
Ethikrat-Mitglied Wolfram Henn erklärt, warum er eine Impfpflicht befürwortet

Wolfram Henn ist Mitglied des Ethikrates. Er ist einer der entschiedensten Befürworter einer Impfpflicht. In einem Gastbeitrag erklärt er, warum.
Die beste Nachricht zuerst: Die Entscheidung, sich impfen zu lassen, ist kein moralisches Dilemma, denn mit einer Impfung tut man sich selbst genauso etwas Gutes wie Anderen. Die Chancen-Risiko-Abwägung ist inzwischen angesichts von bislang 90.000 Corona-Toten in Deutschland und Erfahrung mit mehreren hundert Millionen Impfungen weltweit vollkommen klar. Nur nebenbei: Die kurz vor der Zulassung stehenden "konventionellen" Protein-Impfstoffe enthalten keine DNA oder RNA und sollten für Zögerer nun auch die letzten (sachlich unbegründeten, dies sage ich als mRNA-geimpfter Humangenetiker) Zweifel an der Sicherheit verfügbarer Impfstoffe ausräumen.

Ein wenig erinnert mich diese Diskussion an die Einführung der Anschnallpflicht vor gut 40 Jahren: Natürlich ist es nicht völlig unmöglich, dass jemand im Auto bewusstlos wird, in einen Fluss stürzt und dann wegen eines klemmenden Gurtes schlechter gerettet werden kann. Allerdings ist ein konventioneller Frontalaufprall vieltausendfach wahrscheinlicher. Genauso ist es mit Corona: Es ist vieltausendfach wahrscheinlicher, durch die Krankheit Schaden zu nehmen als durch die Impfung. Also ist es vernünftig, sich impfen zu lassen, und unvernünftig, sich nicht impfen zu lassen.
Die Politik hat sich selbst Fesseln angelegt
Aber nun die ethische und politische Frage: Darf der Staat Menschen ohne individuelle Begründung zu vernünftigem Verhalten verpflichten oder gar zwingen? Er dürfte es, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst vor wenigen Monaten. Er will es nicht, hat sich schon zum Anfang der Pandemie in seltener Einmütigkeit die gesamte deutsche Politik geäußert. Damit steht sie im Wort, und daran ist sie durch das Pfand ihrer Glaubwürdigkeit gebunden.
Jedoch, und nun meine persönliche Auffassung, endet für Personen in besonderer beruflicher Verantwortung das Recht auf individuelle Unvernunft am Anspruch der ihnen anvertrauten Menschen auf Schutz. Frage dazu: Dürfte jemand, der selbst nicht geimpft werden kann, von Staats wegen zum engen Kontakt mit Menschen gezwungen werden, die sich nicht impfen lassen wollen? Genau das steht uns nämlich nach den Sommerferien in manchen Fällen bevor: Kinder können noch nicht geimpft werden, unterliegen der Schulpflicht und haben keine freie Lehrerwahl. Selbstverständlich sind nach Bekunden der Lehrerverbände gut 90 Prozent ihrer Mitglieder geimpft. Löblich und gut, aber auch die restlichen 10 Prozent tragen eine selbstgewählte Verantwortung. Dasselbe gilt für Personal in Medizin und Pflege: Auch hier sind die meisten geimpft, aber eine kleine Minderheit kann eine tödliche Gefahr für alte und vorerkrankte Menschen sogar trotz deren Impfung darstellen.
Auch für Taxifahrer sollte es eine Impfpflicht geben
Bei einer streng berufsbezogenen Impfpflicht handelt es sich ethisch und rechtlich betrachtet nicht um eine Diskriminierung, denn diese ist als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung definiert. Die Rechtfertigung besteht darin, dass Menschen, die für Andere professionelle Verantwortung übernehmen, sich stärker als die Allgemeinheit in die Pflicht nehmen lassen müssen. Das verschiedentlich vorgetragene Gegenargument, man habe zum Zeitpunkt der Berufswahl ja noch keine Pandemie erahnen können, greift nicht, denn eine Garantie für ein stress- und überraschungsfreies Berufsleben hat es noch nie gegeben. Das gilt für das Bildungswesen wie das Gesundheitswesen, aber aus meiner Sicht ebenso für den gleichermaßen durch professionelle Verantwortungsübernahme gekennzeichneten öffentlichen Personenverkehr. Konkret: Eine Krebspatientin sollte sich darauf verlassen können, dass der Taxifahrer, der sie zur Chemotherapie bringt, sie nicht unnötig gefährdet. Gemäß dem Personenbeförderungsgesetz darf er ja auch nur zugelassen werden, wenn die Sicherheit des Betriebes gewährleistet ist. Ohnehin ließe sich eine berufsbezogene Impfpflicht zum großen Teil über die sinnvolle Anwendung bereits bestehender Vorgaben des Arbeits- und auch des Beamtenrechts realisieren.
Aber schon diesseits solcher Regelungen haben die zu schützenden Menschen und ihre Familien einen Anspruch darauf, zu erfahren, an wem sie sind. Wer nicht fragt, bleibt dumm: Alle Eltern dürfen und sollten die Lehrerinnen und Erzieher ihrer Kinder fragen, ob sie geimpft sind. Die allermeisten werden antworten "Ja, selbstverständlich", mit dem Erfolg eines beiderseits gestärkten Vertrauens. Jede andere Antwort, auch ein Verweis auf den Datenschutz, dürfte nach der Lebenserfahrung einem "Nein" gleichkommen. Und damit der zumindest moralischen Pflicht, sich rechtfertigen zu müssen. Alle haben ihren Teil dazu beizutragen, dass ein Kind nach der Schule guten Mutes die kranke Uroma besuchen kann. In einem besonders sensiblen Bereich des Berufslebens muss aus meiner Sicht Transparenz notfalls sogar rechtlich eingefordert werden: Es darf nicht sein, dass eine hochgefährdete Patientin nicht erfährt, ob die zu ihr ins Haus kommende Pflegeperson ihre Impf-Verantwortung wahrgenommen hat oder als ambulanter Superspreader unterwegs ist. Patientenschutz muss hier vor Datenschutz gehen, mit Stigmatisierung hat das nichts zu tun.
Zur Person: Wolfram Henn ist Humangenetiker und Medizinethiker an der Universität des Saarlandes. Er ist seit 2013 stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer und seit 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates.
Die Diskussion ist geschlossen.
Die Hürden für eine allgemeine Impfpflicht sind in Deutschland sehr hoch. Sie wird nicht kommen. Es sei denn der Staat versucht via Bußgeld seine leeren Kassen zu füllen.
Christian S.
>>Hierzu das RKI am 14.07.2021:
Auf Basis der bisher vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung mit SARS-CoV-2 infiziert werden, stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt ist. In der Summe ist daher das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert.<<
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html;jsessionid=398A43BD2177743F7215F7443AE9270D.internet092
Diese Aussage des RKI überzeugt mich, dass es gut ist, dass auch die Menschen, mit denen ich in Kontakt komme, geimpft sind.
Raimund Kamm
Keine Ungeduld!
Die Impfpflicht kommt! - Nach den Wahlen! Nach der Kanzlerin! Dann ist es kein Wortbruch mehr.
Und es ist gut so!
Egal, wer an die Regierung kommt - und die Begründung wird interessant sein und wird scharf an den früheren Gegenargumenten vorbei manövriert.
:-)
Das sehe ich genauso. Gäbe es dieses Jahr keine Bundestagswahl, wäre die Impfpflicht bzw. die Zwei-Klassen-Gesellschaft schon längst eingeführt worden.
Aber ich bin geduldig und kann die knappen 2 Monate auch noch abwarten, bis die überfälligen Maßnahmen endlich eingeleitet werden.
Und dann bin ich gespannt, was die Impfverweigerer und Leerdenker dem entgegenzusetzen haben.
Für mich wird es auf jeden Fall amüsant. :-)
In diesem Sinne
Extremismus, egal in welcher Form, ist mir schon immer suspekt gewesen. Darum kann ich die Verleugner des Virus nicht verstehen, aber auch die Befürworter der Impfpflicht sind für mich beängstigend. Gesunden Menschenverstand, dass würde ich mir wünschen. Mir war und ist es wichtig, dass ich mir keinen Impfstoff geben lassen muss, vor dem ich ehrlich gesagt mittlerweile mehr Angst habe, als vor dem Virus selbst.
Novavax, ja sogar der Impfstoff von Herr Stöcker, wären für mich vostellbar. Renommierte Wissenschaftler haben diese Form von Impfstoffen gelobt, weil er auf alt bewährter Basis gemacht wurde, nur der Weg von Herr Stöcker war wohl nicht der richtige.
Da stellt sich mir aber die Frage, warum hat man jetzt diesen "richtigen" Weg mit Herrn Stöcker nicht zusammen gemacht? Wir hätten mit Sicherheit dadurch schon viel mehr Menschen überzeugen kônnen, sich damit impfen zu lassen, einschließlich mich.
Die extremen Impfgegner werden damit auch nicht überzeugt werden können. Aber das ist bestimmt nur eine geringe Anzahl.
Und wenn ich dann noch Leserbriefe sehe, die fordern, allen nicht geimpften ihre Behandlung selber zahlen zu lassen, na dann Prost. Was ist dann mit den Rauchern, den Übergewichtigen, den Sportlern, ja sogar den Autofahrern. Sie alle wissen, dass es ihre Gesundheit gefährden kann. Verletzungen passieren können.
Wo fängt das an, wo hört das auf mit dem selbst bezahlen der Behandlung?
Ganz einfach. Er kann gar nicht wissen, ob durch die Impfung ein Schaden entsteht. Also, lieber mal ruhig sein.
Ich weiß nicht, wie aktuell dieses Statement ist, jedenfalls scheint es nicht den neuesten Erkenntnissen zu entsprechen. Die Virenlast bei Geimpften und Ungeimpften sei demnach annähernd gleich.
So dass es demnach nicht mehr heißen kann, dass man "die Verpflichtung habe", sich "zum Wohle anderer" impfen lassen zu müssen. Es ist wenn dann, zum Schutz vor eigener stärkerer Erkrankung. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126034/US-Gesundheitsbehoerde-Delta-Variante-so-ansteckend-wie-Windpocken-trotz-Impfung
Von Anfang an wurde bei genaueren Informationen zum Thema Impfung kommuniziert, dass bei der Entwicklung der Impfstoffe keine Studien zum Thema Virusweitergabe gemacht worden seien.
Wie man sieht, gehen die Empfehlungen dahin, dass egal ob geimpft oder nicht geimpft weiterhin FFP2- Masken getragen werden sollen...
Hierzu das RKI am 14.07.2021:
Auf Basis der bisher vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung mit SARS-CoV-2 infiziert werden, stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt ist.
In der Summe ist daher das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert.
Ich bin kein Verfechter einer Impfpflicht, aber die Argumentation von Hrn. Henn hat mich zum Nachdenken gebracht. Danke für den Beitrag.
Ja, das ist die Meinung von Herrn Henn.
Nur, nachdem
- eine doch recht stattliche Anzahl von Menschen gegen das Virus relativ immun ist
- diese Impfstoffe nicht zu 100% wirken
- es mittlerweile bekannt ist, dass der Impfschutz nicht dauernd wirkt
- und sich die Politik seit neuestem anmaßt oder versucht einfach mal so Fachleute/Mediziner zu umgehen
(Kinder-Impfung)
bin ich der Meinung, dass die Sorgen derjenigen, die zum Impfen gezwungen werden sollen, im Übrigen gegen allen Versprechungen
dass es keine Impfpflicht geben soll, besser gewürdigt werden sollen.
Im Übrigen, ich bin kein Impfgegner und, nachdem ich gerade in den Spiegel geschaut habe auch sicher, dass ich keinen Aluhut trage.
Aber ich habe schon ein Buch über die Corona-Impfmittel gelesen und bin mir bei weitem nicht so sicher wie der Herr Henn.