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Grünes Deutschland
03.11.2015

Was heißt schon grün?

Ein Leben voller Widersprüche: Wir wollen sauberen Strom, aber keine Strommasten. Wir fahren mit dem großen Auto in den Biomarkt und kaufen ökologisch korrekte Äpfel.
Foto: Marcus Merk, László Dobos, dpa (2); Montage: Robin Popp

Viele Deutsche legen Wert auf einen ökologischen Lebensstil. Manche von ihnen steigen in große Autos und kaufen Bio-Obst aus Argentinien. Ist das kein Widerspruch?

Wenn jemand vor Augen hat, was die Menschen so wegwerfen, dann ist das Dieter Braun. Wortwörtlich vor Augen. Der Vertriebs- und Marketingleiter der Augsburger Abfallverwertung (AVA) schaut auf drei Tonnen Müll, die vor ihm an einem Greifarm baumeln. Braun zeigt auf das Gewirr aus braunen Streifen, zwischen die sich Matratzen, ein Plastikstuhl und ein Kinderauto mischen. „Manchmal hängt da auch eine ganze Couch“, sagt Braun. Es klingt eher sachlich als amüsiert.

In der Verbrennungsanlage nahe der A8 zeigt sich unser riesiger Konsum. 1000 Tonnen Müll laden die Fahrzeuge hier ab, aus Augsburg und dem Umland bis von Landsberg. Jeden Tag. Müll, den wir sauber trennen. Viel Verpackungsmüll. Von jedem von uns im Schnitt mehr als ein halbes Kilo am Tag.

Größter Markt für Bio-Lebensmittel in Europa

Es drängt sich ein Verdacht auf in einem Land, in dem Umwelt und Nachhaltigkeit Dauerthemen sind. Emotionale noch dazu. Deutschland, das ist ein Land der Widersprüche. Nirgendwo in Europa gibt es einen größeren Markt für Bio-Lebensmittel. Nirgendwo scheint die Politik die Energiewende so ernst zu nehmen wie hier. Und doch steigen wir in große Autos, kaufen Bananen vom Discounter und werfen pro Kopf am meisten Verpackungsabfall in der EU weg. Wir sind grün und doch wieder nicht.

Grün ist zum Teil auch Dieter Brauns Welt, die er häufig Schulklassen zeigt. Bioabfälle landen ebenfalls bei der AVA, rund 400 Tonnen am Tag, daraus wird Biogas und Kompost. Die Geruchsstoffe, die bei der Vergärung entstehen, werden durch einen „Biofilter“ geleitet – der besteht aus Wurzelholz. Es riecht wie im Wald.

Drei riesige Öfen verbrenen 1000 Tonnen Abfall täglich

Doch der weit größere Teil der Anlage weckt keine Gedanken an saubere Natur. Drei riesige Öfen verbrennen die 1000 Tonnen Abfall am Tag. Der Müllgreifer lässt all das im Verbrennungsofen verschwinden, was vom Konsum übrig bleibt. Hier wird es als Brennstoff verwendet, dessen Energie wiederum in Strom umgewandelt wird. Übrig bleiben Schadstoffe wie Kohlendioxid. An diesem Ort, so groß wie 33 Fußballfelder, stellt sich schon die Frage: Sind die Deutschen wirklich so öko, wie immer behauptet wird?

Eine dreiviertel Autostunde entfernt setzt sich Alois Schiegg, Bürgermeister der Gemeinde Marxheim im Kreis Donau-Ries, an seinen Bürotisch. Darauf stapeln sich die Aktenordner, in denen so ziemlich alles steht, was es zur Gleichstrompassage Süd-Ost zu lesen gibt. Jede Politikeraussage, jede Pressemeldung des Betreibers Amprion, Studien über Kosten, Versorgung, Umweltrisiken. Er hat alles gelesen, und es hat sich ausgezahlt. Die Trasse, die vor allem „grünen“ Strom aus Windkraft nach Bayern bringen soll, wird nun unterirdisch verlegt.

Kampf gegen Stromtrasse von Amprion

Schiegg war an vorderster Front dabei im Kampf gegen die „Monstertrasse“. Er und seine Mitstreiter haben den Netzriesen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie fühlt er sich nach diesem Sieg als David gegen Goliath? Schiegg, ein großer, bedächtiger Mann, schaut lange auf die Tischplatte und sagt: „Es ist ein Teilerfolg.“ Er pausiert ein paar Sekunden und nickt. „Und es war kräftezehrend.“

Als die Möglichkeit bekannt wurde, dass die Trasse an Marxheim vorbeiführen könnte, gab es „viel ungebündelte Energie“ unter den Bewohnern, wie er es ausdrückt. Diese musste er kanalisieren. „Wir mussten die Trasse greifbar machen“, sagt Schiegg. Es gab Mahnfeuer, wo die Trassenträger stehen sollten. Auf dem Sportplatz wurde einer aus Sperrholz und Pappe in echter Höhe nachgebaut.

Keiner kennt die Umweltfolgen der Erdverkabelung

Die Argumente der Wirtschaft –vor allem gewaltige Mehrkosten durch eine Erdverkabelung – will Schiegg nicht gelten lassen. „Die Trasse wäre ein riesiger Feldversuch an den Menschen gewesen, da geht es nicht um Wirtschaftlichkeit“, sagt er. Ein Feldversuch deswegen, weil niemand die Auswirkungen der Strahlungen, des „Elektrosmogs“, wirklich einschätzen kann. Weder Befürworter noch Gegner. Allerdings: Die Umweltfolgen einer Erdverkabelung kennt man bislang auch nicht wirklich.

Die Marxheimer werden also nicht auf riesige Masten vor ihrer Haustüre schauen müssen. In Sachsen-Anhalt, wo die unterirdische Trasse starten wird, gibt es viele kleine Gemeinden, in denen die Bewohner auf riesige Windräder schauen müssen. Deren Strom nach Marxheim zu bringen, könnte nun sehr viel teurer werden.

Wer ökologisch leben will, hat sich ein schwieriges Thema ausgesucht. Man muss sich durch eine Flut von Informationen wühlen. Aber konsequent „öko“ zu sein, fällt schwer. Das weiß auch Kai-Uwe Hellmann, gefragter Konsumforscher an der TU Berlin. Klar sei: Wer ein großes Auto, etwa einen SUV, fährt, „handelt sicher nicht ökologisch“. Doch ist es verwerflich, als Bio-Fan ein großes Auto zu fahren? Hellmann will einen Schritt zurückgehen und stellt fest: „Unterstellt wird hier ja eine moralisch durch und durch einwandfreie Lebensführung. Aber wer ist heutzutage schon Jesus?“ Niemand könne sich anmaßen, über den Lebensstil eines anderen zu urteilen.

Bio-Lebensmittel und SUV als kein Widerspruch?

Geht das also: Bio essen und trotzdem SUV fahren? Die Menschen sehen darin keinen Widerspruch, meint Hellmann. „Gleichwohl geraten wir mitunter in einen Gewissenskonflikt“, sagt er. Denn in einer modernen Gesellschaft sei das „Wählen-Können und damit Wählen-Müssen zum Standard geworden“. Bietet das große Auto Schutz für die eigenen Kinder – oder verpestet es nur die Umwelt? Zählt beim Bio-Obst der Preis – oder die Bedingungen beim Anbau?

Im Augsburger Stadtteil Göggingen führt eine schmale Straße in einen Hinterhof. Eine junge Frau lädt dort ihren Einkauf aus dem Bioladen Bios in einen dunkelblauen Kombi. Fünf Karotten, eine Stange Lauch, ein Sack Kartoffeln. „Alles bio. Weil es nicht belastet ist“, sagt die Frau, die in ein paar Monaten ein Baby zur Welt bringen wird. Sie kommt regelmäßig in den Laden nach Göggingen. Das ist ihr auch den Preis wert. Ohne nachzurechnen, schätzt sie: „Was bei Aldi 30 Euro kostet, kostet hier 100 Euro.“

Ganz so hoch ist der Unterschied vielleicht nicht. Aber doch sind immer mehr Menschen bereit, mehr für Lebensmittel zu zahlen, als sie es für konventionelle Produkte müssten. Eben weil „Bio“ draufsteht. So wie Jan Plagge, der seinen Einkaufswagen durch den Laden schiebt. Plagge ist Präsident des Bioland-Verbandes, dem 6000 Landwirte in Deutschland und Südtirol angehören, und er ist an diesem Tag natürlich nicht zufällig hier. Er will über „Bio“ sprechen.

Bewusstsein der Kunden hat sich verändert

Wie in einem normalen Supermarkt gibt es in dem Bioladen fast alles – bis hin zu Socken und Kosmetik. Die Kartoffeln kommen von einem Bauernhof aus dem nahen Schwabmünchen, die Äpfel vom Bodensee. „Bio ist kein Trend“, sagt Plagge. „Das ist die Zukunft.“

Nun gehört es zu Plagges Job, die Biobranche zu bewerben. Aber die Zahlen stützen seine These. Deutschland ist der größte Markt für Bio-Lebensmittel europaweit. Der Handel setzte damit im vergangenen Jahr 7,9 Milliarden Euro um. „Auch das Bewusstsein bei den Kunden hat sich sehr verändert“, sagt eine Verkäuferin. Es kämen viele junge Kunden, Familien, Rentner. Der Preis sei dabei oft zweitrangig. Was zählt, sei die Qualität. Und die bemisst sich auch daran, ob Lebensmittel aus der Region kommen. Doch wie konsequent kann ein Biomarkt diesen Ansprüchen genügen, wenn das ganze Jahr über Mangos, Bananen und Kiwis in den Regalen liegen?

Gemüse und Obst mit Bio-Siegel aus Spanien und Neuseeland

Die Nachfrage schafft ein Problem, das sich im Winter am deutlichsten zeigt. In den kommenden Wochen werden immer mehr deutsche Produkte wie Feldsalat oder Spinat aus den Regalen verschwinden. Tomaten wiederum wird es weiterhin geben. Bereits jetzt liegen in vielen Märkten nur noch spanische und keine deutschen mehr. „Weil der Verbraucher das möchte“, sagt Plagge. Die Deutschen wollen ihre Tomaten also auch im Winter essen – und die Läden lassen das zu. Aber was ist ein Bio-Siegel wert, wenn Gemüse durch halb Europa gekarrt wird?

Bei Äpfeln vom Bodensee zeigt sich ein ähnliches Problem. Zwar konnte der Biomarkt ganzjährig die Sorte Topas anbieten. Aber die Lagerung kostet Energie, weil die Äpfel ganzjährig gekühlt werden. Deswegen zu einem Produkt aus Neuseeland zu greifen, kommt für Plagge nicht infrage. „Ich entscheide mich im Zweifel für heimische Produkte“, sagt er. Das ändert nichts daran, dass die Äpfel aus Neuseeland trotzdem verfügbar sind. Weil andere Kunden sie kaufen wollen.

Vielfalt in der Gesellschaft ist größer geworden

„Grün“ sein, „öko“ sein, es sind diffuse Begriffe. Wie grün sind die Deutschen nun? Kann der Soziologe Hellmann das beantworten?

Kann er nicht, sagt Hellmann. Er erzählt von dem Wissenschaftler Gerhard Schulze. Der teilte die Deutschen in den 1990er Jahren noch in fünf verschiedene Gruppen ein: Akademiker, Studenten, Angestellte und Beamte, alte Arbeiter, junge Arbeiter. Heute sei die Vielfalt in der Gesellschaft größer, sagt Hellmann. Auffallend sei: „Gerade jüngere Menschen inszenieren oft eine Form der vorbildlichen Lebensführung, die primär auf Anerkennung und Zugehörigkeit aus ist, also mehr auf soziale denn auf sachliche Gesichtspunkte gerichtet ist.“ Ein ziemlich harter Vorwurf an die junge Generation. Gibt es auf die Frage, wie wir als Gesellschaft mit der Umwelt in Einklang kommen, vielleicht gar kein Richtig und kein Falsch? Nur eine Grauzone?

In der Augsburger Abfallverwertung verlässt Dieter Braun den Steuerraum der Verbrennungsanlage und steigt die Treppe hinunter. Rechts von ihm türmen sich Komposthaufen, links von ihm bilden die Müllfahrzeuge eine hunderte Meter lange Schlange. Unser Konflikt könnte kaum greifbarer sein als an diesem Ort.

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