Füracker: Grundsteuer-Modell von Olaf Scholz führt zu Mietsteigerungen
Exklusiv Der bayerische Finanzminister Albert Füracker warnt vor dem Steuermodell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Es drohe ein bürokratisches Monster.
Herr Füracker, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen Plan zur Reform der Grundsteuer vorgelegt, auf die das Bundesverfassungsgericht drängt. Warum lehnt die Bayerische Staatsregierung das Scholz-Modell ab?
Albert Füracker: Das Modell des Bundesfinanzministers zur Reform der Grundsteuer ist viel zu kompliziert und unglaublich bürokratisch. Bürger, Unternehmen und die Steuerverwaltung brauchen ein nachvollziehbares und umsetzbares Grundsteuerverfahren – keine Blackbox!
Warum glauben Sie, dass der bürokratische Aufwand im Vergleich zum heutigen Modell steigen würde?
Füracker: Dies liegt zum großen Teil daran, dass nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministers die Bodenrichtwerte ein grundlegendes Element sein sollen. Die Höhe der Bodenrichtwerte ist streitanfällig und sorgt bei 36 Millionen Objekten in Deutschland für eine riesige Bürokratie. Alleine in Bayern würden wir zur Umsetzung der neuen Grundsteuer etwa 2500 Steuerbeamte zusätzlich benötigen.
Das Scholz-Modell berücksichtigt nicht nur den Bodenrichtwert, sondern auch Art und Alter der Immobilie, Wohnflächen und Mietniveau. Was ist daran so verkehrt?
Füracker: Ein wertbezogenes Modell ist definitiv der falsche Ansatz. Das führt zu regelmäßig steigenden Steuern aufgrund der im System angelegten hohen Belastungsdynamik. Die Verwendung von Bodenwerten und der von Scholz geplante Wertzuschlag für Großstädte bedeuten Mietsteigerungen, die ich nachdrücklich ablehne.
Ministerpräsident Markus Söder und Sie haben einen eigenen Grundsteuer-Plan. Wie sieht der aus?
Füracker: Wir wollen in Bayern eine unbürokratische Einfach-Grundsteuer, die allein auf der Basis von Flächenzahlen für das Grundstück und darauf befindliche Gebäude errechnet wird. Das kann jeder nachvollziehen, es sind nur einfache Berechnungen nötig. Die Flächen für Grund und Boden beziehungsweise für ein Gebäude stehen fest. Darüber wird es keinen Streit geben. Als bayerischer Finanzminister ist es mir äußerst wichtig, dass die Steuerverwaltung die neue Grundsteuer mit möglichst wenig Aufwand umsetzen kann.
Würde eine Grundsteuer nach Ihren Vorstellungen wirklich höhere Belastungen für Eigentümer und Mieter verhindern?
Füracker: Am Beispiel Augsburg wird doch ein wichtiges Argument für unseren Ansatz besonders deutlich: Es gibt in großen Städten enorme Mietsteigerungen, die Bodenpreise explodieren. Das bedeutet bei einer wertbezogenen Grundsteuer erhebliche Belastungssteigerungen im Laufe der Jahre. Eine solche Negativspirale lehnen wir ab und vermeiden diese mit einem rein flächenbezogenen Ansatz.
Welche Personengruppen oder Regionen würden mit dem bayerischen Modell besser fahren? Und wer wäre mit dem Scholz-Modell besser dran? Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Füracker: Entscheidend ist für mich, dass die Grundkonzeption des Reformmodells passt. Die Bezugnahme auf die Bodenrichtwerte und auf die Mieten, die der Bundesfinanzminister möchte, wird dazu führen, dass die Grundsteuerbelastung insbesondere in den Großstädten in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Gerade auch für Mieter ist das eine Steuererhöhung durch die Hintertür. Mein Ziel ist ganz klar, Steuererhöhungen im Reformmodell selbst zu vermeiden. Scholz setzt bei seinem Vorschlag hingegen voll darauf, dass alle Kommunen ihre individuellen Hebesätze senken werden. Bund und Länder haben darauf aber keinen Einfluss, denn sie können den Kommunen die Höhe ihrer Hebesätze nicht vorschreiben.
Für den bayerischen Vorschlag schien bislang nirgends eine Mehrheit in Sicht. Wie wollen Sie Bundesfinanzminister Scholz doch noch überzeugen?
Füracker: Seit Herbst letzten Jahres diskutieren wir mit dem Bundesfinanzminister und den Ländern. Im Ergebnis steht fest, dass nun auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Modell von Minister Scholz ablehnt. Auch die Bundeskanzlerin akzeptiert den Gesetzentwurf nicht. Das alles spricht für einen notwendigen Neustart. Alle, der Bund und die Länder – auch die Bayerische Staatsregierung – wollen eine reformierte Grundsteuer. Wir sind es den Städten und Gemeinden schuldig, dass sie auch nach Ende dieses Jahres eine Grundsteuer erheben können.
Aber die Zeit läuft davon. Wie wollen Sie verhindern, dass es Ende des Jahres doch keine Einigung gibt und dann Grundsteuer ganz wegbricht?
Füracker: Die Staatsregierung kämpft wie bereits seit Anfang der Diskussion für eine Regelungskompetenz auf Ebene der Länder. Ich erwarte, dass der Bund entweder das dafür notwendige Freigabegesetz erlässt oder zumindest endlich die von uns lange geforderten Länderöffnungsklauseln akzeptiert. Die notwendigen Regelungen können im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben schnell geschaffen werden. Der Bundesfinanzminister kann gerne sein Modell gegenüberstellen. Dann kann jedes Land selbst entscheiden, ob es das aufwendige Reformmodell des Bundesfinanzministers tatsächlich übernehmen will. Es muss dann aber auch die Konsequenzen in seinen Finanzämtern tragen. Wir in Bayern wollen jedenfalls eine für alle Beteiligten einfache, unbürokratische und nachvollziehbare Lösung. Dafür setzen wir uns im Sinne der Grundstückseigentümer und der Mieter in Bayern weiterhin und aus voller Überzeugung ein.
Wie geht es jetzt weiter?
Füracker: Der Bundesfinanzminister hat ja erklärt, dass er zumindest Fragen der Öffnungsklauseln diskutieren will. Das wird Bayern auch weiterhin massiv fordern. Ich gehe davon aus, dass dann in einem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung auch mindestens Länderöffnungsklauseln enthalten sein werden. Eine Regionalisierung wäre natürlich noch sinnvoller. Wir sind weiterhin gesprächsbereit.
Wenn es eine Öffnungsklausel geben sollte, wie schnell könnten Sie dann ein eigenes Gesetz präsentieren. Sind Sie sich darüber eigentlich mit Ihrem Koalitionspartner, den Freien Wählern, einig?
Füracker: Die gemeinsame Basis unserer Zusammenarbeit mit den Freien Wählern ist und bleibt der Koalitionsvertrag. Dort haben wir festgelegt, dass wir uns auf Bundesebene für ein wertunabhängiges Einfach-Grundsteuermodell einsetzen. Dieses Ziel verfolge ich seit Beginn der Verhandlungen auch mit Nachdruck. Wenn es eine Länderöffnungsklausel geben sollte, werden wir natürlich schnellstmöglich einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Albert Füracker, 51, ist seit dem Jahr 2008 Mitglied des Bayerischen Landtags. Der CSU-Politiker aus der Oberpfalz wurde im März 2018 von Ministerpräsident Markus Söder zum Finanz- und Heimatminister berufen.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Der Ansatz von Füracker scheint doch vernünftig zu sein: wenig Bürokratie, Stärkung der Länderkompetenzen.
Wer eine Vermögensteuer will, sollte das mit offenem Visier fordern.
Die Grundsteuer als Ersatz für eine Vermögensteuer?
Das wäre in den Augen vieler Menschen ein Irrweg!