Gut gemeint, Gegenteil erreicht: Seehofer zeigt "taz"-Mitarbeiterin doch nicht an
Bundesinnenminister Horst Seehofer wollte nach einer umstrittenen Kolumne Anzeige gegen eine Journalistin erstatten. Nun verzichtet er doch auf rechtliche Schritte.
Am Ende war es der Deutschen Presseagentur sogar eine Eilmeldung wert: „Seehofer stellt doch keine Anzeige gegen taz-Mitarbeiterin“ ließ die dpa um 9.58 Uhr über den Ticker klingeln. Der Wirbel um eine fragwürdige Kolumne der linken Berliner Tagezeitung taz sog wie ein Sturm über dem Meer immer mehr Kraft an sich und hatte fast schon das Potenzial, eine Regierungskrise auszulösen. Kanzlerin Angela Merkel ging leise, aber unüberhörbar auf Distanz zu ihrem Minister. Und als Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag alle Termine absagte, weckte dies auch bei Unionspolitikern Erinnerungen voller Unbehagen.
Seehofer kündigt Anzeige gegen taz-Journalistin an - und taucht unter
Zu Beginn der derzeit amtierenden Großen Koalition stürzte ein von Seehofer losgetretener Konflikt mit der Kanzlerin um ein Detail in der Flüchtlingspolitik die Koalition und insbesondere die Unionsfraktion in eine wochenlange Zerreißprobe. Doch auch schon in frühen Zeiten als CSU-Abgeordneter verschwand der Ingolstädter manches Mal von der Bildfläche, um nachzudenken. Legendär sind in Berlin und in der CSU Geschichten, als Seehofer tagelang in seinem Abgeordneten-Appartement mit Dosenravioli untergetaucht sein soll. Und meist war hinterher alles wieder gut.
Auch diesmal machte es der ehemalige CSU-Chef und Ministerpräsident spannend. Am Sonntag kündigte er in der Bild-Zeitung an: „Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in der taz über die Polizei stellen.“ Die Autorin des ideologisch aufgeladenen Stücks setzte darin anlässlich der amerikanischen Anti-Rassismus-Proteste voller Abneigung deutsche Polizeibeamte mit Müll gleich, der in ihren Augen auf die Deponie gehöre.
Seehofer und die taz-Kolumne: Das Gegenteil von gut heißt gut gemeint
Doch die Antwort des Innenministers, der wohl aus Fürsorgepflicht für die ihm gleichsam unterstellten Beamten handeln wollte, entpuppte sich als Bestätigung der alten Lehre: Das Gegenteil von gut heißt gut gemeint. Denn Seehofer machte seine Ankündigung unter dem Eindruck der Stuttgarter Krawallnacht, deren vielfach auf Handyvideos festgehaltene Gewaltattacken gegen Polizisten ebenso schockierten wie Plünderungen in der Innenstadt. Seehofer machte dafür ein polizeifeindliches Klima verantwortlich. Zumal zur gleichen Zeit die Rassismusprobleme der amerikanischen Polizei als Debatte auch nach Deutschland schwappten.
Doch Seehofers Versuch, sich vor die Polizei zu stellen, überschattete fast die skandalösen Straftaten in Stuttgart. Plötzlich bestimmte Seehofer die Berichterstattung der Medien, die teils zugleich in Kommentaren vor einem Angriff auf die Pressefreiheit warnten und auch deshalb das Thema sehr prominent berichteten.
Seehofer will mit taz-Chefredaktion über "Müll-Kolumne" sprechen
„Mir geht es bei der von mir angestoßenen Diskussion nicht um Strafverfolgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefreiheit“, betonte Seehofer nun in seiner Erklärung. „Mir geht es im Gegenteil darum, dass wir dringend eine gesellschaftliche Diskussion darüber führen müssen, wie wir in dieser Gesellschaft miteinander umgehen und wo die Grenzen einer Auseinandersetzung sind.“
Der CSU-Politiker will nun mit der Chefredaktion der taz über die Kolumne sprechen. Die linke Tageszeitung zeigte sich offen – will sich dazu aber nicht wie vorgeschlagen im Bundesinnenministerium treffen. Die taz schlug eine Polizeischule in Eutin vor, die offen einem Rassismusproblem in den eigenen Reihen begegne. Ob der CSU-Minister das öffentliche Schauspiel nach Regie der taz um einen solchen Auftritt verlängern will, ist fraglich.
Lesen Sie dazu auch: Debatte um taz-Kolumne: Weniger Polemik, mehr Fakten!
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Verliert man als Politiker jegliche Moral und Scham? Er lässt ungestraft die Polizei als Müll bezeichnen. Würde mich freuen, wenn sie in Zukunft seinen SCHUTZ VERWEIGERN WÜRDEN. Vielleicht versteht er dann wie wichtig die Polizei ist.
Seehofer hat sich eben über die Rechtslage belehren lassen müssen. Im Übrigen wurde der Sachverhalt bereits hundertfach zur Anzeige gebracht. Da kommt es auf eine mehr oder weniger nicht an. Der Presserat ist die einzige Instanz, die für so etwas zuständig ist, nicht der Staatsanwalt.
Auf Seehofers Rohrkrepierei ist Verlaß