In Israel deutet sich ein neuer Netanjahu-Triumph an
Dauerrivale Benny Gantz lässt sein Bündnis platzen und kündigt an, in eine Koalitionsregierung einzutreten. Damit könnte das politische Patt überwunden werden.
Martialisch muteten die Meldungen in Israel im Kampf gegen das Coronavirus an. 500 Soldaten sollen die Polizei bei der Ausbreitung der Krankheit unterstützen. Den Kontrapunkt setzte die Politik an einem bewegten Freitag: Die Zeichen dafür, dass das Land nach über einem Jahr Stillstand in absehbarer Zeit eine neue Regierung bekommt, die mit einer parlamentarischen Mehrheit ausgestattet sein wird, sind unübersehbar. Mitten in der Virus-Krise wäre das eine gute Nachricht.
Und ein Signal dafür, dass sich alle, die das politische Ende von Premier Benjamin Netanjahu prophezeit hatten, mal wieder geirrt haben dürften. Dauerrivale Benny Gantz hat offensichtlich eingewilligt mit seinen Gefolgsleuten eine Koalition mit dem rechten Block aus Likud und kleineren rechtsreligiösen Parteien einzugehen. Ein Schritt, der dazu führte, dass das gemäßigte Bündnis Blau-Weiß, das Gantz angeführt hatte, auseinandergebrochen ist. Die – nun ehemaligen – Partner von Gantz, die Parteiführer Jair Lapid und Mosche Jaalon, schäumten vor Wut und nannten den neuen Kurs einen Verrat.
Gantz ließ sich überraschend zum Parlamentspräsident wählen
Am Donnerstag hatte die völlig überraschende Wahl des früheren Militärchefs Gantz zum Parlamentspräsidenten den Weg für eine solche Konstellation bereitet. Schließlich wurde der Ex-General mit den Stimmen des Likud gewählt. Gantz begründete seinen neuen Kurs mit der Notwendigkeit, die Nation in der Krise zusammenzuführen: „Dies ist nicht die Zeit für Streit und Spaltung“, sagte er in seiner ersten Rede als erster Mann der Knesset.
Für den Nahost-Experten Peter Lintl von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) war eine andere Passage seiner Ansprache deutlich interessanter: „Gantz hat versichert, dass er und seine Partei in der Regierung dafür sorgen werden, dass es keine weitere Erosion des Rechtsstaats geben werde“, sagte Lintl im Gespräch mit unserer Redaktion.
Nahost-Experte Peter Lintl: Das Oberste Gericht ist angeschlagen
Für Lintl besteht in diesem Punkt angesichts heftiger Attacken aus der Likud-Partei von Netanjahu und den verbündeten religiösen Gruppierungen durchaus Anlass zu ernster Sorge: „Die Stellung des Obersten Gerichtes ist bereits schwer angeschlagen. Gäbe es eine rechte Mehrheit aus Likud und kleineren Parteien, würde diese Regierung alles daransetzen, dass das Gericht in Zukunft nicht mehr in die Regierungspolitik und Parlamentsentscheidungen eingreifen kann.“ Gantz hatte in den letzten Monaten mehrfach erklärt, dass er dieses Szenarion verhindern wolle.
Und so sieht der Koalitionsdeal nach Medien-Informationen aus: Gantz wechselt auf den Außenminister-Posten. Die ersten 18 Monate bleibt Netanjahu Ministerpräsident, im Herbst nächsten Jahres übernimmt Gantz für zweieinhalb Jahre das Ruder. Die Gruppe, die Gantz in die Koalition folgen will, soll auch die Schlüsselressorts Justiz, Wirtschaft und Verteidigung erhalten.
Die Frage ist, ob Netanjahu Wort hält
Doch hält Netanjahu Wort? Lintl kann sich kaum vorstellen, dass eine solche Vereinbarung die volle Legislaturperiode tragen würde: „Daran glaubt doch kein Mensch“, sagt er angesichts der Kräfteverhältnisse in einer solchen Koalition. Gantz bringe schließlich nur 15 Mandate ein, Netanjahus rechter Block kommt auf 58 Abgeordnete. „Der große Gewinner der sich abzeichnenden Entwicklung ist vor allem Benjamin Netanjahu höchstpersönlich“, ist sich Lintl denn auch sicher. Als Ministerpräsident bliebe er weiterhin vor Strafverfolgung geschützt. Schließlich stand ein Verfahren wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue an.
Jetzt kann sich Netanjahu Hoffnungen machen, einem Prozess endgültig zu entgehen: „2021 wird ein neuer Staatspräsident gewählt, der die Befugnis hat, Straftäter und damit eventuell auch Netanjahu zu begnadigen. Der amtierende Präsident Reuven Rivlin würde das niemals machen. Schon eher ein Nachfolger von Netanjahus Gnaden.“ Es gibt gar Gerüchte, dass Netanjahu selber Rivlin beerben könnte.
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