FDP fordert Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
Exklusiv FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff fordert Härte gegenüber dem türkischen Präsidenten. Erdogan trete "die Werte der EU mit Füßen".
Die FDP hat nach der türkische Militäroffensive in Nordsyrien die Europäische Union zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgefordert „Wenn die EU glaubwürdig bleiben will, muss sich der Europäische Rat endlich dazu durchringen, die ohnehin stillstehenden EU-Beitrittsverhandlungen abzubrechen“, sagte der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff unserer Redaktion. Die EU müsse gegenüber dem Präsident Recep Tayyip Erdogan Härte zeigen: „Erdogan tritt die Werte der EU innen- und außenpolitisch mit Füßen“, betonte Lambsdorff.
Alexander Graf Lambsdorff: NATO-Ausschluss der Türkei wäre der falsche Weg
„Die EU darf jetzt trotz Erdogans Drohungen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange stehen“, sagte der FDP-Außenexperte. „Stattdessen müssen die EU-Staats- und Regierungschefs ein EU-Waffenembargo auf dem Weg bringen, das für die Dauer der türkischen Kampfhandlungen gilt“, forderte der FDP-Politiker. „Auch eine Vertiefung der Zollunion oder Visa-Liberalisierungen kommen nicht in Frage, solange die Türkei ihr völkerrechtswidriges Vorgehen in Nordsyrien fortsetzt“, betonte Lambsdorff. Ein NATO-Ausschluss der Türkei wäre aber der falsche Weg. „Denn dies ist erstens laut Vertrag unmöglich und zweitens können weder Deutschland noch die übrigen NATO-Mitglieder ein Interesse an einer möglichen Allianz zwischen Russland, dem Iran und der Türkei in Syrien haben.“
Auch der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen kritisiert die Reaktion der EU auf die türkische Militäroffensive in Nordsyrien als unzureichend. „Leider konnte sich die EU erneut nicht auf ein gemeinsames und einheitliches Auftreten einigen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags unserer Redaktion. „Hinsichtlich der europäischen Handlungsfähigkeit wäre eine Einigung der EU-Außenminister auf ein Waffenembargo gegenüber der Türkei ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen“, betonte Röttgen. Ein einheitliches Auftreten wäre zudem strategisch elementar, um Druck auszuüben. „Die Situation zeigt ein weiteres Mal die Notwendigkeit einer Gruppe von willigen und fähigen europäischen Staaten, die Verantwortung in der Region übernimmt“, betonte der CDU-Außenpolitiker.
Röttgen beurteilt Wirtschaftssanktionen gegen Türkei skeptisch
Skeptisch äußerte sich der CDU-Politiker zur Forderung nach weiterreichenden Sanktionen gegenüber der Türkei. „Rein wirtschaftlichen Sanktionen gegen die Türkei stehe ich zurückhaltend gegenüber“, sagte Röttgen. „Sie würden die Bevölkerung treffen und damit Erdogan die Gelegenheit geben, die Bevölkerung in ihrer türkischen Solidarität gegen den Westen zu mobilisieren - und das obwohl viele in der türkischen Gesellschaft Erdogans Kurs ansonsten ablehnen.“ Eine Aussetzung der türkischen NATO-Mitgliedschaft halte er aus strategischen Gründen für falsch. „Allerdings muss sich die Türkei dann auch wie ein NATO-Partner verhalten“, betonte er.
Der Außenexperte rechnet mit einer weiteren Eskalation des Konflikts: „Erdogan wird seine Offensive weiter vorantreiben, weil für ihn die kurdische Frage eine entscheidende Machtfrage ist“, betonte Röttgen. Zudem werde der Einfluss des Präsidenten Baschar al-Assad gestärkt: „Es ist die Entwicklung eingetroffen, die wir seit der Entscheidung über den US-Truppenrückzug befürchtet haben: Die syrischen Kurden greifen in ihrer Unterlegenheit und Not auf den Staatsterroristen Assad als Verbündeten zurück. Nun kann dieser seinen Einfluss in Syrien weiter ausbreiten.“
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