Ist die Riester-Rente am Ende, Herr Riester?
Zu teuer, zu bürokratisch, nicht rentabel: Von allen Seiten hagelt es Kritik. Der Erfinder der privaten Zusatzvorsorge aber rechnet vor, wer von Riester-Rente profitiert.
Herr Riester, Horst Seehofer hat die Riester-Rente für gescheitert erklärt. Auch in Ihrer Partei, der SPD, wächst die Kritik. Was läuft da schief?
Riester: Schief läuft nur eines: Durch diese Debatte werden die Menschen verunsichert, sie fragen sich, ob sie überhaupt noch einen Riester-Vertrag abschließen sollen oder ob sie einen bestehenden Vertrag nicht besser kündigen sollen. Sozialpolitisch betrachtet ist das eine Katastrophe. Bei Horst Seehofer überrascht mich das nicht, von ihm kennen wir solche Parolen. Dass aber auch Teile der SPD die Riester-Rente madig machen, empört mich. Ein Blick in die Zahlen der Rentenversicherer zeigt: 25 Prozent der Menschen, die riestern, verdienen weniger als 10.000 Euro im Jahr. Zwei Drittel liegen unter dem Durchschnittslohn, wie kann ein Mann wie SPD-Vize Ralf Stegner da behaupten, die Riester-Rente sei nichts für Geringverdiener? Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die in einem Teilzeitjob um die 800 Euro im Monat verdient, muss selbst nur 60 Euro aufwenden, um mithilfe der staatlichen Zulagen jedes Jahr 814 Euro zur Seite legen zu können.
Nehmen Sie die Kritik eigentlich persönlich? Die Riester-Rente ist untrennbar mit Ihrem Namen verknüpft.
Riester: Natürlich ärgert mich das auch persönlich, das leugne ich nicht. Aber darauf kommt es nicht an. Die Rente ist ein komplexes Thema – und sie ist ein sehr emotionales Thema. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Vertrauen in dieses System haben und die Politik nicht ständig neue Verunsicherung sät. Alle paar Jahre eine Rentendebatte: Das ist unverantwortlich.
Dennoch stagniert die Zahl der Riester-Verträge bei gut 16 Millionen. Liegt es an den hohen Gebühren? An den strengen Anlagevorschriften oder einfach nur an den niedrigen Zinsen?
Riester: Schauen wir uns die Vorwürfe doch mal genau an: Beim Wohn-Riester verlangen die Bausparkassen wie bei anderen Verträgen auch eine Abschlussgebühr von einem Prozent, haben aber einen größeren Aufwand, weil sie ja auch die Zulagen beantragen und verbuchen müssen. Bei Rentenversicherungen ist das ähnlich. Ein Banksparplan kostet, wenn überhaupt, zehn Euro pro Jahr. Und bei Investmentfonds wie dem Uni Global, mit dem 1,8 Millionen Menschen riestern, zahlen Sie wie jeder andere Kunde auch beim Kauf eines Anteils einen Ausgabeaufschlag von fünf Prozent und eine jährliche Verwaltungsgebühr von einem Prozent. Wie überall gibt es auch bei Riester-Verträgen gute und schlechte Angebote. Aber der Vorwurf, sie seien zu teuer, ist ebenso absurd wie der mit der übertriebenen Bürokratie. Als wir damals das Gesetz gemacht haben, hat jedenfalls kein Verbraucherschützer laut aufgeschrien.
"Vorsorge hätte verpflichtend sein müssen"
Wenn die Gefahr von Altersarmut tatsächlich zunimmt: War es dann nicht ein Fehler, bei der Riester-Rente auf Freiwilligkeit zu setzen anstatt sie für alle verpflichtend einzuführen?
Riester: Ja natürlich war das ein Fehler – aber bitte nicht mein Fehler. Ich wollte damals das sogenannte Obligatorium, also eine Pflicht, auch privat vorzusorgen. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Hans Eichel und SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte ich damals hinter mir. Dann aber hat die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile von der „Zwangsrente“ massiv Stimmung gegen mich gemacht – und die Grünen, unser Koalitionspartner, haben sich davon ebenso anstecken lassen wie ein Teil meiner eigenen Partei. Im Bundestag hätte ich für eine verpflichtende Zweitrente damit keine Mehrheit mehr gehabt.
In Schweden gibt es eine Art Riester-Rente, die jeder Beschäftigte abschließen muss. Dabei wählt der Staat selbst die jeweiligen Fonds aus und nicht die Bank oder eine Versicherung. Eine Alternative?
Riester: Das war sogar eine Blaupause für mich! Kurz bevor ich Minister wurde, hat Schweden dieses Modell mit sechs oder acht Fonds eingeführt, in die man einzahlen kann. Wer sich für keinen entscheiden kann oder will, landet dann automatisch in einem staatlich betriebenen Fonds. Bizarrerweise sind es heute die Grünen, die sich für eine Vorsorge nach schwedischem Vorbild starkmachen. Damals haben sie mir nur Steine in den Weg geworfen. Den Mut, ihre Zusatzrente auch für alle zur Pflicht zu machen, haben sie allerdings noch immer nicht.
Die SPD und die Gewerkschaften wollen die Rentenformel ändern und die gesetzlichen Renten erhöhen. Wie soll das ohne saftige Beitragserhöhungen funktionieren?
Wenn Beiträge steigen sollen, gibt es nur zwei Alternativen
Riester: Wenn die Beiträge nicht in die Höhe schießen sollen, gibt es nur zwei Alternativen: Entweder Sie bezahlen das aus Steuermitteln oder Sie heben das Rentenalter in Richtung der 70 Jahre an, von denen Wolfgang Schäuble gesprochen hat. Wer das nicht dazusagt, wenn er ein höheres Rentenniveau verspricht, täuscht die Menschen. Schon jetzt kommt mit 83 Milliarden Euro im Jahr rund ein Drittel der Einnahmen aus der Steuerkasse. Sollen wir daraus 130 Milliarden machen?
Mal ehrlich: Verzweifeln Sie nicht allmählich an Ihrer Partei?
Riester: Vieles von dem, was ich zurzeit aus der SPD höre, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir damals vertreten haben. Da fragt sich auch jeder, der es noch gut mit uns meint: Wofür steht diese Partei denn jetzt noch? Und die, die uns kritisch gegenüberstehen, sagen: Typisch SPD. Beides ärgert mich.
Wie sähe denn eine Rentenreform aus, wenn Sie heute Sozialminister wären?
Riester: Ich möchte, dass aus jedem Erwerbseinkommen Rücklagen für die Rente gebildet werden, also auch aus den Einkommen von Selbstständigen und Beamten. In der Schweiz und Österreich, das nur als Beispiel, zahlen auch Selbstständige in die Rentenkassen ein. Außerdem haben wir seit 20 Jahren eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes mit immer mehr Niedriglöhnern und immer mehr Teilzeitbeschäftigten. Das heißt, bis zu 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, haben heute nur ein halbes Einkommen – mit entsprechend niedrigen Renten später. Auf diese Entwicklung sind unsere Sozialsysteme noch immer nicht eingestellt.
Sie selbst durften als Minister und Abgeordneter keinen Riester-Vertrag abschließen, weil Politiker nicht gesetzlich rentenversichert sind. Wie haben Sie denn fürs Alter vorgesorgt?
Riester: Unter anderem dadurch, dass ich vor meinem Wechsel in die Politik 43 Jahre lang in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt habe. Ich habe als Fliesenleger im Akkord Fliesen verlegt und damals sehr gut verdient. Dann bin ich zum DGB gegangen und habe nicht mehr ganz so gut, aber noch immer ordentlich verdient, später war ich im Vorstand der IG Metall, und aus dieser Gewerkschafszeit erhalte ich auch noch eine Betriebsrente. Sie wird allerdings mit der Pension verrechnet, die mir als Abgeordneter und Minister zusteht – und das ist auch völlig richtig so.
Walter Riester war von 1998 bis 2002 Sozialminister der rot-grünen Koalition. Der gebürtige Kaufbeurer hat nach der Volksschule den Beruf des Fliesenlegers gelernt und auch seinen Meister gemacht, ehe er Jugendsekretär beim DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg wurde und nach einer steilen Gewerkschaftskarriere bis zum zweiten Vorsitzenden der IG Metall aufstieg. SPD-Mitglied ist der 72-Jährige seit 1966. Von 1988 bis 2005 saß er auch im Bundesvorstand der Partei.
Die Diskussion ist geschlossen.
Verschiedentlich ist von einer Favorisierung des Schweizer Rentenmodells, "es ist doch viel besser als das deutsche Modell", zu hören und zu lesen. Was soll daran so herausragend sein, respektive anders als bei uns sein? Die haben ein 3-Säulen-System (= 3 Standbeine-System). Der erste Teil ist umlagefinanziert (haben wir auch), der zweite Teil betrifft den beruflichen Teil (gibts eingeschränkt auch bei uns) und der dritte Teil/die 3. Säule basiert auf Freiwilligkeit (gibts bei uns auch). Ergo?
Genauso ist es.
In der Schweiz hat es Berge (gibts eingeschränkt auch bei uns). Die haben den Alm-Öhi, den Geissenpeter und das Heidi (gibts bei uns so nicht). Und Rindviecher haben sie jede Menge (davon haben wir aber viel mehr und größere) . . .
In der Schweiz zahlen Angestellte, Selbständige und Beamte in dieselbe Rentenkasse. Der Riester hat mit seiner überdimensionierten Altersversorgung leicht reden.
"Vorsorge hätte verpflichtend sein müssen" -Klaro und Herr Riester hätte verpflichtend von jedem Vertrag noch 2 % Erfinder-Boni bekommen sollen. Wenn der Geringverdiener dann brav geriestert hat, wird die Rente komplett auf die spätere Sozialhilferente angerechnet. Dann bleibt dem Sozialhilfe-Riester-Rentner genauso viel in der Grundsicherung, als wenn er nichts in die Riesterrente eingezahlt hat.
In Zahlen ausgedrückt: 800 Euro Grundsicherung ohne Riesterrente und mit Riesterrente auch 800 Euro Grundsicherung. Cool, also da sollte jeder nochmals ganz scharf nachrechnen. Wenn das nicht mal eine solide Rentenzusatzversicherung ist. Vermutlich hat das Regierungsmotto geheißen: Wie kann man bei den doofen Armen noch mehr Geld für eine Null-Leistung abmelken.
Ja,ja die volle Erfolgsstory. Voll seriös...
Der mit großem Abstand beste Vorschlag für eine Rentenreform kommt - es fällt mir nicht leicht, das zuzugestehen - von der AfD:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/was-wird-aus-der-rente/renten-debatte-afd-will-rente-nach-schweizer-vorbild-14188844.html
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International nennt das Verhalten von Rürup und Riester ". . . ein Beispiel für politische Korruption".
Die "Frankfurter Rundschau" 2011 weiter:
" . . . Rürup hatte unter Maschmeyer für den Finanzdienstleister AWD gearbeitet und ist heute Vorstandsmitglied der MaschmeyerRürup AG. Riester arbeitet als „Experte“ ebenfalls für die Firma. „Rürup dürfte keinerlei politische Beratungsfunktionen mehr bekommen“, fordert Müller. „Wenn man gewusst hätte, dass er der Wirtschaft zu Diensten steht, hätte er als Wissenschaftler niemals diese Glaubwürdigkeit gehabt.“ Auch Riesters Zusammenarbeit mit Maschmeyer sei „eine unzulässige Interessenverquickung, die eines ehemaligen Bundesministers unwürdig und unanständig ist“, so die Transparency-Vorsitzende. „Riester hätte schon vor Jahren sein Bundestagsmandat niederlegen müssen.“ Vor seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2009 veröffentlichte Riester 69 bezahlte Tätigkeiten neben seinem Mandat. Rund 50 dieser Nebentätigkeiten betrafen die höchste Stufe (ab 7000 Euro Verdienst). Demnach hat Riester für Vorträge bei verschiedenen Versicherungsfirmen in den vergangenen Jahren mindestens 404000 Euro erhalten. Auch bei Maschmeyers ehemaligem Konzern AWD war Riester als Redner mehrfach zu Gast."
Noch mehr und sehr aufschlussreiches zu dieser Maschmeyer-Schröder-Riester-Rürup-Connection:
https://lobbypedia.de/wiki/Carsten_Maschmeyer
Wenn dieser "Spezialdemokrat und Gewerkschafter" Riester einen Funken Charakter hätte, würde er sich schämend verkriechen und die Klappe halten . . .
Das Schlimme daran ist, dass der kleine Anleger wieder der Dumme ist und Maschmeiers und Riesters sich wieder hemungslos die Taschen vollstopfen. Wer haut solchen Herrschaften eigentlich mal auf die Finger, unsere Regierenden leider nicht.
Leider sind unsere Politiker und Aufsichtsorgane fest im Griff der Lobyisten.
„Es ist so, als ob wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig, und sie wird sprudeln."
Carsten Maschmeyer über die Riester-Rente.
Es wurde nachgerechnet, dass das Geld bei der gesetzlichen Rente bessere Rendite gehabt hätte als bei der Riester-Anlage - und vor allem wesentlich geringere Verwaltungskosten und keine Absahne der priv. Versicherungsgeier.
Also wem hat und sollte die Riesterrente Nutzen bringen? Die Antwort kann wohl heute jeder informierte Bürger geben...
Herr Riester will natürlich sein "Lebenswerk" verteidigen und soll (???) durch Vorträge - nach seinem Ministerjob schon viel Geld damit verdient haben?
http://www.welt.de/politik/article1983765/Riester-verdient-284-000-Euro-mit-Riester-Rente.html