Merkels Abschiedstournee: Wie Paris ohne Eiffelturm
Ausgerechnet der EU-Gipfel zeigt, dass Politik das Zeug zum Helene-Fischer-Song hat.
Es gibt ja das Gerücht, dass mancher Künstler das Etikett „Abschiedstour“ als regelrechtes Geschäftsmodell für sich entdeckt hat. Unter dem Anschein, dass es diesmal wirklich das allerallerletzte Mal sei, dass man sich sieht, locken Stars ihre Fans vor die Bühne – nur um dann kurze Zeit später ein Comeback zu verkünden oder, weil unauffälliger, diese Abschiedstour einfach nie enden zu lassen.
Auch Kanzlerin Angela Merkel macht derzeit so etwas wie eine Abschiedstournee: Rom, Istanbul, Tel Aviv, London – im Tempo einer chinesischen Touristengruppe, die „Europa in zwölf Tagen“ zum Sonderpreis gebucht hat, jettet sie durch die Welt. Und weil die Noch-Kanzlerin für ihre Leidensfähigkeit bekannt ist, nimmt sie auch noch einmal an einer Veranstaltung teil, die ungefähr so reizvoll ist wie Kartoffelschälen auf einem Kreuzfahrtschiff: der EU-Gipfel.
Abschied von der "lieben Angela"
Doch wer dachte, dort würden nur spröde Technokraten hocken, der wurde nun eines besseren gelehrt. Merkels letztes Gipfel-Treffen wurde zu einer regelrechten Charme-Offensive. „Es ist ein Beweis für Deinen Charakter, dass du wahrscheinlich lieber beim Europäischen Rat arbeitest, als so im Mittelpunkt zu stehen“, schickte Ex-US-Präsident Obama seiner „lieben Angela“ einen schwärmerischen Video-Gruß. Es ging aber noch besser: „Du bist ein Monument“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Ein EU-Gipfel ohne Merkel sei wie Rom ohne den Vatikan oder Paris ohne den Eiffelturm. „Du verlässt uns nicht. Dein Geist und deine Erfahrung werden bei uns bleiben. Du bist ein Kompass und eine Lichtgestalt unseres europäischen Projekts.“ Politik wie ein Helene-Fischer-Song!
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Nur Heinrich Lübke war im Ausland so beliebt wie Angela Merkel und hatte ähnlich so viel Geld ausgegeben.