
Altmaier bekommt Applaus – aber nur von Links


Gewerkschaften loben den Minister, doch Unternehmer sind alarmiert
Selten hat eine Wirtschaftskonferenz derart kurios begonnen. Im Ludwig-Erhard-Saal des Bundeswirtschaftsministeriums entschuldigt sich der Nachfolger des legendären Vater des Wirtschaftswunders beim Mittelstand. Es habe, so Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), bei seiner nationalen Industriestrategie ein Missverständnis gegeben. Der Stellenwert des Mittelstands und der Familienunternehmen sei in seinem Papier zu kurz gekommen. „Ich glaube, dass sie der Kern unseres wirtschaftlichen Erfolges und unseres Wohlstandes sind“, sagte Altmaier am Montag demütig.
Seit Wochen wird er aus der Unternehmenswelt persönlich schwer angegriffen. Der 60-Jährige, der CDU und Wirtschaft nach den angespannten Merkel-Jahren versöhnen sollte, wurde als „Totalausfall“ und „Fehlbesetzung“ betitelt. In der Wortwahl nahmen sich die Herren aus den Chefetagen zwar zurück, wohl auch, weil der Minister um seine verstorbene Mutter trauert. In der Sache blieben sie jedoch hart. Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), stellte sich stellvertretend für weite Teile der Wirtschaft gegen zentrale Punkte, die sich Altmaier überlegt hat, um Deutschland gegen die Giganten aus China und den USA zu wappnen.
Weder will die deutsche Industrie den Aufbau europäischer Champions, die es mit der weltweiten Konkurrenz in puncto Größe aufnehmen sollen. Noch will sie den Aufbau eines deutschen Staatsfonds, der notfalls wichtige Unternehmen übernimmt, bevor ausländische Investoren zuschnappen. Eine zukunftsgerichtete Industriestrategie dürfe dem Trend zur Abschottung keinen Vorschub leisten, betonte Kempf. „Sie darf keinen Zweifel daran zulassen, dass ausländische Investitionen in Deutschland willkommen sind.“
Im gleichen Atemzug ging Deutschlands oberster Industrie-Lobbyist dorthin, wo es für Erhards Erben weh tut, dorthin, wo ihn die SPD auflaufen lässt. Statt hochfliegender Pläne verlangte Kempf, dass der Minister bei einer ganzen Palette von Problemen die Ärmel hochkrempelt und anpackt: Bei der Senkung der hohen Energiepreise, bei der überzogenen Bürokratie, dem schleppenden Ausbau von Straßen, Schienen und Breitbandkabeln sowie der „schädlichen“ Steuerpolitik.
Für den Gescholtenen ist das mehr als misslich. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat eine Verringerung der Steuerlast für Firmen im Interview mit unserer Redaktion jüngst ausgeschlossen. Altmaiers Vorschläge zum Abbau von Bürokratie blockiert derzeit Arbeitsminister Hubertus Heil, ebenfalls von der SPD. Erhalt und Erweiterung der Infrastruktur lassen sich nicht beschleunigen, weil in den Bauämtern Beamte fehlen und die Baufirmen am Limit arbeiten. Und wegen des Ausstiegs aus der Energieerzeugung mit Kohle dürfte der Strompreis demnächst weiter steigen.
Altmaier sind die Hände gebunden und das sorgt für Frust. In Berlin wird offen über einen Abschied Richtung Brüssel nach der Europawahl spekuliert. In der Union und den Unternehmenslenkern gibt es nicht viele, die ihm eine Träne nachweinen würden. Das Amt hat ihm keinen Glanz verliehen, so wie das konservative Lager es vor einem Jahr bei der Bildung der Regierung erhofft hatte.
Wie verkehrt die Welt aus Sicht von Altmaiers Parteifreunden ist, zeigt sich daran, von welcher Seite er Unterstützung für seine französisch geprägte Strategie der aktiven Einmischung des Staates in die Wirtschaft erhält. „Wir brauchen eine aktive Industriepolitik, um wirtschaftlichen und gesellschaftliche Wandel zu gestalten“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in seinen Eingangsworten. Was es nicht brauche, sei eine allgemeine Steuersenkung für die Unternehmen.
Der Beifall von der falschen Seite ist das zweite Kuriosum während der Konferenz. Nach einigen Stunden der schweren Kritik tat Altmaier das, was Politiker in so einer Lage tun. Abwiegeln nämlich. Er freue sich darüber, eine offene Diskussion eingeläutet zu haben, sagte er. Bis zum Jahresende soll die nationale Industriestrategie in Folgekonferenzen erarbeitet werden.
Bei seinen Grundannahmen will Altmaier bleiben. Zur Begründung nennen seine Vertrauten den Kauf des Roboterherstellers Kuka durch die Chinesen. Das Unternehmen habe nicht in deutscher Hand behalten werden können, weil der Investor Midea einfach viel mehr als den Marktpreis bezahlt habe. Genau in solchen Situationen soll in Zukunft der Staatsfonds einspringen.
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