
Unabhängigkeit Kataloniens: Spanien droht Bürgermeistern mit Festnahme

Rund 700 Bürgermeister im spanischen Katalonien hatten zugesagt, bei der Vorbereitung zum Unabhängigkeitsreferendum zu helfen. Deshalb droht ihnen nun die spanische Justiz.
Die spanische Justiz hat hunderten Bürgermeistern der Region Katalonien mit Festnahme gedroht, falls sie sich an der Vorbereitung des Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober beteiligen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Madrid ordnete am Mittwoch Ermittlungen gegen die Bürgermeister an, wie aus einem Behördendokument hervorgeht, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Die Kommunalchefs sollen demnach vorgeladen und im Falle des Nichterscheinens festgenommen werden.
Rund 700 katalanische Bürgermeister hatten sich auf Bitten der nach Unabhängigkeit strebenden Regionalregierung Kataloniens bereit erklärt, in ihren Kommunen Einrichtungen für die Abhaltung des Volksentscheids bereitzustellen. Die Regionalregierung hatte 948 Bürgermeister darum gebeten.
Unabhängigkeit Kataloniens: Spanische Regierung ruft zu Boykott auf
Die spanische Zentralregierung stemmt sich mit aller Macht gegen den für den Volksentscheid über eine Abspaltung Kataloniens. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy rief die Katalanen zum Boykott des Referendums auf: "Wenn jemand Sie zum Gang ins Wahlbüro drängt, dann gehen Sie nicht hin!" Die Abstimmung sei "illegal". Spaniens König Felipe VI äußerte sich erstmals seit Ansetzen des Abstimmungstermins zu dem Thema. Die Rechte aller Spanier würden aufrecht erhalten gegen "alle, die sich außerhalb von Gesetz und Verfassung stellen", erklärte der Monarch.
Bereits vergangene Woche hatte das spanische Verfassungsgericht das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig erklärt. Es wurde für einen Zeitraum von fünf Monaten ausgesetzt. Währenddessen will das Verfassungsgericht ein endgültiges Urteil fällen. Die Drohung der Staatsanwaltschaft in Madrid stieß bei den betroffenen Kommunalpolitikern in Katalonien auf scharfe Kritik. "Sie können uns verhaften, sie sind verrückt", sagte der Bürgermeister der Kleinstadt L'Espluga de Francoli, David Rovira, zu AFP. Rovira unterstützt das Unabhängigkeitsreferendum.
Der Bürgermeister von Arenys de Munt, Joan Rabasseda, argumentierte, mit der Vorbereitung der Referendums zur Unabhängigkeit Kataloniens folge er nur dem Beschluss des katalanischen Regionalparlaments. "Diese Drohungen mit Verhaftung gefallen mir nicht, ich habe eine Familie, aber ich habe auch politische Verpflichtungen", sagte er.
Referendum: Strafanzeigen gegen Bürgermeister in Katalonien
Generalstaatsanwalt José Manuel Maza hatte Strafanzeigen gegen katalanische Regionalpolitiker und Abgeordnete wegen Amtsmissbrauchs und Missachtung gerichtlicher Anordnungen angekündigt. Staatsanwälte wiesen die Polizei in Katalonien an, Wahlurnen, Flugblätter und sonstige Referendumsunterlagen zu beschlagnahmen.
Schon 2014 hatte das spanische Verfassungsgericht auf Antrag der Regierung in Madrid ein rechtlich nicht bindendes Referendum über Kataloniens Unabhängigkeit untersagt. Die Justiz argumentierte, dass dabei über eine Frage abgestimmt werden solle, die die Einheit des Landes betreffe - und das falle nicht in den Kompetenzbereich der Regionalregierung.
Die katalanischen Behörden setzten sich regelmäßig über die Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichts hinweg, dessen Legitimität sie nicht anerkennen. Auch jetzt halten die katalanische Regionalregierung unter Carles Puigdemont und das Regionalparlament an dem geplanten Volksentscheid fest. Die Vorbereitungen für das Referendum sind weit fortgeschritten. Erst am Montag, dem katalanischen Nationalfeiertag, demonstrierten in der Regionalhauptstadt Barcelona mehrere hunderttausend Menschen für die Unabhängigkeit von Spanien.
Die nordostspanische Region Katalonien hat ihre eigene Sprache und fühlt sich seit Jahrhunderten von Madrid unterdrückt. Spaniens wirtschaftsstärkste Region zählt 7,5 Millionen Einwohner und ist etwa so groß wie Belgien. Sie kommt für etwa ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung auf. Katalonien errang zwar Ende der 70er Jahre Autonomierechte, etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Doch vielen gehen diese nicht weit genug. Die Wirtschaftskrise in Spanien vergrößerte die Unzufriedenheit, weil die Katalanen mit ihren Steuergeldern die ärmeren Regionen des Landes unterstützen. afp/sh
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