Naftali Bennett: Wer ist der neue israelische Ministerpräsident?
Der religiöse Rechtsaußen Naftali Bennett beerbt Benjamin Netanjahu. Er ist Verfechter einer kompromisslosen Siedlungspolitik.
Naftali Bennett hat mit seinem einstigen Mentor und Chef Benjamin Netanjahu einiges gemeinsam. Beiden ist der wirtschaftliche Erfolg der Start-up-Nation wichtig, und beide träumen davon, die Westbank ganz oder zumindest teilweise zu annektieren. Gemeinsam ist ihnen auch die Sympathie für die USA – beide haben dort gelebt und gearbeitet. Sowohl Bibi als auch Bennett sind zudem die ersten Regierungschefs, die in Israel auf die Welt gekommen sind. Doch im Gegensatz zu Netanjahu, der Risiken, wenn möglich, aus dem Weg geht, gilt Bennett als abenteuerlustig. Und noch ein Unterschied trennt die beiden: Während Netanjahu keine religiösen Affinitäten hat, ist Bennett modern-orthodox und trägt eine kleine Kippa, die er, weil er glatzköpfig ist, mit einem Klebeband befestigt.
Bennett wurde bisher vom Erfolg verwöhnt. Erst vor 15 Jahren entschloss er sich, in die Politik einzusteigen. Damals, während des Libanon-Kriegs von 2006, diente er als Reservesoldat in einer Eliteeinheit, die jenseits der Landesgrenze Hisbollahzellen und deren Raketenabschussrampen zerstörte.
Bevor er Parteipolitiker wurde, hatte Benett zwei Start-ups gegründet
Bevor der heute 49-jährige Bennett Parteipolitiker wurde, hatte er in den USA zwei Start-ups gegründet, die einige Jahre später für 245 Millionen Dollar verkauft wurden. Zurück in Israel wurde er zunächst Berater, danach Stabschef des damaligen Oppositionsführers Netanjahu. Das Verhältnis zwischen den beiden war damals so eng, dass Bennett seinem Sohn den Namen Yoni gab, zum Andenken an Netanjahus Bruder, der 1976 bei einer Kommandoaktion in Entebbe ums Leben kam. Doch trotz der Gemeinsamkeiten kam es zum Zerwürfnis. Bennett wandte sich von Netanjahu ab und wurde Chef des Yesha Councils, der Dachorganisation der Westbank-Siedlungen. Die Beziehungen zu Netanjahu verschlechterten sich weiter, als der Premier auf „Empfehlung“ von US-Präsident Barack Obama die Bautätigkeit in den Siedlungen vorübergehend einfror.
Den Posten als Cheflobbyist der Siedlerbewegung gab Bennett bereits nach zwei Jahren wieder auf. 2013 begann er sein Engagement in der nationalen Politik. Die national-religiöse Partei ernannte ihn zu ihrem Chef. Doch bald überwarf er sich mit der religiösen Parteispitze, der Bennett zu unabhängig war. Worauf er eine neue Partei im rechten Spektrum gründete.
Ihre Ergebnisse glichen einer Achterbahn. Sie erhielt bei den Wahlen von 2013 13 Mandate, doch später fiel die Zahl ihrer Abgeordneten so tief, dass Bennett sogar um seinen Einzug ins Parlament bangen musste. Doch trotz des Niedergangs seiner Partei ist sein politischer Einfluss stets gestiegen. Der zum Politiker mutierte Hightech-Unternehmer hat jetzt eine Koalition gezimmert, die ihresgleichen sucht. Denn Bennett ist Premier, obwohl er auf lediglich sechs Mandate in der Knesset zählen kann.
Das neue Regierungsbündnis könnte kaum heterogener zusammengesetzt sein
Das sich anbahnende Regierungsbündnis könnte kaum heterogener zusammengesetzt sein. Neben dem Rechtsaußen Bennett ist der moderate Yair Lapid ebenso vertreten wie die beiden Linksparteien Meretz und die Arbeitspartei, die einen Kompromiss mit den Palästinensern anstreben. Die Koalition ist zudem auf die Unterstützung arabischer Parteien angewiesen. Dazu gehört auch Mansour Abbas.
Ideologische Differenzen und die Tatsache, dass jede einzelne Partei im Kabinett aufgrund der Arithmetik de facto ein Vetorecht hat, werden große Sprünge ausschließen, sagen Beobachter in Jerusalem. Die (neue) Opposition spricht deshalb von einer „Status-quo-Regierung“. Dafür zu sorgen, dass die heterogen zusammengesetzte Koalition zusammenhält, hat ein Minister als eine der vorrangigen Aufgaben des Bündnisses bezeichnet. „Freundschaft und gegenseitiges Vertrauen“ seien das Fundament der neuen Regierung, sagt auch der neue Außenminister Lapid, der Architekt des neuen Bündnisses. Lapid hat mit Bennett ein Rotationsabkommen unterzeichnet, wonach Bennett im August 2023 das Büro des Regierungschefs räumen und Lapid Platz machen wird.
Die erste Bewährungsprobe in Israel steht für Bennett sofort an
Trotz ideologischer Differenzen gibt es Aufgaben, die innerhalb der Koalition im Prinzip nicht umstritten sind. Dazu gehören Maßnahmen gegen die Wohnungsnot, die Förderung des Personenverkehrs und der Ausbau diplomatischer Beziehungen zu weiteren arabischen Staaten. Bennett deutete an, dass er seine nationalistische Ideologie zurückstellen könnte, um das Überleben der Koalition zu sichern.
Eine erste Bewährungsprobe steht sofort an: Ein umstrittener Flaggenmarsch nationalistischer Israelis soll am Dienstag in Jerusalem stattfinden. Ein Teil der Route soll dabei auch durch das muslimische Viertel in der Jerusalemer Altstadt führen. Das verspricht großes Konfliktpotenzial.
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