Virginia Raggi: Jung, schlagfertig und erste Bürgermeisterin von Rom
Virginia Raggi ist jung und schlagfertig - und bald Bürgermeisterin von Rom. Es ist nicht der einzige Triumph für Beppe Grillos "Movimento 5 Stelle" bei den Kommunalwahlen in Italien.
Mit Siegen bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Rom und Turin hat die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung einen überraschend klaren Doppelerfolg gefeiert. Spitzenkandidatin Virginia Raggi setzte sich mit großem Vorsprung durch und wird erste Bürgermeisterin der Ewigen Stadt. Auch in Turin steht künftig eine Frau des "Movimento 5 Stelle" (M5S) an der Stadtspitze. Für Regierungschef Matteo Renzi und seine Mitte-Links-Regierung ist der Wahlausgang ein herber Schlag. Renzis Kandidaten setzten sich in Mailand und Bologna durch.
Mit Spannung war das Ergebnis in Rom erwartet worden, wo die 37 Jahre alte Rechtsanwältin Raggi am Sonntag als Favoritin ins Rennen gegen Renzis Kandidaten Roberto Giachetti gegangen war. Bereits nach den ersten Hochrechnungen räumte der 55-Jährige seine Niederlage ein und gratulierte seiner Kontrahentin zu dem haushohen Sieg. "Ich bin für die Niederlage verantwortlich", sagte Giachetti.
Klarer Sieg für Virginia Raggi in Rom
Raggi, die sich im Wahlkampf gegen die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 in der italienischen Hauptstadt ausgesprochen hatte, lag mit gut zwei Drittel der Stimmen meilenweit vor Giachetti. Sie sprach in der Nacht zum Montag laut der Nachrichtenagentur Ansa auf einer Pressekonferenz von einem "historischen Moment" und zeigte sich erfreut, "dass auch Rom endlich eine Bürgermeisterin haben wird".
Es war Frust, der Virginia Raggi in die Politik trieb. Als vor gut drei Jahren ihr Sohn auf die Welt kam, fand sich die 37 Jahre alte Römerin in der Situation wieder, mit der alle jungen Eltern in der italienischen Hauptstadt zu kämpfen haben. Slalom mit dem Kinderwagen zwischen zugeparkten Bürgersteigen, Schlaglöchern und vermüllten Straßen. Raggi wollte nicht resignieren und engagierte sich in der 2009 gegründeten 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo. Drei Jahre lang saß die Urheberrechts-Anwältin zuletzt für die Protestbewegung im römischen Stadtrat.
Die telegene Römerin ist das jüngste, den Untiefen des Internets entsprungene Konterfei, mit dem die "Grillini" an die Macht streben und sich zum härtesten Konkurrenten des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi entwickeln. Das Rezept der Grillo-Bewegung ist ein radikaler Gegenentwurf zum politischen Establishment. Wie ein Mantra hebt Raggi im Wahlkampf die Unglaubwürdigkeit der Konkurrenz hervor, die jahrzehntelang nur Misserfolge aneinandergereiht und ein System der Vetternwirtschaft etabliert habe. Der Blick auf die Realität bestätigt die 37-Jährige nur.
Raggi: "Rom muss wieder eine normale Stadt werden"
Geht es ins Detail, wirkt die resolute Anwältin zuweilen hilflos und wenig konkret. Sie fordert korrekte Ausschreibungsverfahren und klare Regeln. Den täglichen Verkehrskollaps will sie mit Strafzetteln, Busfahrstreifen, intelligenten Ampeln, Fahrradwegen und mehr Kontrolleuren in den öffentlichen Verkehrsmitteln bekämpfen. "Rom muss wieder eine normale Stadt werden", fordert Raggi.
Wie sie Ordnung im Dickicht der beinahe 60.000 städtischen Angestellten schaffen und die Verwaltung effizienter gestalten will, bleibt aber offen. Viele Wähler hegen Zweifel, ob Raggi nur eine ferngesteuerte Marionette Grillos und der hinter ihm stehenden Internet-Firma Casaleggio ist oder doch eine glaubwürdige Repräsentantin entmutigter Bürger.
Schwache Wahlbeteiligung bei Kommunalahlen in Italien
Landesweit waren fast neun Millionen Wähler bis zum späten Sonntagabend in mehreren Großstädten und Dutzenden weiteren Kommunen aufgerufen, in Stichwahlen ihre Bürgermeister zu bestimmen. Die Wahllokale schlossen erst um 23 Uhr.
Renzi hatte mehrmals betont, dass die Kommunalwahlen stark lokal beeinflusst und keine Abstimmung über die Regierung seien. Der Ministerpräsident muss sich im Oktober einem wichtigen Verfassungsreferendum stellen, das über seine politische Zukunft entscheiden wird.
Die Wahlbeteiligung lag mit 50,5 Prozent im ganzen Land noch einmal deutlich unter der vom ersten Durchgang Anfang Juni. Beobachter hatten seinerzeit bereits auf die geringe Teilnahme hingewiesen. Es war von einem "antipolitischen Wind" im Land die Rede, die Wahl sei von Protestwählern und Gleichgültigkeit bestimmt worden. jmm-, dpa
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