Kirchensteuer - ein staatlicher Segen
Wer Mitglied in einer der beiden großen Kirchen in Deutschland ist, muss auch künftig Kirchensteuern zahlen. Doch was sind die Konsequenzen?
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht zumindest juristisch Klarheit geschaffen, ob die Praxis der Kirchenfinanzierung in Deutschland dem Gesetz entspricht. Dennoch bleibt das Thema auch unter Gläubigen umstritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema:
Was bedeuten die Entscheidungen der Bischofskonferenz und des Bundesverwaltungsgerichts in der Praxis?
Die Kirche hat ihre Position bekräftigt, dass sie ausgetretene Personen nicht aktiv am kirchlichen Leben teilhaben lassen will. Selbst dann nicht, wenn sie aus der Motivation heraus ausgetreten sind, um sich die Kirchensteuer zu sparen. „Wer deswegen aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, tritt aus der Gemeinschaft des Glaubens aus“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Die Einheit der Kirche als Glaubensgemeinschaft und rechtlicher Institution sei nicht zu trennen.
Weshalb ist ein partieller Kirchenaustritt nicht möglich?
Wer vor den zuständigen staatlichen Behörden seinen Kirchenaustritt erklärt – und sei dies ausschließlich wegen der Steuererleichterung –, verstößt aus Sicht der Kirche gegen die Pflicht jedes Katholiken, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren. Zu diesen Pflichten gehört gemäß dem jüngsten Dekret der Bischofskonferenz, einen finanziellen Beitrag zu leisten, sodass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann. Wer dem nicht nachkommt, wird von den Sakramenten ausgeschlossen, jedoch nicht mehr automatisch exkommuniziert.
Wie geht die evangelische Kirche mit dem Thema um?
„Wir vertreten eine ähnliche Linie wie die katholische Kirche“, sagt Frank Kreiselmeier, Pfarrer in der Augsburger Kirchengemeinde St. Ulrich. „Wer keine Kirchensteuern mehr bezahlt, erklärt damit, dass er die heilige Handlung am Menschen nicht wünscht.“ Dadurch wird zum Beispiel das Recht verwirkt, eine Taufpatenschaft zu übernehmen. Auch auf eine kirchliche Beerdigung muss in der Regel verzichtet werden. Allerdings sei das Kirchensteueramt in speziellen Fällen wie Arbeitslosigkeit oder vorübergehender Armut bereit, Ausnahmen zuzulassen. Ein Unterschied zur katholischen Kirche bestehe darin, dass Ausgetretene weiterhin zum Gottesdienst eingeladen sind.
Die katholische Kirche hat ihren Willen bekräftigt, weiteren Austritten entgegenzutreten. Wie will sie das erreichen?
Jeder, der künftig aus der Kirche austreten will, soll in einem Brief des jeweils zuständigen Pfarrers zum persönlichen Gespräch eingeladen werden, sagt Markus Kremser, Pressesprecher des Bistums Augsburg, gegenüber unserer Zeitung. Die Menschen sollen in dem Gespräch dazu aufgefordert werden, den Schritt nochmals zu überdenken und gegebenenfalls rückgängig zu machen. Außerdem soll in dem Brief über die kirchenrechtlichen Konsequenzen aufgeklärt werden.
Wie stehen die Pfarrer vor Ort zu dieser Änderung?
„Die persönliche Rolle des Pfarrers wird damit in den Mittelpunkt gerückt – und vielleicht überbewertet“, sagt Johann Fischer, Pfarrer aus Diedorf. Er glaubt nicht daran, dass durch die Briefe viele Austritte rückgängig gemacht werden können. Ein Problem sei, dass die Pfarrer über das Kirchensteueramt erst nachträglich über den Austritt informiert werden, wenn sich die betreffende Person meist schon vom Glauben abgewandt habe. Außerdem fehle oftmals der Bezug zwischen Pfarrer und Menschen, die ohnehin selten oder gar nicht in die Kirche gehen. „Um Austritte zu verhindern, wäre es besser, die Kirche würde endlich ihren Reformstau überwinden“, sagt Fischer.
Wie hoch ist die Kirchensteuer?
Die Kirchensteuer beträgt in Bayern und Baden-Württemberg acht Prozent der Einkommensteuer, in anderen Bundesländern neun Prozent. Bundesweit hat die katholische Kirche im Jahr 2011 damit 4,9 Milliarden Euro eingenommen, die evangelische Kirche dagegen 4,4 Milliarden Euro. mit kna
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