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  3. Bundesverfassungsgericht: In Karlsruhe wird unser Grundgesetz gewahrt

Bundesverfassungsgericht
23.05.2019

In Karlsruhe wird unser Grundgesetz gewahrt

Der Ort, an dem über die Einhaltung des Grundgesetzes gewacht wird: der Verhandlungssaal im Bundesverfassungsgericht.
Foto: Uli Deck, dpa

Das Bundesverfassungsgericht genießt so viel Vertrauen wie keine andere Institution. Jedes Jahr wird 6000 Mal Beschwerde eingelegt. So mancher Fall ist kurios.

Da war die Frau, die ihrem neugeborenen Sohn unbedingt zwölf Vornamen geben wollte und damit an Behörden und Gerichten gescheitert war. Die städtische Angestellte, sich darüber ärgerte, dass sie am Arbeitsplatz mit „Frau“ statt mit „Dame“ angesprochen wurde. Oder der Mieter, der überzeugt war, über den Funkrauchmelder an seiner Zimmerdecke ausspioniert zu werden. Ja, manches, was in Karlsruhe landet, mag auf den ersten Blick abwegig klingen.

Und doch ist der Weg nach Karlsruhe einer, der um die 6000 Mal im Jahr eingeschlagen wird. Längst ist die Stadt zum Synonym für das Bundesverfassungsgericht geworden, für den Ort, an dem unsere Verfassung gehütet wird. Mancher, der dann erstmals vor dem gläsernen Komplex steht, der das höchste deutsche Gericht beherbergt, ist fast enttäuscht. „Etwas unscheinbar“, meinte einmal eine Besucherin.

Jeden Tag kommen 16 neue Beschwerden dazu

Der sogenannte Baumgarten-Bau sollte auch nichts Kolossales haben. Schließlich versteht sich das Bundesverfassungsgericht, das 1969 hier einzog, als Gericht, in das jeder Einblick haben kann. Umgekehrt sollen die Richter ihre Umwelt nie aus den Augen verlieren. Selbst der Verhandlungssaal ist von großen Glasfronten umgeben.

Der Plan vom Bürgergericht ist Wirklichkeit geworden. Mehr als 238000 Verfassungsbeschwerden sind seit 1951 in Karlsruhe eingegangen. Täglich – Samstage und Sonntage mitgezählt – kommen mindestens 16 neue hinzu. Ein Berg, den die 16 Verfassungsrichter alleine nicht bewältigen können. Jeder hat vier wissenschaftliche Mitarbeitern – meist Richter oder Staatsanwälte –, welche die Eingaben aufbereiten.

Für die Kläger ist Karlsruhe die letzte Hoffnung. Ihren Rechtsstreit haben sie in allen Instanzen verloren und appellieren nun an das Grundgesetz und die Verfassungshüter. Doch Erfolg hat nur ein Bruchteil der Verfassungsbeschwerden – 2,3 Prozent war es bislang. Der Großteil der Kläger findet dagegen einen Beschluss mit einem einzigen Satz im Briefkasten. „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.“ Wie die des Mannes, in dessen Mietvertrag die Nebenkosten nicht exakt auf der Zeile, sondern etwas darunter eingetragen waren. Er meinte deshalb, die Nebenkosten nicht zahlen zu müssen, was der Mietrichter aber anders sah. Darauf legte der Mieter Verfassungsbeschwerde wegen Rechtsbeugung ein. Die wurde dann von drei Verfassungsrichtern einstimmig ohne Begründung abgelehnt. In 80 Prozent der Fälle passiert das so. Andreas Voßkuhle, seit elf Jahren Präsident des Bundesverfassungsgerichts, weiß, dass das für die Bürger unbefriedigend ist. Andernfalls aber, sagt er, würden wir „die Funktionsfähigkeit des Gerichts beeinträchtigen“.

Der schwerstkranke Mann will, dass ihm die Ärzte die tödliche Dosis verschreiben dürfen

Über jede fünfte Verfassungsbeschwerde wird in Karlsruhe mit Begründung entschieden, zwischen zehn und 20 Mal im Jahr wird mündlich verhandelt. Dann wird der große Verhandlungssaal geöffnet, Übertragungswagen und Reporter drängen sich vor dem Gebäudekomplex. Es sind die Tage, an denen die Verfassungsrichter die roten Roben tragen und – im Gegensatz zu den anderen Bundesgerichten – das Barrett, die roten Kappen aus Seide.

Vor einem Monat wurde wieder verhandelt, und es ging ganz wörtlich um Leben und Tod. Ein schwerstkranker Mann stand vor der Richterbank. Er will erreichen, dass Ärzte ihm auf seinen Wunsch hin eine tödliche Dosis an Medikamenten verschreiben können. Ein Gesetz verbietet das nicht generell, aber dann, wenn der Arzt das geschäftsmäßig – also mehrfach oder immer wieder – tut. Auch Sterbehilfevereine und Ärzte haben Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz eingelegt, das 2015 mit großer Mehrheit über Parteigrenzen hinweg verabschiedet wurde. Das Urteil wird erst in einigen Monaten fallen. Es war eine außergewöhnliche Verhandlung, die tief ins Persönliche reichte. Auch für Präsident Voßkuhle, dessen Verhandlungsstil stets sachlich und wissenschaftlich geprägt ist. Seine Eltern seien kürzlich gestorben, sagte er in der mündlichen Verhandlung. Er wisse aus eigener Erfahrung, worum es gehe.

Dass Karlsruhe die Macht besitzt, auch ein mit großer Mehrheit des Parlaments verabschiedetes Gesetz – wie das zum Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe – zu kippen, hat auch schon zu harscher Kritik geführt. Das Bundesverfassungsgericht mische sich zu stark in die Politik ein, betreibe letztlich selbst Politik, heißt es dann. Neu ist die Kritik nicht. Im Gegenteil: Sie ist so alt wie das Gericht selbst.

Nach dem Kruzifixurteil 1995 kamen körbeweise Briefe aus Bayern

Am höchsten schlugen die Wogen 1995, als Karlsruhe entschied, dass in Bayerns Grundschulen die Kruzifixe im Klassenzimmer abgehängt werden müssen – jedenfalls dann, wenn Eltern das im Namen ihrer Kinder verlangen. Zur Religionsfreiheit, die im Grundgesetz garantiert ist, gehört nämlich auch, keine Religion zu haben. Der Staat könne deshalb nicht anordnen, dass Kinder unterm Kreuz lernen müssen. Die Protestbriefe, die das Bundesverfassungsgericht danach täglich erreichten, füllten Waschkörbe. In Bayern wurde gegen das Urteil demonstriert. Auf dem Odeonsplatz rief Ministerpräsident Edmund Stoiber damals der Menge zu: „Kreuze gehören zu Bayern wie die Berge.“

24 Jahre ist das her. Heute geht es in Karlsruhe noch immer um religiöse Symbole – das Kopftuch. Jüngster Streitpunkt ist, ob eine Jura-Referendarin auf der Richterbank das Kopftuch tragen darf. Nein, sagt das hessische Landesgesetz. Nein, sagten auch drei Verfassungsrichter unter Leitung von Voßkuhle in einer Eilentscheidung. Das Hauptsacheverfahren steht noch aus. Dass die Referendarin ihre Verfassungsbeschwerde gewinnen wird, gilt als wenig wahrscheinlich. Allerdings sind sich die Karlsruher Richter in der Kopftuch-Debatte selbst nicht einig.

2015 lehnte der Erste Senat nämlich ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen ab und gab damit in Berlin angestellten Lehrerin Recht. Nur wenn sie die Schülerinnen und Schüler beeinflussen wolle, könne ihr das Tragen des religiösen Symbols untersagt werden. Wie kann es sein, dass die Kopftuch-Frage in Karlsruhe so unterschiedlich beantwortet wird?

Der Grund liegt in der formalen Arbeitsteilung des Gerichts. Acht Verfassungsrichter gehören dem Ersten Senat an, die acht anderen dem Zweiten Senat. Weil der Erste für Angestellte zuständig ist, entschied er über das Kopftuch der angestellten Lehrerin. Dem Zweiten ist dagegen das Beamtenrecht und Richterrecht zugewiesen. Zuständigkeit hin oder her – für die Öffentlichkeit ist kaum nachzuvollziehen.

Ein gläserner Bau, der Offenheit symbolisieren soll: das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Archiv)

Wer hat jetzt Recht - Karlsruhe oder Luxemburg?

Das Beispiel macht klar, dass die Auslegung der Grundrechte – hier der Religionsfreiheit – keine Naturwissenschaft ist. Es gibt nicht nur eine Lösung. Diese Erfahrung macht das Karlsruhe gerade selbst. Denn das Grundgesetz hat kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Seit 2000 gilt in den EU-Ländern – neben den nationalen Verfassungen – auch die Europäische Grundrechtecharta. Auch diese beginnt mit dem Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Auch sie garantiert die Religionsfreiheit und den Schutz vor Diskriminierung. Die Grundrechtecharta wird aber nicht vom Bundesverfassungsgericht ausgelegt, sondern vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Und der entschied vor wenigen Monaten, dass der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses nicht entlassen werden darf, weil er nach seiner Scheidung wieder geheiratet hatte. Das katholische Eheverständnis gehöre nicht zum beruflichen Anforderungsprofil eines Chefarztes. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch genau diesen Fall anders entschieden und argumentiert, die Kirche könne ihre inneren Angelegenheiten ohne staatliche Einmischung regeln.

Für den Europarechtler und Juraprofessor Franz Mayer sind solche „Überschneidungen im Grundrechtsschutz sind kein Systemfehler, sondern systemimmanent“. Der EuGH müsse, wo Unionsrecht angewendet wird, sicherstellen, dass es vorrangig einheitlich angewendet wird. „Sonst könnte man es auch gleich bleiben lassen mit dem Europarecht.“ Nur: Wer hat nun das Sagen? Mayer warnt. „Widerstand gegen den EuGH ist keine Lösung, weil dies das ganze Rechtssystem destabilisieren würde.“ Er erinnert daran, dass das Bundesverfassungsgericht das europäische Gericht anrufen kann, um den Dissens zu lösen. Und wann auch das nicht hilft? „Bei unüberbrückbaren Gegensätzen in wichtigsten Fragen muss man entweder die EU-Verträge oder die nationale Verfassung anpassen.“

Muss das Grundgesetz also ausgerechnet zu seinem 70. Geburtstag europäischer werden? Mayer sagt, es könnten sich „Anpassungseffekte“ für das Grundgesetz ergeben. „Aber die starke Orientierung des Grundgesetzes an den Grundrechten kann auch nach Europa ausstrahlen und dort Dinge beeinflussen. Es dürfte – wie auch schon bisher – auf einen wechselseitigen Prozess hinauslaufen.“

Die ältere Dame zog den Hammer aus ihrer Handtasche

16 Verfassungsrichter arbeiten in Karlsruhe, insgesamt hat das Bundesverfassungsgericht 260 Beschäftigte.
Foto: Uli Deck, dpa

Bei den Bürgern jedenfalls genießt das Bundesverfassungsgericht so viel Ansehen, wie keine andere Institution. 79 Prozent sind es nach der letzten Umfrage des Allensbacher Institut. Mehr Vertrauen genießt nur das Grundgesetz. Man kann nur spekulieren, ob es an den wegweisenden Urteilen liegt – gegen die Vorratsdatenspeicherung, für die Überarbeitung der Grundsteuer oder die Entscheidung, die NPD nicht zu verbieten. Ein wichtiger Grund jedenfalls dürfte die Unabhängigkeit der Karlsruher Richter sein. Gewählt werden sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag beziehungsweise im Bundesrat. Das verhindert, dass eine Partei ihren Verfassungsrichter „durchboxen“ kann, wie man das aus den USA kennt. Außerdem ist die Amtszeit auf zwölf Jahre begrenzt. So kann ihnen niemand unterstellen, dass sie bei ihren Entscheidungen darauf schielen, ob ihre Wiederwahl gefährdet sein könnte.

Vor allem Andreas Voßkuhle ist das Ansehen des Gerichts höchstes Gut. Auf seine Initiative gaben sich die Richter erstmals einen Ehrenkodex. Er sieht unter anderem vor, dass Nebeneinnahmen veröffentlicht werden. Der Bericht wurde im Februar erstmals ins Internet gestellt. Eine grundlegende Neuerung, die man schon fast ein Vermächtnis nennen kann. Voßkuhles Amtszeit endet im Mai 2020. Wer als Nachfolger gewählt wird, ist momentan noch reine Spekulation.

Erst vor wenigen Tagen hat der 55-Jährige allen Bürgern eine gründliche Prüfung ihrer Verfassungsbeschwerden zugesichert. „Es gibt nichts, was einfach nur irgendwie weggelegt wird. Wir schauen uns jeden Fall an.“ Manche Bürger versuchen es ohne Anwalt, mal auf Hundert Seiten, mal mit einem Dreizeiler. Selbst, was handschriftlich auf Karopapier ankommt, wird geprüft. Und längst nicht alle geben sich zufrieden, wenn ihre Beschwerde abgelehnt wird. Wie die ältere Dame, die irgendwann in den 90er Jahren zur Eingangstür marschierte, einen Hammer aus ihrer Handtasche holte und aus Wut über die Ablehnung ihrer Beschwerde das Glas einschlug. Aber das ist eine Ausnahme.

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