Der Streit um die neue Führung der Europäischen Union schadet vielen Beteiligten. Daher steht nicht nur Manfred Weber als Verlierer dar.
Das Europaparlament ist schon lange keine Quasselbude mehr, wie notorische EU-Hasser gerne behaupten. Im Gegenteil: Viele der wichtigsten politischen Entscheidungen fallen dort, seine Abgeordneten sind oft kundiger und kompetenter als ihre nationalen Kolleginnen und Kollegen.
Leider bekommt das im Moment niemand mit. Gerade als der Kontinent auf das Parlament schaut – es geht immerhin um eine neue Kommission, deren Spitze und Ziele – ist das Parlament heillos uneins. Es kann sich nicht auf eine Mehrheit für einen der Europawahl-„Spitzenkandidaten“ einigen – und erlaubt so den Staats-und Regierungschefs, jemand anderen für die Spitze der Kommission zu nominieren. Das wollten die ja eh.
Widerstand gegen Weber schadet auch Macron
Derlei Geschachere produziert nur Verlierer: Manfred Weber, klar. Angela Merkel auch, denn sie kann ihn nicht durchsetzen, was ihr die CSU übel nehmen wird. Selbst Weber-Verhinderer Macron wirkt eher wie ein großer Schacherer als ein großer Europa-Visionär.
Ein Ausweg bliebe dem Parlament: Die Spitzenkandidaten könnten einander stützen, indem einer verzichtet, ähnlich wie vor fünf Jahren. Nur, wer rührt sich zuerst? Und: Wann sprechen wir wieder über Inhalte für Europa statt nur über Personen für Europa?
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Immer wieder blitzt das hässliche Gesicht der EU eben auf. Man kann nicht auf Dauer eine Maske tragen.
Wenn ihr Kommentar, Herr Chefredakteur, eine solche Reaktion provoziert, sollte Sie das schon zum Nachdenken veranlassen. Oder erwarten Sie, falls aus Weber nix wird, eine Rückkehr der bay. Staatspartei zum früher üblichen EU-Bashing und handeln quasi bereits in vorauseilendem Gehorsam.
Zum letzten Satz fällt mir spontan ein, wann beginnen Sie, die Kommentatoren und Berichterstatter, denn damit? Gerade auch in dieser Zeitung dominierte in Bezug auf Europa bzw. konkret ausgedrückt, die EU, die Personalie Weber das journalistische Geschehen. Sei es um Debatten wie das Verhältnis zu Victor Orban gegangen oder um das Erstarken der Rechtspopulisten, was stand denn im Vordergrund? Immer die sich daraus ergebenden Chancen und/oder Risiken für die Wahl von Herrn Weber.
Allen Beteiligten ging es um Posten und Pöstchen - politische Inhalte blieben unsichtbar - und dies ging von den Nutzniessern selbst, deren unmittelbaren Umfeld, den politischen Freunden bis hin zur wohlwolllend begleitenden Presse.
Übrigens: Ihr Schlußsatz ist in der Aussage selbst, absolut richtig!
"Angela Merkel auch, denn sie kann ihn nicht durchsetzen, was ihr die CSU übel nehmen wird."
Dass die großkotzig auftretenden Bayern derzeit eine verdiente Watsch'n nach der anderen kassieren, sollte sie veranlassen, die Tonlage mal von Dur auf Moll zu ändern. Sonst machen sie sich nur noch mehr zu Witzfiguren.