Jens Spahn provoziert GroKo-Krach wegen Äußerungen zu Abtreibung
Gerade haben sich die Wogen über Jens Spahns Hartz-IV-Äußerungen geglättet, legt er mit plakativen Worten zu einem anderen Reizthema nach - mit großem Echo.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mit scharfen Äußerungen zu Schwangerschaftsabbrüchen neuen Krach in der großen Koalition provoziert.
Zu Bestrebungen der SPD, das Werbeverbot für solche Eingriffe abzuschaffen, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag, ihn wunderten die Maßstäbe: "Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht." Von SPD und Opposition erntete er umgehend heftigen Widerspruch.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) betonte. "Ich verlasse mich auf das Wort der Kanzlerin, die zugesagt hat, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden." Es gehe nicht um Werbung, sondern um Information. "Daran muss jetzt die gesamte Bundesregierung arbeiten", sagte Barley am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Ärzte bräuchten Rechtssicherheit und Frauen Unterstützung in einer Krisensituation. SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte: "Jens Spahns durchsichtige Effekthascherei nervt." SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf Spahn vor, mit Zuspitzung zu spalten, was ungut für die Debatte sei.
Wann Abtreibungen in Deutschland erlaubt sind
Die Fraktionschefs von Union und SPD hatten sich verständigt, dass die Regierung einen Vorschlag in dieser Frage vorlegen soll. Die SPD zog daraufhin einen Antrag für ein Aus des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a zurück, der Werbung für Abtreibungen verbietet. Diese sind in Deutschland grundsätzlich verboten, aber in Ausnahmen oder nach Beratung der Frau unter Bedingungen möglich. Der Paragraf 218ff, der dies regelt, ist ein nach langen Debatten gefundener Kompromiss. Im vergangenen Jahr wurden rund 101.200 Abbrüche vorgenommen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter monierte, wieder versuche sich Spahn mit Hardliner-Positionen zu profilieren, "diesmal auf Kosten von Frauen in Notlagen und in Gewissensnöten". Es gehe um leichteren Zugang zu sachlichen Informationen und nicht um kommerzielle Werbung. Linke-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte kommentierte: "Immer wieder sonntags: Jens Spahn muss etwas Rückschrittliches erklären."
Tatsächlich hatte der 37-Jährige, der auch in Abgrenzung zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Stimme der Jungen und Konservativen in der Partei auftritt, erst am vergangenen Wochenende für Wirbel gesorgt. Da ging es um Hartz-IV-Sozialleistungen, die "nicht Armut" bedeuteten, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut seien. Das war zwar noch vor der Ernennung zum Minister. Klar wurde aber: Trotz Einbindung in die Kabinettsdisziplin will sich Spahn nicht davon abhalten lassen, sich weiter deutlich zu Wort zu melden.
Spahn mahnt, den Kompromiss zu Abtreibungen nicht zu gefährden
Mit Schwangerschaftsabbrüchen greift der Minister ein Reizthema auf, das Konservative in der Union schon lange umtreibt. Diesmal liegt es aber durchaus in seiner Zuständigkeit. Den vor Jahren gefundenen Kompromiss zu Abtreibungen solle man nicht leichtfertig gefährden, mahnte er. Und fügte hinzu: "Das ist keine ärztliche Leistung wie jede andere - und selbst für die gelten bei der Werbung strenge Regeln."
Aus Reihen der Koalition werden Bedenken laut, dass Spahn und auch der neue CSU-Innenminister Horst Seehofer ("Der Islam gehört nicht zu Deutschland") sich eher mit Grundsatzdebatten profilierten. SPD-Vize Ralf Stegner sagte der Welt, beide bemühten sich, das konservative Profil ihrer Parteien zu schärfen.
Sie schienen wohl "nicht ganz ausgelastet zu sein". Es müsse klar sein, dass die Äußerungen nicht identisch mit der Regierungsarbeit seien. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der Zeitung: "Metadebatten müssen dort, wo sie notwendig und sinnvoll sind, geführt werden, weil sie eine Grundlage für das Regierungshandeln sind. Diese grundsätzlichen Debatten sind aber gerade Aufgabe der Parteien." (Sascha Meyer, dpa)
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