i
Foto: Thanassis Stavrakis, dpa
Foto: Thanassis Stavrakis, dpa

Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis ist in Griechenland äußerst beliebt, aber auch für das Elend der Migranten in Moria mitverantwortlich.

Griechenland
22.09.2020

Corona, Moria, Gasstreit: Kyriakos Mitsotakis ist ein Regierungschef im Krisenmodus

Von Gerd Höhler

Kein europäischer Regierungschef ist im Moment so gefordert wie Kyriakos Mitsotakis. Zu Hause in Griechenland macht das den Premierminister noch populärer.

Die Corona-Pandemie, der Gasstreit mit der Türkei, das Chaos im Flüchtlingslager Moria: Kyriakos Mitsotakis kämpft an vielen Fronten. 14 Monate nach seiner Wahl zum griechischen Ministerpräsidenten hat er hervorragende Umfrageergebnisse. Auch im Ausland genießt er hohes Ansehen.

„Es war gewiss nicht, was ich bei meinem Amtsantritt erwartet habe“ sagt Mitsotakis. Vor allem eines habe er lernen müssen: mit mehreren Krisen gleichzeitig umzugehen. Mitsotakis kommt aus einer alten Polit-Dynastie. Sein Vater Konstantinos war Premierminister, seine Schwester Außenministerin. Die Linie der Familie reicht zurück bis zum liberalen Eleftherios Venizelos, der das Land zwischen 1910 und 1933 insgesamt 15 Jahre regierte. Dennoch ist Mitsotakis kein Repräsentant der alten Elite.

Corona wird zu einer von mehreren Krisen für Kyriakos Mitsotakis

Als der dreifache Vater im Juli 2019 antrat, versprach er seinem Land den wirtschaftlichen Neustart nach fast zehn Jahren Rezession. Aber dann kam es knüppeldick: Erst belagerten Ende Februar zehntausende Migranten die türkisch-griechische Grenze, dann kam Corona. Mit ihrem anfangs erfolgreichen Epidemie-Management erntete die Regierung Mitsotakis zwar international viel Anerkennung, aber inzwischen steigen die Zahlen wieder. Griechenlands Wirtschaft könnte in diesem Jahr um neun Prozent einbrechen, das wäre der tiefste Absturz seit dem Krisenjahr 2011.

15 Bilder
Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa
Das Flüchtlingslager Moria wurde bei Bränden fast vollständig zerstört
zurück
Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos und dessen Umgebung sind in der Nacht auf Mittwoch mehrere Brände ausgebrochen.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

Medienberichten zufolge stehen auch Wohncontainer in Flammen, weshalb die Behörden das Lager evakuierten - trotz einer Covid-19-Sperre.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

Flüchtlinge und Migranten verlassen das Flüchtlingslager auf der nordöstlichen Ägäis-Insel Lesbos, nachdem dort die Brände ausgebrochen waren.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

Feuerwehrleute löschen einen Brand im Flüchtlingslager Moria. Wie es nun mit den Bewohnern des Lagers weitergeht, ist unklar.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

In der Nacht stand das Lager fast vollständig in Flammen, es wurde massiv verwüstet. Windböen um die 70 Stundenkilometer erschwerten die Löscharbeiten.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa

Viele der mehr als 12.000 Migranten und Flüchtlinge flohen in die umliegenden Wälder und auf Hügel. Über mögliche Verletzte oder Tote gibt es bislang keine Informationen.

Foto: Angelos Tzortzinis, dpa (Archiv)

Es war nicht das erste Mal, dass in Moria ein Feuer ausbrach - doch so heftig wie jetzt waren die Brände noch nie.

Foto: Angelos Tzortzinis, dpa (Archiv)

Über die Ursachen der Brände im Flüchtlingslager Moria gibt es unterschiedliche Angaben.

Foto: Socrates Baltagiannis, dpa (Archiv)

Manche Lagerbewohner sprachen von Brandstiftung von Inselbewohnern. Anderen Berichten zufolge hatten Migranten selbst Feuer gelegt.

Foto: Panagiotis Balaskas, AP/dpa (Archiv)

Menschen stehen in Moria auf den abgebrannten Überresten eines Containerhauses. Im März war bei einem Feuer in dem Lager ein sechsjähriges Mädchen ums Leben gekommen.

Foto: InTime News, AP/dpa (Archiv)

Bei zwei Bränden im Flüchtlingslager Moria und einem daneben gelegenen Zeltlager waren im September 2019 eine Mutter und ihr Kind ums Leben gekommen.

Foto: Socrates Baltagiannis, dpa (Archiv)

Das Flüchtlingslager Moria ist das größte Flüchtlingslager Griechenlands und Europas und seit Jahren heillos überfüllt.

Foto: Alexandros Michailidis, dpa (Archiv)

Immer wieder kommt es zu Protesten gegen die Zustände im Camp.

Foto: Aggelos Barai, AP/dpa (Archiv)

Derzeit leben rund 12.600 Flüchtlinge und Migranten im Lager Moria - bei einer Kapazität von gerade mal 2800 Plätzen.

Foto: Socrates Baltagiannis, dpa (Archiv)

Menschenrechtsorganisationen fordern nun rasche Hilfe von der Europäischen Union.

Gleichzeitig droht ein bewaffneter Konflikt mit der Türkei, die im Mittelmeer den Griechen ihre Bodenschätze streitig macht. Und nun wird mit dem Brand in Moria auch die Flüchtlingskrise wieder virulent. Kein europäischer Regierungschef muss derzeit mit so vielen Herausforderungen umgehen wie Mitsotakis.

Hartes Auftreten macht den Premierminister in Griechenland populär

Die Mehrheit der Griechen gibt ihm für sein Krisenmanagement gute Noten. Den Vorsprung zum Linksbündnis Syriza hat seine konservative Nea Dimokratia seit der letzten Wahl von acht auf über 20 Prozent ausgebaut. Auch im direkten Vergleich mit Oppositionschef Alexis Tsipras steht Mitsotakis, gut da. Anders als sein Vorgänger, der nach anfänglichem Widerstand vor den internationalen Geldgebern kapitulierte und alle Sparauflagen bis zur Selbstaufgabe umsetzte, tritt Mitsotakis in der EU nicht unterwürfig auf. Er kann ein unbequemer Partner sein – zum Beispiel, wenn der 52-Jährige jetzt im Streit mit der Türkei nachdrücklich die Solidarität der Union einfordert.

Die soziale Sprengkraft des Migrationsthemas hat Mitsotakis lange unterschätzt. Bei seinem Amtsantritt löste er sogar das Ministerium für Migration auf und verteilte dessen Kompetenzen auf andere Ressorts. Das funktionierte nicht, und wenige Monate später etablierte Mitsotakis das Ministerium wieder. Dennoch wurde die Regierung von der Revolte und den Brandstiftungen im Lager Moria kalt erwischt. In Wirtschaftskreisen genießt der Harvard-Absolvent und frühere Investmentbanker dafür hohes Ansehen. Wenn jemand internationale Investoren gewinnen kann, dann ist es er.

Lesen Sie auch:

Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

Facebook Whatsapp Twitter Mail