FDP-Fraktionsvize Theurer wirbt für Grün-Gelb in Baden-Württemberg
Exklusiv Michael Theurer, der Chef der Landes-FDP, kann sich für Baden-Württemberg ganz neue Koalitionsalternativen vorstellen.
Herr Theurer. Sie haben mit den Grünen weniger Berührungsängste als ihr Parteichef Christian Lindner. Können Sie sich nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg im nächsten Jahr eine grün-gelbe Koalition vorstellen?
Theurer: Wenn es rechnerisch im Bereich des Möglichen ist, und nach Lage der Dinge ist es das, schließe ich eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht aus. Das ist aber keine Koalitionsaussage. Eine Regierung, an der die FDP beteiligt ist, muss eine Reformkoalition sein. Sie muss technologieoffen sein und eine vernünftige Bildungspolitik betreiben.
Die Umfragen geben ein solches Bündnis bisher kaum her. Ist bei Ihnen der Wunsch der Vater des Gedankens?
Theurer: Wenn es für eine Regierung mit der CDU reicht, können wir uns das natürlich gut vorstellen. In Baden-Württemberg haben wir Jahrzehnte erfolgreich zusammen- gearbeitet, und auch die gegenwärtige schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen funktioniert sehr gut – da werden Gefährder abgeschoben, Unternehmen von Bürokratie befreit und die Schulen gestärkt. In Baden-Württemberg allerdings schwächelt die CDU im Moment doch sehr. Grün-Gelb ist deshalb eine Option.
Die FDP war über Jahrzehnte die Stimme der ökonomischen Vernunft in Deutschland. Warum muss auch sie jetzt noch grüner werden?
Theurer: Die Südwest-FDP hat eine große öko-liberale Tradition. Wir sehen die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie als zentrale Herausforderung, allerdings setzen wir anders als die Grünen nicht auf Verzicht und Verbote. Wir sind gegen flächendeckende Fahrverbote und gegen ein Verbot von Inlandsflügen. Wir bauen stattdessen auf Innovation. Wasserstofftechnologie, Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe: Hier muss Deutschland einen Technologiesprint hinlegen, damit wir nicht von China und anderen asiatischen Nationen abgehängt werden.
Auf Bundesebene krebst die FDP vor dem Dreikönigstreffen am Montag bei sieben bis zehn Prozent herum. Warum können Sie nicht mehr Kapital aus dem Chaos in der GroKo schlagen?
Theurer: Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff wären über solche Werte froh gewesen. Aber natürlich wollen wir als FDP vor dem Hintergrund der Veränderungen im Parteienspektrum und der Erosion der Volksparteien wachsen – wenn auch nicht um jeden Preis. Unser Markenkern muss erkennbar bleiben, die Soziale Marktwirtschaft, das Prinzip Privat vor Staat, die Bürgerrechte.
Ein Thema haben Sie jetzt nicht genannt: die Steuerpolitik. Läuft Ihnen da die CSU gerade den Rang ab, die Steuererleichterungen für Familien, Bauern und Aktiensparer fordert?
Theurer: Die Entlastung der Bürger von Steuern und Abgaben ist eine Kernkompetenz der FDP. Wir haben von Anfang an die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages gefordert und wollen die Unternehmenssteuern reduzieren.
Wann fällt der Soli denn komplett? Die FDP will gegen das Gesetz der Großen Koalition klagen, nach dem Gut- und Besserverdiener den Zuschlag weiter bezahlen sollen.
Theurer: Ja, wir klagen. Bei allem Respekt vor dem Bundespräsidenten erwarte ich aber auch, dass er das Gesetz genau prüfen lässt. Die FDP ist wie viele Steuer- und Verfassungsjuristen der Überzeugung, dass dieses Stückwerk verfassungswidrig ist. Wenn das Gesetz aber offensichtlich verfassungswidrig ist, dann kann der Bundespräsident die Unterschrift verweigern. Ich bin mir sicher: Eher hält Herr Steinmeier dieses Gesetz auf als Markus Söder und die CSU.
Zur Person: Michael Theurer ist seit 2013 Vorsitzender der FDP Baden-Württemberg. Seit 2017 gehört der gelernte Volkswirt und Journalist aus Horb auch dem Bundestag an.
Die Diskussion ist geschlossen.