Finanzminister Schäuble verspricht eine schwarze Null
Der vom Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgelegte Haushalt sieht vor, 2015 mehr Geld einzunehmen als auszugeben. Doch funktioniert das auch?
Der Haushalt, mit dem Wolfgang Schäuble Geschichte schreiben will, ist mehr als 2800 Seiten dick und auch sonst eine echte Herausforderung. Obwohl die ersten Ökonomen bereits eine kleine Rezession am Konjunkturhimmel heraufdämmern sehen, will der Bund im nächsten Jahr zum ersten Mal seit 1969 wieder mit dem Geld auskommen, das er einnimmt. Vom heutigen Dienstag an berät der Bundestag das Rechenwerk des Finanzministers – mit erwartungsgemäß höchst unterschiedlichen Sichtweisen.
Tobias Lindner, der Finanzexperte der Grünen, stimmt jedenfalls nicht in das Credo von Regierungssprecher Steffen Seibert ein, der den Etat für 2015 als „große vertrauensbildende Maßnahme“ feiert. Es sei kein Kunststück, kontert Lindner in der ARD, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wenn die Investitionen gekürzt würden, die Steuereinnahmen aber gleichzeitig sprudelten.
Und überhaupt: „Die Große Koalition starrt auf die schwarze Null wie das Kaninchen auf die Schlange und vergisst dabei, dass sie das Land auf Verschleiß fährt.“ Vor allem das Verkehrsnetz, sekundiert der Linke Dietmar Bartsch, sei „teilweise in einem desolaten Zustand“. Während der Bund früher zwischen elf und 14 Milliarden Euro im Jahr für den Erhalt von Straßen und Brücken ausgegeben hat, sind es heute nur noch etwas mehr als neun Milliarden.
Haushaltsexperte der Union warnt
Ob Schäuble halten kann, was er an neuer Solidität verspricht, ist offen. „Es ist noch nichts in trockenen Tüchern“, warnt der CDU-Abgeordnete Norbert Barthle, der Haushaltsexperte der Union.
Mit insgesamt 299,5 Milliarden Euro hat der Finanzminister die Ausgaben des Bundes zwar eher vorsichtig kalkuliert, sie liegen nur ein Prozent über denen des laufenden Jahres, was ziemlich genau der aktuellen Inflationsrate entspricht. Bei den Steuereinnahmen dagegen rechnet er deutlich optimistischer, nämlich mit einem Plus von knapp vier Prozent.
Russland-Sanktionen könnten teuer werden
Jede zusätzliche Sanktion gegen Russland, die die deutsche Wirtschaft trifft, lässt diese Annahme nun unwahrscheinlicher werden. So prophezeien die Industrie- und Handelskammern wegen der geopolitischen Verwerfungen Umsatzeinbußen von bis zu elf Milliarden Euro und den Verlust von 100000 Arbeitsplätzen.
Außerdem hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bereits signalisiert, dass sie wegen eben jener geopolitischen Verwerfungen mittelfristig mehr Geld benötigt, etwa für den gerade vereinbarten Aufbau einer Eingreiftruppe der Nato.
Im ungünstigsten Fall hieße das: Schwindende Steuereinnahmen und neue Lücken im Etat, die nur mithilfe neuer Kredite geschlossen werden könnten. Auch für die nächsten Jahre hat Schäuble seine schwarzen Nullen eher großzügig kalkuliert: Bis 2018 sollen Ausgaben und Steuereinnahmen jeweils um 30 Milliarden Euro steigen, also deutlich stärker als zuletzt.
Milliardeneinnahmen durch Steuer auf Finanzgeschäfte?
Spekulationen, nach denen die geplante Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte ihm vom Jahr 2016 an die Milliarden nur so in den Haushalt spült, hat Schäuble am Montag allerdings dementieren lassen. Eine Studie im Auftrag seines Ministeriums, aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert, kommt offenbar auf Mehreinnahmen von 17,6 Milliarden Euro im Jahr.
Tatsächlich dürfte am Ende, wenn die Steuer überhaupt kommt, nur ein Bruchteil davon beim Fiskus landen, weil die Autoren der Analyse davon ausgegangen sind, dass die Steuer praktisch auf jedes Finanzgeschäft erhoben wird, tatsächlich soll sie nur bei Aktien und einigen Derivaten fällig sein. „Die Einnahmen“, sagt eine Sprecherin des Ministers deshalb, „werden sehr viel geringer ausfallen, als in der Studie prognostiziert.“
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