Montag bei einer Pressekonferenz mit.
Evo Morales wird Betrug bei Präsidentschaftwahlen vorgeworfen
In Bolivien war zuletzt einiges zusammengekommen: Der Sozialist Morales hatte sich nach der Abstimmung am 20. Oktober überraschend zum Sieger in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen erklärt. Die Opposition, aber auch internationale Beobachter warfen ihm und seiner sozialistischen Partei Betrug vor. Es folgten Streiks und Straßenschlachten zwischen Gegner und Anhängern des Präsidenten mit mindestens drei Toten. Am Ende lag auch die Autorität des einstigen Idols in Scherben.
Für den Indio Juan Evo Morales Ayma begann am 26. Oktober 1959 ein Leben, das Stoff für Romane bieten würde. Seine Eltern waren Kleinbauern. Vier seiner sechs Geschwister starben früh. Evo erwies sich jedoch als widerstandsfähig. Der junge Mann verdiente Geld als Bergmann, Ziegelträger, Bäcker und Trompeter. Nach seinem Wehrdienst betrieb er den Anbau von Koka. Doch aus der Pflanze, die traditionell als Basis für Arzneimittel diente, wurde in den 70er und 80er Jahren ein heiß begehrter Stoff zur Herstellung illegaler Drogen.
Evo Morales gründet Movimento al Socialismo in Bolivien
Die Koka-Bauern gerieten in den Strudel des Kampfes gegen Rauschgift, der unter dem Druck der USA mit aller Härte ausgetragen wurde. Der Konflikt traf den indigenen Teil der Bevölkerung. Die Indios stellten zwar die Mehrheit der Bevölkerung, doch sie wurden von einer meist weißen Elite Boliviens systematisch ausgebeutet. Anfang der 80er Jahre begann der atemberaubende Aufstieg des Evo Morales – erst als Gewerkschaftsführer, dann auch als Politiker. Morales hatte nicht nur Charisma, er war ein guter Organisator und konnte sich energisch durchsetzen. Die Indigenen, später aber auch weitere Bevölkerungskreise, versammelten sich hinter Morales. Schnell wurde die von ihm gegründete Movimento al Socialismo (MAS) ein ernst zu nehmender politischer Faktor.
2002 verlor Evo Morales bei den Präsidentschaftswahlen noch klar in der Stichwahl. Drei Jahre später war er nicht mehr aufzuhalten: Mit 54 Prozent wurde der frühere Koka-Bauer zum ersten indigenen Präsidenten Lateinamerikas gewählt. Und er sorgte für Furore. Morales startete eine große Kampagne zur Alphabetisierung, begann die Infrastruktur in dem rückständigen Land auszubauen. Er verhinderte den Ausverkauf heimischer Bodenschätze und sorgte dafür, dass die Erlöse aus den Geschäften mit Gas und Erdöl auch der einfachen Bevölkerung zu Gute kam. Diese Fortschritte erreichte er auch, weil er zunächst die Flexibilität aufbrachte, mit politischen Gegnern zu kooperieren.
Morales will Spaltung Boliviens überwinden
Seine Triumphe bei den Wahlen von 2009 und 2014 mit jeweils über 60 Prozent der Stimmen ließen hoffen, dass Morales in der Lage sein könnte, die ethnische und ökonomische Spaltung Boliviens zu überwinden. Doch mit den Jahren an der Macht veränderte sich Morales. Er wurde autoritärer, ja zeigte diktatorische Züge. Auch Indios, die sich seinen Großprojekten auf dem Land in den Weg stellten, bekamen seine Rücksichtslosigkeit zu spüren.
Evo Morales wollte Anfang 2016 per Referendum die Begrenzung der Amtszeiten für Präsidenten abschaffen. Doch die Mehrheit war dagegen. Dennoch ließ er sich gegen das Votum des Volkes von seiner Partei für die Wahl am 20. Oktober 2019 nominieren. Die Stimmung kippte – auch seine einst treuesten Anhänger standen nicht mehr geschlossen hinter ihm. Evo Morales konnte oder wollte die Signale nicht hören. Dafür ist es jetzt zu spät.
Folgt Morales Rafael Correa nach Russland?
Völlig unklar ist, wie es weitergeht in Bolivien. Die gewaltsamen Konflikte auf den Straßen der Hauptstadt unmittelbar nach dem Rücktritt lassen böse Ahnungen aufkommen. Skeptiker fürchten, dass sich die Gräben in der Gesellschaft wieder vertiefen könnten.
Und was wird aus Morales? Der hatte vor Jahren angekündigt, nach seiner Amtszeit ein Restaurant eröffnen zu wollen, in dem er selber als Kellner arbeiten würde. Das dürfte ein Traum bleiben. Immerhin kam am Montag ein Job-Angebot aus Russland vom Staatssender RT. Er könne als TV-Moderator für das spanische Auslandsprogramm des Senders arbeiten, schrieb Chefredakteurin Margarita Simonjan. Ein Witz? Nicht unbedingt. Ecuadors linksgerichteter früherer Präsident Rafael Correa agitiert von seinem Exil in Belgien aus bereits beim spanischen RT-Ableger. Nun wird die Reise aber wohl erst einmal nach Mexiko gehen.
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Wie seit Jahrzehnten üblich, werden die "schmutzigen Finger" aus Washington nicht erwähnt.