Jobcenter sollen zu wenig Arbeitslose gezählt haben
In Zukunft sollen die Zahlen regelmäßig überprüft werden. Kritikern der Statistik reicht das jedoch nicht
Die Kritik an der angeblich fehlerhaften Zählung von Arbeitslosen hat jetzt offenbar Konsequenzen für die Arbeit der Jobcenter: Die Zahlen sollen von nun an nicht nur regelmäßig überprüft, sondern bei Bedarf auch korrigiert werden, wie eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) sagte. Dazu sei eine entsprechende Weisung in Kraft getreten. Auf Erfassungsfehler bei Hartz-IV-Empfängern in großem Stil hatte der Bundesrechnungshof aufmerksam gemacht.
In einem bisher unveröffentlichten Bericht stellten die Rechnungsprüfer Ende Februar fest, dass die Jobcenter zuletzt rund 290000 Menschen mit einem falschen Status an die BA-Statistik gemeldet hätten – 8,6 Prozent der Leistungsempfänger. Demnach waren rund 115000 Arbeitslose nicht als solche erfasst worden. Die Rechnungsprüfer zogen laut dem Bericht dabei bereits jene ab, die fälschlicherweise als arbeitslos registriert gewesen seien. Der Rechnungshof stützte sich auf eine Stichprobe von 770 Fällen in 219 Jobcentern. Die neue Weisung verpflichte die Jobcenter, regelmäßig automatisierte Prüfsysteme zu nutzen, erklärte die BA-Sprecherin. Gefunden werden sollen Fälle, in denen der Status oder die Daten von Betroffenen im IT-System der BA unplausibel oder unstimmig erscheinen. Die Weisung sei mit dem Bundesarbeitsministerium, den kommunalen Spitzenverbänden und den Bundesländern abgestimmt. Im März hatte die Bild-Zeitung über die Kritik der Rechnungsprüfer berichtet. Damals hatte die BA Verbesserungen angekündigt.
Eine falsche Erfassung rührt laut den Rechnungsprüfern vor allem von fehlenden Beratungsgesprächen etwa nach dem Ende einer Eingliederungsmaßnahme her. Die Jobcenter hätten also Änderungen bei ihren Kunden nicht im Gespräch mitbekommen. „Die Betreuung durch die Jobcenter war häufig über mehrere Monate unterbrochen“, so der Rechnungshofbericht. Dagegen versäumten es die Leistungsempfänger „nur in Einzelfällen“, Änderungen wie einen in Aussicht stehenden Job mitzuteilen. Der Status der Betroffenen wird mit Computerprogrammen erfasst. Die BA erläuterte: „Alle Daten von Kunden der Jobcenter, auch der Status, werden im Gespräch erfasst und händisch eingegeben.“ Die Rechnungsprüfer machten darauf aufmerksam, dass die Mitarbeiter der Jobcenter es hierbei mit rund 1040 Seiten voller Regeln zur Dokumentation zu tun hätten. Sie beachteten, beherrschten oder überblickten die vielen und häufig unverbindlichen Arbeitshilfen wohl nicht immer, so ihr Bericht. Die BA versprach auch eine noch intensivere Kundenbetreuung.
Dass überhaupt so genau etwa zwischen arbeitslos und arbeitssuchend unterschieden wird, hängt mit den Grundlagen der Statistik zusammen. Längst nicht alle Menschen ohne Arbeit sind offiziell arbeitslos. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann sagte deshalb: „Die Bundesregierung rechnet sich die Zahlen schön.“ Jeden Monat gibt die BA bei der Vorlage der Arbeitsmarktstatistik unterschiedliche Zahlen an. So waren im März 2,3 Millionen Männer und Frauen ohne Job. Doch die Unterbeschäftigung liegt bei 3,25 Millionen – hier ist etwa auch mitgezählt, wer Aus- und Fortbildungen oder Förderkurse absolviert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt auch eine „stille Reserve im engeren Sinn“ an – gemeint ist, wer nicht aktiv nach Arbeit sucht, einen Job aber bei noch besserer Arbeitsmarktlage mit für ihn passenden Bedingungen aufnehmen würde. Für 2019 rechnet das IAB hier mit 290000 Menschen.
Immer wieder veränderte der Gesetzgeber die Zählweise. Dass Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht als arbeitslos gelten, geht zum Beispiel auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2004 zurück. Seit 2008 gelten Hartz-IV-Bezieher ab 59 Jahren nicht mehr als arbeitslos, wenn ihnen ein Jahr lang keine Beschäftigung angeboten wurde. Die BA kritisierte dies damals in einer Stellungnahme: Dass Arbeitsplätze fehlten, werde zum Kriterium dafür, Menschen aus der Arbeitslosenstatistik auszuschließen. Das setze die BA dem „Risiko eines Vorwurfs der Manipulation von Arbeitslosenzahlen“ aus.
Die Linken-Abgeordnete Zimmermann forderte nun ein Zahlenwerk, „das das wahre Ausmaß des Problems korrekt abbildet und keine künstliche Beschönigung der Zahlen zulässt“.
Basil Wegener, dpa
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