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Verbrechen
13.12.2011

Im falschen Film

Hauptkommissar René Allonge klärte den größten Kunstfälscher-Skandal Deutschlands auf. Er musste mitansehen, wie die Täter sich zu Helden stilisierten und ein fragwürdiges Urteil fiel. Der 38-Jährige aber ermittelt unvermindert weiter. Er will die Fälschungen aus dem Verkehr ziehen

Berlin Irgendetwas stimmt doch da nicht, wenn zum Ende des größten Kunstfälscher-Skandals der deutschen Geschichte das verurteilte Ehepaar wie Bonnie und Clyde die Treppen herunterkommt und trotz langer Haftstrafen freien Fußes in den milden Herbsttag hinaustritt. Irgendetwas stimmt doch nicht, wenn der Fälscher Wolfgang Beltracchi, der optisch irgendwo zwischen Jesus und Rockstar anzusiedeln ist, sich beim Richter bedankt, dass „alles so fair und locker war“. Irgendetwas stimmt nicht, wenn der Täter den Opfern Gier und Verdorbenheit vorwirft.

An jenem Tag, dem 27. Oktober 2011, als in Köln das Urteil gegen die Fälscherbande fiel, saß Hauptkommissar René Allonge in seinem Büro mit der Nummer 4222 im Landeskriminalamt (LKA) Berlin. Er hätte im Gerichtssaal sein wollen, er hatte schon einen Flug ausgesucht. Da erfuhr er, dass Haftverschonung ein Teil des Deals zwischen Gericht, Staatsanwalt und Angeklagten ist. Trotz hoher Haftstrafen von bis zu sechs Jahren sollten die vier Täter das Gericht als freie Menschen verlassen. Das wollte sich Allonge nicht antun.

Der 38-jährige Kriminalbeamte, Leiter der Abteilung Kunstdelikte, hat mit Kollegen mehr als ein Jahr lang gegen Wolfgang und Helene Beltracchi, Otto Schulte-Kellinghaus und Helenes Schwester Jeanette S. ermittelt. Die Berliner Spezialisten haben im Fälschungs-Skandal um die sogenannte Sammlung Werner Jägers auf 8000 Seiten Ergebnisse zusammengetragen. Die 40 Bände standen an allen neun Verhandlungstagen im Kölner Landgericht hinter den Richtern.

Hineingeschaut hat niemand. Von über hundert Zeugen wurde keiner gehört. Der größte Kunstfälschungs-Skandal der deutschen Geschichte mit 53 gefälschten Bildern und einem ergaunerten Betrag von 16 Millionen wurde ohne großen Erkenntnisgewinn vor Gericht abgearbeitet. Weil die Ermittlungsergebnisse auch geeignet gewesen wären, große Teile des Kunstmarktes in die Luft zu jagen?

René Allonge hätte allen Grund, sauer zu sein. Aber das liegt ihm nicht. Er ist in den Weiten Mecklenburgs aufgewachsen und sagt mit ruhiger Stimme: „Diesen Fall hätte jeder aufklären können.“ Und es klingt nicht kokett, sondern bescheiden. Er sagt auch: „Für mich ist ein Pferd ein Pferd und nicht blau und rot.“ Man könnte zweifeln, ob er der richtige Mann dafür ist, die wahre Größe künstlerischen Schaffens zu beurteilen. Aber Allonge will mit solchen Sätzen sagen, dass er sich an Fakten hält. Er ist ein erfahrener Kunstermittler, der die Akteure und die Mechanismen des Marktes kennt.

Als am 17. Juni 2010 eine Anzeige in seiner Abteilung eingeht, hatten die LKA-Experten schon Fährte aufgenommen. Es ging um eine angebliche Sammlung Werner Jägers aus Köln, die Gemälde der Avantgarde und der Klassischen Moderne enthalten soll. Darunter bekannte Künstler wie Max Ernst, Heinrich Campendonk oder Max Pechstein. Die Bilder wurden ab etwa 1995 für Millionenbeträge an Kunstsammler verkauft oder über renommierte Auktionshäuser wie Christie’s in London oder Lempertz in Köln versteigert. Eines davon kaufte der US-Komiker Steve Martin.

In Wahrheit war Opa Jägers kein Kunstsammler und die Bilder waren Fälschungen. „Handwerklich sehr gut gemacht“, sagt Allonge. Gemalt hat die Bilder Wolfgang Beltracchi, den der Hauptkommissar konsequent bei dessen vorehelichem Namen „Wolfgang Fischer“ nennt, was dann gleich weit weniger glamourös klingt. Beltracchi ist der Künstler. Seine Frau Helene, die bis Anfang der 90er Jahre noch von Stütze gelebt hatte, kümmerte sich um die Legenden. Auf einem (gefälschten) Foto ist sie als ihre eigene Großmutter Josefine Jägers vor gefälschten Bildern zu sehen. Das Foto sollte die Existenz der Sammlung Jägers beweisen. Bäckermeistersohn Otto Schulte-Kellinghaus war der reisende Logistiker, der die Gemälde Händlern und Experten zeigte.

Allonge und seine Kollegen hatten alle Details ermittelt. Doch anstatt als Zeugen im Prozess zu berichten, mussten sie mitansehen, wie sich die Täter in ihren Geständnissen unwidersprochen zu Helden stilisierten, dem Kunstmarkt Gier und Verdorbenheit vorwarfen und behaupteten, dass Geld allein sie „eigentlich nie wirklich interessiert“ hat. Der nüchterne Kommissar hätte gewusst, wie er die schillernde Kunstwelt mit Fakten entzaubert. Er hätte Fotos zeigen können vom Haus der Beltracchis in Freiburg, wo allein das Schwimmbad eine Million Euro gekostet hat. Oder Fotos vom Gutshof des glamourösen Ehepaars im südfranzösischen Mèze. Wahrscheinlich hätte Allonge dasselbe gesagt, was er in seinem Büro sagt: „Es ging ihnen nur ums Geld.“

Er will die Legende vom Gentleman-Gangster, der die Reichen ausnimmt und also niemandem wehtut, zerstören. Das Bild vom begabten Künstler, der Harley fährt, sich einen 25 Meter langen Schoner kauft, mit dem er Piratenfilme in der Karibik drehen will. Der sich an einer Kunsthochschule eingeschrieben hat und vom Kunstsystem abgelehnt wurde. Beltracchi hat sein Schicksal nicht akzeptiert, er hat es korrigiert. „Corriger la fortune“ heißt es im Französischen wörtlich. Sinngemäß heißt das „Falsch spielen“.

Allonge weiß, dass Beltracchi Sympathien genießt. Er weiß aber auch, wann Beltracchi begann, Fehler zu machen. Die Fälscherbande war geschickt vorgegangen. Beltracchi kopierte keine Gemälde, sondern malte die Bilder, die – wie er sagte – im Werk dieser Künstler nicht fehlen dürfen. Die Werke waren teils in der Fachliteratur erwähnt, sie galten aber als verschollen oder vielleicht doch nie gemalt. Zwei Farbpigmente, die das Rathgen-Forschungslabor untersuchte, brachten Gewissheit für die Ermittler: Titanweiß und Phtalocyaninblau gab es erst ab Mitte der 30er Jahre, also nach der Zeit, in der die Gemälde entstanden sein sollen. Am 27. August 2010 klickten in Freiburg die Handschellen.

Irgendetwas stimmt doch nicht, wenn aus dem Nichts eine bedeutende Sammlung der Klassischen Moderne auftaucht, von der kein Experte zuvor gehört hatte – und der gesamte Kunstmarkt nicht stutzig wird. Das System des Kunsthandels funktioniert durch die Hoffnungen und Gier der Sammler. Die Fälscherbande war erfolgreich, weil die Chance, bisher unbekannte oder verschollene Meisterwerke zu entdecken, immer geringer wird. Die Szene lechzte nach frischer Ware, die Millionengewinne versprach – Beltracchi lieferte sie.

Aber da stimmt doch etwas nicht, wenn unangreifbare Experten wie Werner Spies auf einmal Betrügern aufsitzen. Spies, Kunsthistoriker, Freund von Max Ernst und Herausgeber des Werkverzeichnisses, hatte sieben Gemälde als von der Hand Max Ernsts zertifiziert. Ohne seine Anmerkungen wären die Bilder nicht handelbar gewesen. Für die zertifizierten Werke „La Horde“ und „La Mer“ bezahlte der Kunsthändler Marc Blondeau an Beltracchi zusammen 1,87 Millionen Euro. Dann verkaufte Blondeau „La Horde“ für 4,3 Millionen Euro an die Sammlung Würth. So leicht lässt sich nicht einmal mit spekulativen Aktien Gewinn machen. Der Kunstmarkt ist seltsam.

René Allonge sagt: „Der Handel wird Lehren ziehen müssen.“ Dieser Satz birgt Sprengstoff. Der Fall Beltracchi entlarvt manches Experten-Gutachten als arroganten Budenzauber. Und er legt ein gravierendes Strukturproblem offen: Insidergeschäfte, die sonst überall verboten sind, gelten im Kunstmarkt als normal. Gutachter sind gleichzeitig Händler. Werner Spies hat von den Beltracchis viel Geld für die erfolgreiche Vermittlung in den Markt bekommen. Dazu kam Geld des Kunsthändlers Blondeau, an den Spies die Beltracchi-Bilder vermittelte und der kräftige Gewinne machte, als er die angeblichen Meisterwerke der Sammlung Würth anbot. Im Kunstbeirat der Sammlung Würth saß wiederum Werner Spies, wofür er ebenfalls bezahlt wurde. Da stimmt doch etwas nicht.

All das hätte der Vorsitzende der 10. Strafkammer in Köln, Wilhelm Kremer, im Prozess hören können, wenn es nicht zum Deal gekommen wäre. Stattdessen ist die Vermarktung der Beltracchis nun längst im Gange. Vielleicht sind die Inszenierungen im Gerichtssaal nur der Anfang gewesen. Talkshows, Bücher, ein Film – alles vorstellbar. Es wäre ja auch eine gute Story, gewürzt mit der gegenseitigen Abhängigkeit des Liebespaares Beltracchi.

René Allonge sitzt in seinem Berliner Büro. An der Wand hängt ein Bild, das einen Priester zeigt, der eine Nonne küsst. Gemalt hat es ein Fälscher. Hinter Allonge hängen zwei echte Werke an der Wand: zwei Bilder seiner beiden Kinder. Allonge muss sich wenig wohl fühlen bei dem Gedanken, dass Wolfgang Fischer seine letzten Geheimnisse nicht bei Gericht preisgegeben hat, sondern sie für viel Geld verkaufen könnte. „Man muss kritisch hinterfragen, ob der Deal gut ist für unser Rechtswesen“, sagt Allonge.

Noch unwohler fühlt sich der Kriminalkommissar bei dem Gedanken, dass die gefälschten Gemälde wieder in Umlauf kommen. Aber es gibt in Deutschland keine rechtliche Handhabe, die Bilder einzuziehen. Der Besitz von Fälschungen ist nicht verboten, nur das Auf-den- Markt-Bringen. Im deutschen Strafgesetzbuch gibt es auch kein Delikt „Kunstfälschung“. Allonge und seine Kollegen haben mit den Besitzern telefoniert. Einige Fälschungen liegen jetzt in der Asservatenkammer des LKA. Andere hängen irgendwo auf der Welt. Bei etlichen ist der Verbleib ungeklärt. Stimmt auch da etwas nicht?

Die Fälschungen wurden ins Art Loss Register aufgenommen, die weltweit größte Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke. Und René Allonge wird in diesem Fall weiter ermitteln. Andere Fälle werden hinzukommen. Menschen werden mit großen Autos vorfahren und mit Titeln um sich werfen. Das ist nicht seine Welt. „Ich bin nicht Bestandteil dieser Szene“, sagt er. „Ich fahre jetzt mit meinem alten Kia in mein finanziertes Haus. Und das stört mich überhaupt nicht.“

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