
Warum Deutschland beim schnellen Internet hinterher hinkt


Exklusiv Die Corona-Krise hat die Schwächen der Digitalisierung und die Bedeutung der Internet-Versorgung offen gelegt. Beim Glasfaserausbau ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland in Europa.
In vielen ländlichen Gemeinden in Bayern wird derzeit gebaggert. Aufgerissene Gehwege hier und dort. Nicht immer schauen Anwohner der Baustellen mit Freude auf die Gräben, neben denen leere gestapelt Plastikrohre bereitliegen. Dennoch dürften sie sich in Zukunft zu den Glücklichen in Deutschland zählen, wenn ihr Ort an das deutsche Glasfasernetz angeschlossen wird. Denn der Zugang zum zukunftssicheren schnellen Internet ist in Deutschland noch immer eine Rarität. Den Anschluss an die digitale Zukunft nennen Fachleute „Fiber to the Building“, kurz FTTB – Glasfaser bis zum Gebäude. Doch ausgerechnet hier ist die reiche Bundesrepublik im europäischen Vergleich nur ein Entwicklungsland.
Die offenen Gräben zeigen es: Es geht zu langsam voran
Trotz vieler Politikerversprechen und immer neuer Förderprogramme kommt der Glasfasernetzausbau im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nur in lahmen Tempo voran. Ebenso können insbesondere auf dem Land die Menschen nur lahm im Internet surfen und Unternehmen im Netz Daten austauschen. In den vergangenen Monaten hat die Corona-Pandemie viele Probleme der Digitalisierung offen gelegt. Internet-Unterricht, Online-Gerichtsverhandlungen oder die Arbeit im Homeoffice wurden bereits für viele zur Geduldsprobe. Zukunftstechnologien, vom vernetzten Internet der Dinge, Industrie 4.0 bis hin zur Nutzung „Künstlicher Intelligenz“ erscheinen da noch ferner als Vision.
FDP-Abgeordnete Kluckert: "Das ist ein erschreckendes Signal"
Nur 11,8 Prozent der Haushalte und Unternehmen in Deutschland verfügen über einen direkten Anschluss an das Glasfasernetz, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt. „Von den rund 11000 Gemeinden in Deutschland sind zudem bisher nur 0,7 Prozent vollständig an Glasfaser angeschlossen“, kritisiert die FDP-Abgeordnete Daniela Kluckert, díe die Anfrage gestellt hat. „Das ist ein erschreckendes Signal und zeigt, dass die Bundesregierung weiterhin meilenweit von ihren Zielen entfernt ist“, betont die Digitalexpertin. „Wir brauchen mehr Tempo beim Glasfaserausbau – insbesondere im ländlichen Raum – damit Deutschland nicht weiter digitales Entwicklungsland bleibt.“
Tatsächlich zeigen Daten der europäischen Denkfabrik IDate Digiworld, dass Deutschland damit nicht nur digitalen Musterstaaten wie Lettland und Litauen hinterherhinkt, wo mit über 94 Prozent fast jeder Haushalt an das Glasfasernetz anschlussfähig ist. Auch gegenüber Frankreich oder Spanien ist die Bundesrepublik im Rückstand, selbst wenn man den deutschen Sonderweg in der Internetversorgung berücksichtigt.
Hat die deutsche Politik die Glasfasertechnologie vernachlässigt?
Schon seit Jahrzehnten werfen Kritiker der deutschen Politik vor, dabei zugunsten der Telekom die zukunftsoffene Glasfasertechnologie vernachlässigt zu haben. Denn seit den achtziger Jahren trieb die Bundesregierung über die einstige Bundespost und später Telekom den Ausbau des Kabelfernsehens voran.
Das TV-Kupferkabelnetz stellt zusammen mit zu DSL-Anschlüssen modernisierten Kupfer-Telefonleitungen noch heute das Rückgrat der deutschen Internetversorgung dar. Derzeit verfügen damit laut Bundesregierung 43 Prozent der Haushalte in Deutschland über „Gigabit-fähige“ Anschlüsse, was inzwischen als internationaler Standard für schnelles Internet gilt. Die allermeisten davon entfallen dabei auf das TV-Kabelnetz.
Die Bundesregierung hat das Ziel, künftig mindestens 75 Prozent zu erhöhen, und setzt dabei vor allem auf die „DOCSIS 3.1“-Übertragungstechnik, die TV-Kabelnetze auf Gigabit-Tempo beschleunigen soll. Allerdings halten die meisten Experten die Glasfaser-Technologie den Kupferleitungen für deutlich überlegen. „Glasfaser überträgt Daten deutlich schneller als die in Deutschland weitverbreiteten Kupferkabel“, sagt auch die FDP-Politikerin Kluckert. „Selbst wenn Kupferkabel mittels des sogenannten Vecotring nachgerüstet werden, erreichen sie nicht annähernd die Übertragungsgeschwindigkeiten von Glasfaser“, betont sie.
Aus der Kupfer-Republik soll ein Glasfaser-Land werden
„Damit die Kupferrepublik Deutschland endlich Glasfaserland wird, brauchen wir schnelle, kostengünstige Verlegetechniken“, fordert die Bundestagsabgeordnete, auch Glasfaserkabel einfacher und in niedriger Tiefe zu verlegen. Zudem müssten noch immer bestehende Hürden bei Fördermittelbeantragung abgebaut werden. „Für digitale Trends und Innovationen, wie Künstliche Intelligenz oder smarte Mobilitätslösungen, ist eine flächendeckende und hochleistungsfähige digitale Infrastruktur eine Grundvoraussetzung“, betont Kluckert.
Viele deutsche Weltmarktführer in Spezialbereichen, sind außerhalb der großen Ballungsräume zu sogenannten „Hidden Champions“ gewachsen. Für viele ist eine Anbindung an das Glasfasernetz heute tatsächlich ebenso wichtig wie die Verbindung zum Fernstraßennetz. „Der lahmende Glasfaserausbau in Deutschland ist ein echter Standortnachteil“, warnt FDP-Politikerin Kluckert. „Ohne entsprechende Netzabdeckung und Übertragungsgeschwindigkeiten können insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen – das Rückgrat unserer Wirtschaft – im globalen Wettbewerb nur schwer bestehen.“
Der Ausbau des Glasfasernetzes müsse ein entscheidender Teil einer der Digitalisierungsoffensive sein, „damit unser Mittelstand weiter innovativer Vorreiter sein kann“, betont die FDP-Politikerin. „Gerade die Auswirkungen der Corona-Pandemie, wie das häufigere digitale Arbeiten, zeigen: Wir brauchen belastbare Netze jetzt mehr denn je.“
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Der Postminister Schwarz-Schilling unter der Regierung Kohl hat den Glasfaserausbau vergeigt. Ich konnte alledrings gut damit aufwachsen, auch vor dem schnellen Internet habe ich in keiner Steinzeit- Höhle gelebt.
Für den Normalhaushalt genügen doch 16 Mbit/Sek. Nicht der Endkunde sondern die Mobilfunkbetreiber sind mit ihrem ach so gradiosen 5G- Netz sind dringend auf Glasfaserleitungen angewiesen. Eigentlich hätte Deutschland dringendere Infrastruktur-Probleme , wie z.B. mindestens 10000 Eisenbahnbrücken, die über 100 Jahre alt sind.
Ich habe mit Interesse Ihren Beitrag zum Glasfaserausbau in D gelesen. Ich vertrete 255 zertifizierte Tiefbauunternehmen, die multi-utility in ganz D unterwegs sind, auch beim Breitbandausbau. Hier liegen Milliarden Gelder in den Schubladen, sowohl privatwirtschaftlich als auch bei Herrn Scheuer als Fördergelder. Nur werden diese nicht unbedingt dafür genutzt, Qualität ins Spiel zu bringen. Ein Kabel gehört in eine definierte Tiefe, Asphalt gehört nicht geschlitzt....
Kommunen müssen begreifen, dass es hier um die Qualität ihrer Straßen geht, um Eigentum der Bevölkerung, das geschützt werden muss.
Der Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern ist vom Prozentsatz der an Glasfaser angeschlossenen Haushalte richtig, aber die Grundlage ist eine falsche. Man vergleicht Äpfel mit Birnen. In Spanien und Italien hängen diese Leitungen an Häuserwänden, überspannen Strassen. In Deutschland zählen Kabel zur unterirdischen Infrastruktur, verschwinden also in der Erde. Und das bedeutet mehr Logistik und mehr Zeit. Denn dieser Kabelleitungstiefbau ist genormt. An diese Normen müssen sich nicht nur die ausführende Unternehmen halten, sondern auch die ausschreibenden Ing-Büros, die Versorger als Auftraggeber und die Kommunen, Städte und Gemeinden.
Das konsequente Zusammenspiel aller Beteiligten ermöglicht erst einen Schub beim Breitbandausbau. Und wenn dieser noch 2 Jahre länger dauert, dann müssen wir das für die Qualität in Kauf nehmen.
Denn die Qualität, mit der ein Kabel in die Erde kommt, bestimmt die Nachhaltigkeit; die Zufriedenheit der Bürger, die Beschaffenheit unserer Straßen.
Dipl.-Ing. Susanne Hake
Geschäftsführerin Gütegemeinschaft Leitungstiefbau e.V., Berlin