Guttenberg: Abgeschrieben
Guttenberg hat seinen Doktortitel verloren und ist von allen Ämtern zurückgetreten. Nun weiß man genau warum. Die Universität Bayreuth hat ihren Abschlussprüfbericht vorgelegt.
Der Student registriert den Ansturm von Medienvertretern mit einem Kopfschütteln. Dann murmelt er: „Es ist doch alles bekannt.“ Wieder einmal die Causa Guttenberg. Das Ergebnis der Prüfung seiner Doktorarbeit hat die Universität Bayreuth in der Tat bereits am Freitag veröffentlicht. Er habe „vorsätzlich getäuscht“, hieß es da schon. Jetzt also die Einzelheiten des gut 40-seitigen Abschlussberichts.
Auf einem speziell ausgewiesenen Parkplatz reihen sich die Übertragungswagen der TV-Sender. Fotografen und Reporter drängen sich im kleinen Senatssaal im zweiten Stock der Universität Bayreuth. Die Luft ist stickig. Normalerweise erlebt man in der Wagner-Stadt ein so großes öffentliches Interesse nur bei der Eröffnung der Festspiele im Sommer auf dem Grünen Hügel. Diesmal ist es die Bilanz einer wissenschaftlichen Affäre um den früheren Star der deutschen Politik, Karl-Theodor zu Guttenberg.
„Die Hochschule hat keinen Fehler gemacht“
Grell beleuchten die Scheinwerfer und Blitzlichter die Gesichter der Protagonisten. Rüdiger Bormann, Präsident der Universität, Stephan Rixen, Vorsitzender der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, und der Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Markus Möstl, wollen an diesem Vormittag Licht in die Affäre bringen. Sie sitzen auf blassvioletten Schwingstühlen. Bußstühle sind das nur der Farbe nach. Bormann versichert, die Hochschule habe im Fall Guttenberg keinen Fehler gemacht. Die Standards für die Promotion seien in Ordnung.
Umso schärfer formuliert Kommissionschef Rixen das Ergebnis: Guttenberg habe „wissenschaftliche Standards evident grob verletzt und vorsätzlich getäuscht“. Dabei hatte der CSU-Politiker stets betont: „Ich habe Fehler unbewusst und ohne Täuschungsabsicht gemacht.“ Auch gegenüber der Universität hat er das so noch einmal gesagt.
Wer den umfangreichen Anhang des Berichts mit dem Vergleich von Guttenbergs Arbeit und den Originalzitaten durchsieht, tut sich schwer, das zu glauben. Auffallend häufig finden sich wortgleiche Sätze, teilweise sind nur einzelne Begriffe durch Synonyme ersetzt. Rixen bestätigt schließlich, was auf der jetzt für den Grimme-Online-Preis nominierten Internetplattform „Guttenplag Wiki“ schon vor Wochen zu lesen war: Rund 65 Prozent des Werks seien Plagiate.
Auch die externen und internen Prüfer der Uni sind zu dem Schluss gekommen, dass sich die „Abschreibereien“ von der Einleitung bis zum Schluss durch das ganze Werk ziehen. Ist Guttenberg nun ein Lügner? Präsident Bormann drückt sich um eine Antwort. Auch Rixen umschifft die Aussage: „Wir können niemandem ins Herz schauen.“ Das sei auch nicht seine Aufgabe. Der Leiter der Kommission betont aber, dass man kein Guttenberg-Tribunal sei. Mancher Kritiker wie der frühere Vizepräsident der Universität, Walter Schmitt-Glaeser, empfinden dies so. Der 77-Jährige spricht von einer „Treibjagd“ auf Guttenberg.
Im Senatssaal ist es so schwül, dass Rixen sichtlich zu schwitzen begonnen hat. Immer wieder verweist er darauf, dass es nicht um die Person gehe, sondern um das Einhalten wissenschaftlicher Standards. Und die seien nun einmal grob unterlaufen worden. Darum sollten die Vorgänge auch „nicht weichgespült und reingewaschen werden“.
Detailreich werden in dem Bericht die „Verfehlungen“ aufgelistet. 50 Prozent der Plagiate stammten im Original vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, heißt es, andere aus Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen oder der Süddeutschen Zeitung. Ein Umstand, so Rixen, der es dem Doktorvater und dem Zweitprüfer schwer gemacht habe, Betrugsverdacht zu schöpfen. In diesem Zusammenhang fällt für Guttenberg sogar so etwas wie ein Lob ab. Die Art und Weise, wie er die Plagiate in einen neuen Zusammenhang gesetzt habe, „war durchaus kreativ“, sagt Rixen.
Guttenberg selbst hat seinen „Arbeitsstil“ in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Kommission damit gerechtfertigt, er habe bei den Quellen und Fußnoten aufgrund seiner familiären und beruflichen Überlastung im Laufe der Jahre den Überblick verloren. Die Fertigstellung des Werks mit dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag“ hatte sich zwischen 1999 und 2006 hingezogen. Trotz eines „gewissen Verständnisses“ für die Lebenssituation des Spitzenpolitikers mit 80-Stunden-Arbeitswochen können die Prüfer diese Argumentation nicht nachvollziehen. Genauso wenig wie die herausragende Benotung. Die Arbeit hätte auch mit korrekten Zitierungen nie mit der akademischen Höchstnote bewertet werden dürfen, befindet Rixen.
In diesem Zusammenhang hat die Kommission auch Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle bei einer persönlichen Befragung in die Mangel genommen. Am Ende ist man zu dem Schluss gekommen, dass die Begründung für das „summa cum laude“ nicht ansatzweise ausreichend sei, sagt Rixen und lehnt sich in seinen Stuhl zurück. „Nein“, wiederholt er dann, es gebe wirklich keine Hinweise dafür, warum die Note so gut ausgefallen ist.
Später tauchen Fragen auf wie: Durfte Guttenberg überhaupt zur Doktorarbeit zugelassen werden? Schließlich war er als eher durchschnittlicher Student bekannt und hat auch nur das erste Staatsexamen absolviert. Da wird es noch einmal spannend im Senatssaal 2.08. Kurzzeitig steht wieder der Vorwurf im Raum, die Universität könnte Guttenberg bevorzugt behandelt haben.
Doch die Professoren lassen sich nicht aufs Glatteis führen. Trotz seines mit einem „schwachen Befriedigend“ abgeschlossenen Studiums habe Guttenberg dieZulassung ohne Sondergenehmigung erhalten, „wie viele andere auch“. Die Universität, sagt Dekan Markus Möstl, habe sich wirklich nichts vorzuwerfen.
Ein „schwaches Befriedigend“ reicht künftig nicht mehr
Trotzdem sollen nun auf Anregung der Guttenberg-Kommission die Rahmenbedingungen für Doktoranden verschärft werden. Rixen zufolge wird darüber diskutiert, ob die Arbeiten künftig nicht auch elektronisch abgegeben werden müssen, um sie besser auf Plagiate überprüfen zu können. Außerdem ist im Gespräch, für Juristen die Qualifikationsnote zur Promotion anzuheben. Statt eines „schwachen Befriedigend“ müsse der Anwärter dann ein „mittleres Befriedigend“ nachweisen. Guttenberg würde künftig also nicht mehr zugelassen werden.
Eine eidesstattliche Versicherung sollen die Doktoranden in Zukunft ebenfalls unterschreiben müssen, kündigt Rixen an. Damit würden Täuschungen automatisch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Dies betrifft den Baron zwar nicht mehr. Trotzdem könnte ihm ein Verfahren drohen, unter anderem wegen Urheberrechtsverletzung. Bei der Staatsanwaltschaft Hof liegen über hundert Anzeigen gegen ihn vor. Brenzlig ist bisher nur eine. Das erste Plagiatsopfer hat gegen Guttenberg geklagt, seit die Kommission von der „vorsätzlichen Täuschung“ spricht.
Guttenberg selbst schweigt an diesem Tag. Am Vorabend hat er sich bei der Kulmbacher CSU wieder feiern lassen. Als Delegierter soll er seine Region beim Parteitag vertreten. Geht noch mehr? „Nein“, sagt zumindest der frühere CSU-Minister Thomas Goppel (Eresing bei Landsberg) im Deutschlandfunk, „das ist im Prinzip vorbei“. Dass sich die Uni „selbst reinwäscht“, hält er aber auch „nicht für gut“.
Der Hochschule hat die Affäre bislang nicht geschadet. Von einem Imageproblem will Präsident Bormann jedenfalls nicht reden. Dafür sorgt er ungewollt für den Lacher des Tages. Gerade an der rechtswissenschaftlichen Fakultät, sagt er, haben sich für das neue Semester die Einschreibungen verdreifacht.
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