Homosexuelle stellen nur wenige Anträge auf Entschädigung
Homosexuelle wurden lange strafrechtlich verfolgt. Vor zwei Jahren wurden ehemals Verurteilte rehabilitiert - Entschädigungen fließen aber nur langsam.
Nur wenige Homosexuelle machen von den neuen Rechten auf Entschädigung für frühere Verfolgung Gebrauch. Seit einem halben Jahr können Betroffene nicht mehr nur für frühere Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Entschädigungsleistungen beantragen, sondern auch für Ermittlungen, Untersuchungshaft und andere Diskriminierungen.
Auf dieser neuen Grundlage seien bis zum 1. September 76 Anträge auf Entschädigung eingegangen, teilte das Bundesamt für Justiz auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Davon seien in 66 Fällen Entschädigungen in Höhe von insgesamt 84.000 Euro gezahlt worden - 6000 wegen eingeleiteter Strafverfahren, 7500 wegen vollzogener Freiheitsentziehung und 70.500 Euro wegen außergewöhnlicher Beeinträchtigungen. Dazu werden berufliche, wirtschaftliche, gesundheitliche oder sonstige vergleichbare Nachteile gezählt, die den Betroffenen wegen Diskriminierung entstanden sind.
Alle Fälle zusammengefasst, wurden seit 2017 lediglich 157 Entschädigungsanträge gestellt und 549.000 Euro ausgezahlt, teilte das Bundesamt für Justiz mit.
Homosexuelle Justizopfer bekommen seit 2017 Entschädigung
Die neue Härtefallregelung habe zwar noch einmal Bewegung reingebracht. Aber für viele sei das Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung, das 2017 auf den Weg gebracht wurde, mindestens zehn Jahre zu spät gekommen, sagte Sigmar Fischer, Vorstandsmitglied Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren, der dpa. "Die meisten Betroffenen sind hochbetagt." Viele seien zwischen 70 und 90 Jahren alt und nutzten kein Internet, sondern Briefpost, Printmedien, Hörfunk und Fernsehen. Dort versuche man systematisch, Anlässe für eine Berichterstattung und Information zu schaffen.
Homosexuelle Justizopfer können seit 2017 Entschädigung beantragen. Sie wurden offiziell rehabilitiert: Frühere Urteile wurden aufgehoben - außer wenn es um sexuelle Handlungen mit Unter-16-Jährigen ging. Der Staat entschädigt Betroffene seitdem auf Antrag mit pauschal 3000 Euro, wenn es zur Verurteilung kam und mit 1500 Euro pro angefangenem Jahr Gefängnis. Seit März dieses Jahres gilt das auch für Untersuchungshaft. Davon unabhängig gibt es zudem 500 Euro Entschädigung für jedes eingeleitete Ermittlungsverfahren und 1500 Euro für Betroffene, die unter außergewöhnlich negativen Beeinträchtigungen zu leiden hatten.
Der frühere Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs hatte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe gestellt. Endgültig abgeschafft wurde er erst 1994. In der DDR gab es eine ähnliche Vorschrift. Laut Justizministerium wurden nach 1945 fast 70.000 Menschen in Ost und West wegen dieser Gesetzesregelungen verurteilt. Viele andere Homosexuelle hätten Ermittlungsmaßnahmen zu erdulden gehabt, seien in Untersuchungshaft gewesen oder hätten erhebliche berufliche, wirtschaftliche oder gesundheitliche Nachteile erlitten. (dpa)
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