
Ist jede zweite Klinikabrechnung viel zu hoch?


Krankenkassen bekommen oft zu hohe Rechnungen von Kliniken. Nun müssen die Krankenhäuser falsch abgerechnete Leistungen zurückerstatten. Doch Ärger bleibt.
Grundsätzlich sind die gesetzlichen Krankenkassen misstrauisch, wenn ihnen Krankenhäuser die Abrechnungen für Operationen und Versorgung erkrankter Versicherter auf den Schreibtisch legen: Mindestens jede achte Rechnung wird dann genau geprüft und die Krankenkassen-Experten werden oft schnell fündig, wenn der Rechnungsbetrag nicht zur tatsächlichen Versorgung passt.
Da werden etwa 19 Metallspiralen zum Verschließen von Blutgefäßen laut der Dokumentation implantiert, aber 23 abgerechnet – was zu einer Kostendifferenz von tausend Euro führt. Oder eine abgebrochene Operation wird als vollständig abgerechnet, was den Kassen zufolge im konkreten Fall eine Differenz von 24.000 Euro ausmachte.
Mehr als die Hälfte der Krankenhausabrechnungen wurde beanstandet
Jede zweite geprüfte Krankenhausrechnung ist fehlerhaft, schlägt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen Alarm. Der Verband wertete dabei alle Zahlen der einzelnen Kassen aus dem Jahr 2017 aus. Mehr als 56 Prozent der Abrechnungen wurden beanstandet – mit gewaltigen Folgen: Insgesamt 2,8 Milliarden Euro falsch abgerechneter Leistungen mussten die Kliniken den Kassen zurückerstatten.
Die Tendenz steigt: Bei der letzten Verbandsauswertung fünf Jahre zuvor waren es 1,7 Milliarden Euro. „Nimmt man die Perspektive der Versicherten ein, sind dies Beitragsgelder, die ohne eine Prüfung für die Versorgung an anderer Stelle gefehlt hätten“, sagt Kassen-Verbandsvizepräsident Johann-Magnus von Stackelberg.
Er verweist aber auch darauf, dass das heutige Fallpauschalen-System sehr kompliziert ist. „Will man das Rechnungsmanagement qualitativ verbessern, ist Veränderungswille nötig“, sagt der Kassenvertreter. „Es erfordert Mut, das Abrechnungsverhalten von Krankenhäusern transparent zu machen und diejenigen zu sanktionieren, die falsch abrechnen.“
In mehr als 10.000 Fällen streiten Kassen und Kliniken in Bayern vor Gericht
Die Klinken wehren sich gegen den Vorwurf, dass jede zweite Abrechnung falsch sei. „Wenn die Kassen davon sprechen, dass jede zweite geprüfte Rechnung einen Fehler enthielte, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass bei einer Prüfquote von 15 Prozent weit über 90 Prozent der Rechnungen korrekt sind“, rechnet der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, vor.
Das Abrechnungssystem basiere auf rund 35.000 Behandlungscodes und 1300 Fallpauschalen. „Vielfach sind die sogenannten fehlerhaften Abrechnungen Ergebnis der Interpretation dieser Codes“, sagt Baum.
Tatsächlich ist Streit zwischen Kassen und Kliniken Alltag: Allein in Bayern beschäftigen derzeit weit über zehntausend Fälle die Sozialgerichte. „Die Koalition hat das Problem der Krankenhausabrechnungen in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt“, kritisiert die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink.
„Schlimmer noch: Sie hat mit einer gesetzlichen Regelung zur einseitigen rückwirkenden Verkürzung der Verjährungsfristen bei strittigen Krankenhausabrechnungen kürzlich sogar neues Öl ins Feuer gekippt“, kritisiert sie die Überlastung der Gerichte. Die Bundesregierung müsse stattdessen endlich die Ursachen der Streitereien in den Blick nehmen.
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