In der CSU wächst die Kritik an Horst Seehofer
Es rumort in der CSU. Seehofers Vorgehen im Asylstreit mit der Kanzlerin ist umstritten in der Partei und im Oktober gilt es eine Landtagswahl zu gewinnen.
Drei Monate vor der Landtagswahl in Bayern ist die Stimmung in der CSU so schlecht wie lange nicht mehr. Nicht offiziell, versteht sich. In ihren Reden mühen sich die Parteioberen wie Ministerpräsident Markus Söder um gute Mienen und motivierende Worte. Doch hinter den Kulissen der einst stolzen Partei geht schon lange ein Gespenst um - das Gespenst der Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit im Freistaat und dem dann drohenden Gang in die (bundes)politische Bedeutungslosigkeit. Und wer ein wenig weiter bohrt, erfährt auch schnell, wen die Partei derzeit alleine für die ungemütliche Gemütslage verantwortlich macht: ihren eigenen Chef, den auch außerhalb der CSU derzeit umstrittenen Bundesinnenminister.
"Horst Seehofer hat die CSU in den vergangenen Wochen lächerlich gemacht", sagt ein CSU-Vorstand. Ein anderer spricht von Fremdschämen und unverzeihlichen Fehlern eines verbitterten Mannes. Wie so viele in der CSU wollen auch diese beiden ihre Namen nicht in den Medien lesen. "Spätestens mit seiner Aussage zu den 69 abgeschobenen Afghanen an seinem 69. Geburtstag hat er jedes Maß verloren. Er ist unkontrollierbar, ein freies Radikal, isoliert und unberechenbar."
Petition fordert Seehofers Rücktritt
Seehofers Charakterisierung aus den eigenen Reihen ist eine Bankrotterklärung, die schon länger bei Politikern anderer Parteien, in den Medien und in immer größer werdenden Teilen der Gesellschaft existiert. Mehr als 100 000 Menschen unterzeichneten eine Petition im Internet, die seinen Rücktritt fordert. "Ihr Handeln zeugt nicht nur von schlechtem Stil sondern auch vom Verfall moralischer Werte. Darüber hinaus treten Sie den Rechtsstaat mit Füßen", heißt es dort.
"Er ist spätestens seit dem Asylstreit mit der Kanzlerin (Angela Merkel, CDU) außer Kontrolle", betont ein CSU-Abgeordneter aus dem Bundestag. Auch wenn er in der Sache Rückendeckung der Partei habe, "hat sein Stil alles kaputt gemacht - Merkel beleidigen, dann der Rücktritt von seiner übereilten Rücktrittsforderung und jetzt dieser geschmacklose Scherz zu den Abschiebungen". Seehofer hatte gesagt: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 - das war von mir nicht so bestellt - Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden."
CSU uneins über die Erklärung für Seehofers Verhalten
So einig sich die CSU-Politiker bei der Wertung Seehofers sind, so vielfältig fallen die Erklärungsmuster aus: "Er ist innerlich ausgebrannt und erschöpft", sagt ein einflussreicher CSU-Kopf, der Seehofer schon lange kennt. Andere sehen es als Retourkutsche für den Verlust seines Ministerpräsidentenamtes nach der Bundestagswahl.
"Ich bin ein freier Mensch und als solcher agiere ich auch. Ohne Ängste oder Alpträume", beschrieb Seehofer schon vor Jahren seine innere Balance. Sein Antrieb sei dabei der Spaß an der Arbeit und die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Lange Jahre hat die CSU von Seehofers Unberechenbarkeit und seinem politischen Gespür profitiert. Doch die CSU hat jenen Trumpf des 69-Jährigen längst selbst fürchten gelernt. Die Situation sei noch dramatischer, da Seehofer längst für seine eigene Partei kaum noch erreichbar sei, heißt es unisono.
Um die Asylkrise in der Union geht es auch in unserem Podcast. Jetzt hier reinhören:
Kein Parteichef-Wechsel vor der Landtagswahl
"Keiner weiß, was er als nächstes macht. Es scheint, als nehme er auch einen Schaden an seiner CSU billigend in Kauf", betont ein führendes Vorstandsmitglied, das aber auch die Partei in der Verantwortung sieht: "Wir hätten letztes Jahr nach der Bundestagswahl einen sauberen Schnitt machen müssen und Seehofer nicht wieder zum Parteichef wählen dürfen." Doch trotz der historischen Pleite von 38,8 Prozent durfte Seehofer weitermachen. Als CSU-Trumpf für die Bundesregierung und Vorkämpfer für die Koalitionsverhandlungen wurde er für zwei weitere Jahre zum Parteichef gewählt.
Drei Monate vor der "Mutter aller Wahlen", wie die CSU die Landtagswahl gerne nennt, ist ein Wechsel an der Parteispitze undenkbar. Alle fürchten, dass ein sicherlich schmutziger Machtkampf die CSU vor der Landtagswahl am 14. Oktober endgültig zerreißen könnte. Und genau deshalb, da sind sich die CSU-Politiker einig, gibt es bisher keine Revolte, hält die Partei still, arbeitet mit geballter Faust in der Tasche weiter.
Söder schweigt zum Dilemma der CSU
So wie am Mittwoch, als die Landtagsfraktion einen Großteil der politischen Schwerpunkte aus Söders Regierungserklärung beschloss. Doch statt des erhofften Rückenwindes für die Wahl musste die CSU ernüchtert feststellen: Medial beherrschte am Ende fast nur Seehofers Abschiebe-Fauxpas die Schlagzeilen.
Söder will sich nicht zum aktuellen Dilemma äußern. Doch seine Meinung und Strategie dürften sich aus seinen sehr grundsätzlichen Worten zum politischen Diskurs im Landtag ablesen lassen: Ohne Seehofer direkt zu erwähnen, forderte er eine kritische Selbstreflexion des eigenen Politikstils, parteiübergreifend. Nachdem Söder im Asylstreit anfangs zu den treibenden Kräften neben Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zählte, hat er längst eine Vollbremsung hingelegt und müht sich um ruhige Töne.
Wie lange der CSU-Burgfrieden hält, kann niemand sagen. "Alles ist möglich, jetzt und nach der Wahl", heißt es aus der CSU. Spätestens am 15. September auf dem CSU-Parteitag dürften sich Seehofer und seine Partei wieder auf großer Bühne in die Augen schauen. Bis dato bleibe nur die Hoffnung, immerhin habe Seehofer auch schon immer gesagt: "Ich will nicht vom Hof gejagt werden."
(dpa/lby)
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Die in die Regierung gewählten Politiker der CSU müssen endlich ihre Aufgaben machen und drängende Probleme lösen
Mit ihrer Politik gefährden M. Söder und der von ihm abgehalfterte H. Seehofer den Zusammenhalt und damit den Frieden in Europa. Nationalisten wie Orban, Kaczyński, Zeman, Erdogan, Kurz, Salvini usw. schieben parteilichen Egoismus nach vorne. Man bedenke, wir haben in Deutschland seit über 70 Jahren keinen Krieg mehr gehabt. Vermutlich ein einmaliger Erfolg in der deutschen Geschichte. Und das verdanken wir europäisch denkenden und handelnden Politikern. Söder und Seehofer setzen dies aufs Spiel.
Auch ordnen Seehofer & Söder ihrem Populismus die Arbeit an wirklich wichtigen Aufgaben unter: Wir versagen im Klimaschutz, was die Lebenschancen unserer Enkel schwer gefährdet. Wir machen unverantwortlich viel Atommüll, für den es keine Entsorgung gibt und der unsere Nachkommen gefährdet. Wir haben in mehreren Regionen Wohnungsnotstand und unsere Landwirtschaft braucht ein neues Leitbild und bessere Spielregeln. In unseren Städten ist durch Stickoxid und feinstaub die Luft giftig, so dass dort viele Menschen erkranken und dann auch an Herz-, Lungen- und Kreislauferkrankungen sterben.
An der Lösung dieser Probleme zu arbeiten, ist die Aufgabe der gewählten Politiker. Mit Populismus können sie nur einige Menschen zeitweise blenden.
Wenn Hr. Seehofer dies nicht einsieht, werden ihm und seiner Partei immer mehr Wählerinnen und Wähler verlassen. Gut, dass wir in einer Demokratie leben.
Raimund Kamm
>> In unseren Städten ist durch Stickoxid und feinstaub die Luft giftig, so dass dort viele Menschen erkranken und dann auch an Herz-, Lungen- und Kreislauferkrankungen sterben. <<
Wirklich eine sehr differenzierte Darstellung der Situation ;-)
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkels-mediengroupies-gute-aengste-schlechte-aengste-kolumne-a-1216769.html
>> Es gibt gute und es gibt schlechte Ängste. Schlecht ist, wenn man sich davor fürchtet, das Haus zu verlassen, weil draußen die Fremden überhand nehmen. Gut ist, wenn einem die Furcht vor Stickoxiden und Feinstaub so zusetzt, dass man sich nicht mehr auf die Straße traut. <<
Ich weiß nicht was das ganze soll. Herr Seehofer handelt vollkommen richtig und im Interesse der Sicherheit unserer Bürger und Demokratie. Weiter so Herr Seehofer.