Kandidaten für SPD-Vorsitz dementieren Rückzugsgerüchte
Exklusiv Falschmeldungen und brisante Gerüchte: Die SPD-Linke Mattheis und der Parteikonservative Brunner ärgern sich über Spekulationen aus der Partei.
Im SPD-Express ist die Stimmung gereizt: Gleich mehrere Bewerber für die vakante Parteispitze sitzen am Donnerstagnachmittag im selben ICE von Berlin nach Nürnberg. Dort beginnt am Abend die achte von 23 Regionalkonferenzen. Die Konkurrenten grüßen sich, knappe Scherze fallen. Doch dann ziehen sie sich in getrennte Abteile zurück, gehen ihre Reden durch oder führen Telefongespräche. Immer wieder bricht der Handy-Empfang ab. Doch das ist nicht das größte Ärgernis.
Wie sich Hilde Mattheis und Karl-Heinz Brunner über böse Spekulationen ärgern
Im Reigen der sozialdemokratischen Casting-Shows, geplant als Fest der innerparteilichen Demokratie, werden zunehmend die Ellbogen ausgefahren. Gerüchte über Intrigen und Ränke gewinnen an Schärfe, der Ärger wächst. So stellt sich Hilde Mattheis im Zug eine brisante Frage: Wer bloß hat in die Welt gesetzt, ihr Rückzug aus dem Auswahlverfahren stehe unmittelbar bevor? Die Parteilinke aus Ulm weist das energisch zurück. Sie und ihr Co-Kandidat Dierk Hirschel würden ihre Bewerbung „selbstverständlich bis zum Ende des Prozesses aufrechterhalten“, sagt sie unserer Redaktion am Telefon. Zu ihrem Entsetzen musste die GroKo-Gegnerin online im Berliner Tagesspiegel lesen, in der Partei heiße es „hinter vorgehaltener Hand“, das linke Duo könnte bald zurückziehen. Trotzig sagt sie: „Wir spielen auf Sieg.“
Etwas weiter sitzt der einzige Einzelbewerber um den SPD-Vorsitz, Karl-Heinz Brunner aus Illertissen. Er gehört dem konservativen Parteiflügel an. Auch er kämpft gegen Meldungen, er habe „offenbar schon aufgegeben“ und schwänze die Regionalkonferenzen inzwischen einfach. Eine Darstellung, die Brunner erbost: „Wann ich aufhöre und ob ich aufhöre, bestimme noch ich selbst.“ Zwar will Brunner sich weiter nicht festlegen, ob er seine Kandidatur bis zum Ende aufrechterhält. Doch bei der Konferenz in Nürnberg werde er selbstverständlich für sich werben, wie tags zuvor in Erfurt. Für die mutmaßlich innerparteilichen Urheber der Meldungen hat er kein Verständnis: „Wenn Krankheit als Schwänzen bezeichnet wird, zeigt dies den Charakter derjenigen, die dies verbreiten, ohne jemals nachzufragen.“
Kandidaten auf den SPD-Vorsitz hoffen, dass nicht alles in einer Schlammschlacht endet
Allein schon die täglichen Reisen quer durch Deutschland haben die insgesamt 15 Kandidaten – sieben Duos sowie Brunner – viel Kraft gekostet. Und je länger die Ochsentour dauert, umso mehr wächst das Misstrauen in den jeweiligen Lagern. Viele Genossen fragen sich: Spielen wirklich alle mit offenen Karten? Warum etwa hat Kevin Kühnert sich so eindeutig auf die Seite des Bewerber-Duos Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken geschlagen? Hartnäckig hält sich in Berliner SPD-Kreisen das Gerücht, der einflussreiche Juso-Vorsitzende habe sich seine Empfehlung mit dem Versprechen erkauft, das Tandem Walter-Borjans/Esken werde ihn nach erfolgreicher Wahl zum Generalsekretär befördern. Die Jusos bestreiten dies energisch.
Walter-Borjans, Ex-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, gilt als Ikone des linken Parteiflügels. Durch den Ankauf von CDs mit Daten Schweizer Banken zwang er einst zahlreiche Steuersünder in die Knie. Viele sehen in ihm derzeit den wohl größten Konkurrenten von Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz. Wie für ihn steht auch für viele andere SPD-Funktionäre viel auf dem Spiel. Wenn die Partei wie geplant im Dezember eine Doppelspitze kürt – braucht sie dann noch wie bisher sechs Vize-Parteivorsitzende? Und einen Generalsekretär, einen Bundesgeschäftsführer, einen Schatzmeister? Schon jetzt ist klar, dass diese Fragen nicht alle mit einem Ja beantwortet werden. Allein schon weil die Partei seit dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl Geldsorgen hat.
Hilde Mattheis hofft dennoch, dass die Kandidatenkür jetzt nicht noch in eine Schlammschlacht abdriftet. Als der Zug sich schon Nürnberg nähert, sagt sie: „Es kann nicht sein, dass wir anfangen, mit Foulspiel und falschen Behauptungen zu arbeiten.“
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