
Koalitionsstreit um Schwerverbrecher verschärft

Berlin (dpa) - Im Koalitionsstreit über den Umgang mit gefährlichen Straftätern wird der Ton zwischen Union und FDP schärfer. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warf Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor, er blockiere eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwahrte sich gegen die Haltung der Ministerin, freikommende Schwerstkriminelle dürften nachträglich nur freiwillig in Sicherungseinrichtungen untergebracht werden. Das "kann ja wohl nicht ernst gemeint sein", sagte er am Samstag.
Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte im Magazin "Focus": "Das Bundesinnenministerium hat die weiteren Beratungen aufgehalten, obwohl mein Gesetzentwurf auf Eckpunkten beruht, die das Kabinett bereits beschlossen hat." De Maizière hatte angeregt, Sexualstraftäter nach ihrer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in anderen Einrichtungen unterzubringen.
Dazu sagte die FDP-Ministerin in der "Bild"-Zeitung (Samstag): "Dieser Vorschlag bringt uns keinen Schritt weiter, weil wir gerade die Fälle, die uns jetzt die Probleme bereiten, damit nicht erfassen können. Es hat doch keinen Sinn, jetzt eine Regelung zu beschließen, die dann von den Gerichten wieder einkassiert wird." Im "Focus" sagte sie, nur wenn die Betroffenen einwilligten, könnten sie in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden.
Innenminister Herrmann sagte: "Ein nicht therapierbarer gefährlicher Gewaltverbrecher gehört hinter Schloss und Riegel." Es komme "überhaupt nicht infrage", sie im Rahmen freiwilliger Programme auf ihre Entlassung vorzubereiten, nur weil dem Gesetzgeber keine Lösung einfalle. "Ich bleibe dabei: Wir brauchen die nachträgliche Sicherungsunterbringung."
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte müssen in Deutschland bis zu 80 Schwerverbrecher aus der Sicherungsverwahrung freigelassen werden, weil die Richter in der rückwirkenden Verlängerung der Sicherungsverwahrung einen Verstoß gegen die Menschenrechte sahen. Dazu sagte Leutheusser- Schnarrenberger der "Bild"-Zeitung, wenn die Gerichte entschieden, dass Täter wegen des Urteils freigelassen werden müssten, dann könne die Politik nur noch dafür sorgen, dass die Bürger so gut wie möglich geschützt werden. "Deshalb bemühe ich mich, unseren Koalitionspartner zu bewegen, endlich dem Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zuzustimmen."
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag): " Dieser Streit ist typisch für diese Koalition: Profilierungsstreitigkeiten statt stimmiger Politik." Er bekräftigte: "Die nachträgliche Sicherungsverwahrung muss bleiben." In der "Passauer Neuen Presse" (Samstag) warnt er: "Die Politik sollte nicht versuchen, das Problem auf dem Rücken der Polizei zu lösen." Für die Überwachung einer Person rund um die Uhr benötige man rund 20 Einsatzkräfte. Dafür fehle der Polizei das Personal. Elektronische Fußfesseln könnten in Einzelfällen zwar hilfreich sein, "aber für die Überwachung von Sexualstraftätern, die rückfällig werden könnten, ist das kein geeignetes Mittel."
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), verteidigte in der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag) den Vorschlag, zur Überwachung elektronische Fußfesseln zu verwenden. "Es waren doch gerade die Länder, die nach diesem Instrument gerufen haben", sagte er.
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