
Vom ersten Tag an war der Kampf gegen Corona in Bayern Chefsache. Das Test-Debakel an den Grenzen ist deshalb auch ein PR-Debakel für Markus Söder.
Viel Raum hat Markus Söder seinen Ministern bisher nicht gelassen. Wo auch immer in den vergangenen Monaten große Hilfspakete zu schnüren, neue Einschränkungen anzuordnen oder erste Lockerungen zu verkünden waren: Die zuständigen Kollegen aus dem Kabinett standen meist artig neben ihrem Ministerpräsidenten und warteten, bis er ihnen das Wort erteilte. Der Kampf gegen Corona: Er war in Bayern vom ersten Tag an Chefsache – und ganz Deutschland dankte Söder seine entschlossene Präsenz mit kanzlertauglichen Umfragewerten.
Nun allerdings verkehrt sich dieser Effekt womöglich ins Gegenteil. So sehr Söder sein Image als Deutschlands couragiertester Corona-Bekämpfer gepflegt hat, so sehr fallen die Pannen bei zigtausenden von Tests jetzt auch auf ihn zurück – selbst wenn er sich, den üblichen politischen Reflexen folgend, wortreich an die Spitze der Aufklärer zu setzen versucht.
Das Tempo beim Corona-Krisenmanagement macht auch die Staatskanzlei
Söder war es, der dem Rest der Republik bei jeder Gelegenheit erklärt hat, dass Bayern sich der Pandemie schneller und konsequenter entgegenstemmt als die anderen Bundesländer. Söder war es, der mit seiner Strategie der kalkulierten Breitbeinigkeit alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Und Söder war es, der seine Gesundheitsministerin mit ihren Problemen erst einmal alleine im Regen stehen ließ, ehe er ihr am Donnerstag umso demonstrativer den Rücken stärkte. Egal, welchen Anteil Melanie Huml und ihre Beamten an den schweren Pannen haben: Dass 44.000 Menschen tagelang auf ihre Testergebnisse warten mussten, darunter mehr als 900, wenn nicht gar 1000 Infizierte, geht politisch auch auf das Konto von Markus Söder. Das Tempo des Krisenmanagements bestimmt nicht nur das Infektionsgeschehen, wie er es darstellt, es wird auch in der Staatskanzlei gemacht.
Fehler passieren, ja, sie sind etwas zutiefst Menschliches; zu einem politischen Problem allerdings werden sie, wenn sie sehenden Auges begangen werden. Im Bemühen, den anderen wieder mal einen telegenen Schritt voraus zu sein, hat die Ministerin Huml beim Einrichten der neuen Teststationen Schnelligkeit vor Gründlichkeit gehen lassen – ob auf Söders Druck oder in vorauseilendem Gehorsam ist noch unklar.
Statt noch einige Tage abzuwarten und eine funktionierende Software bereitzustellen, wurden Namen und Daten zunächst hektisch und teilweise fehlerhaft von Hand erfasst. Statt mit den Kontrollen nur professionelle Dienstleister zu betreuen, mussten Ehrenamtliche die ersten Schichten an den Grenzen übernehmen. Und während Söder bereits mehr als 200.000 Tests pro Tag in Aussicht stellte, waren die Teststationen offenbar schon mit 60.000 Menschen an mehreren Tagen überfordert. Man ahnt, wie das in Düsseldorf oder Berlin ankommt, wo man der Belehrungen aus Bayern zuletzt zunehmend überdrüssig wurde.
Test-Panne in Bayern ist Rückschlag im Kampf gegen Corona
Jenseits aller Spekulationen um eine mögliche Kanzlerkandidatur des CSU-Vorsitzenden Söder ist das Test-Debakel vor allem für den Kampf gegen Corona ein schwerer Rückschlag. Das Risiko, dass viele der Infizierten nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub andere angesteckt haben, Hunderte, wenn nicht gar Tausende, ist groß – und das in einer Phase, in der die Infektionszahlen ohnehin wieder besorgniserregend steigen. Nicht nur in Bayern, aber eben auch in Bayern.
Angeblich sind inzwischen fast alle positiv Getesteten informiert, die Pannen davor aber werden Markus Söder trotzdem noch lange nachhängen. Sie haben nicht nur die vermeintlich so vorbildliche bayerische Politik ein Stück weit entzaubert, sondern auch den Umfragekönig selbst. Der Sheriffstern des Corona-Sherrifs hat in dieser Woche die ersten Kratzer bekommen.
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Leider zieht sich dieser Fehler von Anfang an durch die Corona-Politik der bayerischen Staatsregierung. Bisher konnten die Fehler bei Schnellschüssen Söders kaschiert oder durch Abertausende Überstunden der Beschäftigten ausgeglichen werden. Es war aber eine Frage der Zeit, bis ein Fehler passiert, der sich nicht mit Rhetorik wegreden und verheimlichen lässt. Söder sollte erst in Bayern seine Hausaufgaben machen, bevor er höhere Ziele anstrebt. Eine Lehre wird ihm das Debakel aber vermutlich nicht sein.
Den Kandidaten polieren und glänzen lassen.
Wenn dann das Sachthema sichtbar wird, weil der polierte Glanz nicht mehr vorhanden und also das nackte Ego zu besichtigen ist, dann ist der Kandidat in der Wirklichkeit angekommen.
Und der Bürger/Wähler kann ohne Mühe über Anspruch und Wirklichkeit urteilen.
Rudi Wais, vielleicht eine Premiere: ein guter Kommentar.
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Da "Söder mal wieder bundesweit vorgeprescht war" (wie
andernorts formuliert), erfolgten viele Tests, die sonst
noch nicht gemacht werden wären.
Nun, da in der Auswertung Pannen passierten, lassen
journalistische und sonstige Wadlbeißer, den positiven
Aspekt der Aktion ignorierend, ihrer Neigung freien Lauf.........
(Anmerkung: Der Schlußsatz des Kommentars ist schon
"allererste journalistische Sahne")
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Da haben andere schon viel größere Böcke geschossen. Dass Fehler passieren, ist nicht immer zu vermeiden. Sie sind dazu da, korrigiert zu werden und Punkt. Hätte man zwei Tage später angefangen, wären die 900 Infizierten einfach komplett durchs Netz geschlüpft. So kann man den Schaden zumindenst noch eingrenzen. Und man sollte vor allem den Freiwilligen danken, die sich durch diese widrige Situation durchgewurschtelt habe.
Die AZ und guter Journalismus gehen doch schon lang getrennte Wege. Statt sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, gern auch kritisch, wird irgendwas zusammengeschrieben.
>> Statt noch einige Tage abzuwarten und eine funktionierende Software bereitzustellen ... <<
Funktionierende Software in einigen Tagen?
Die AZ hat mehr als einige Tage für eine funktionsfähige Paywall gebraucht, die den Online-Abonennten stets einen Zugang gewährte...
Es ist eine legitime Entscheidung sofort mit den Tests anzufangen - es war eine gute Entscheidung sofort anzufangen!
"- es war eine gute Entscheidung sofort anzufangen!"
Nein, es war eine katastrophale Entscheidung mit weitreichenden Folgen.
Firmen, welche die Tests nun weiterführen verfügen selbstverständlich über eine entsprechende Software. Aber die ehrenamtlichen Helfer ließ man handschriftlich wursteln im Wissen, dass es so nicht zuverlässig funktionieren kann.
Warten bis alle wichtigen Voraussetzungen gegeben sind, ist selbstverständlich die Pflicht einer bayerischen Staatsregierung. Aber Söder wollte sofort im Rampenlicht stehen und jetzt bringt er es nicht mal fertig die Verantwortung zu übernehmen.
>> Warten bis alle wichtigen Voraussetzungen gegeben sind ... <<
Das hätte man sich 2015 auch überlegen können ;-)
"Warten bis alle wichtigen Voraussetzungen gegeben sind, ist selbstverständlich die Pflicht einer bayerischen Staatsregierung."
Noch besser wäre gewesen, die wichtigen Voraussetzung rechtzeitig zu schaffen! In der ganzen Pandemiesache sind die Verantwortlichen Getriebene der Tagesereignisse. Offenbar ist keiner in der Lage vorauszusehen und einen Plan für eine (nicht mal so abwegige) Eventualität bereit zu halten. Ja, kostet ggf. Geld. Aber so what? Bei den Milliarden, die ohnedies rausgeworfen werden? Da hält man dann eben auch eine Task Force vor, für den Fall, die Urlaubrückkehrer sollten nach aktuellen Erkenntnissen doch besser alle untersucht werden - oder zumindest die, die das freiwillig wollen.
">> Warten bis alle wichtigen Voraussetzungen gegeben sind ... <<
Das hätte man sich 2015 auch überlegen können ;-)"
Was bezwecken sie denn mit diesem kruden Kommentar? Es ist doch längst bekannt, dass sie ganz weit rechts außen stehen.
Aha, der Herr Söder untersucht jetzt die Proben selbst? Wenn die Labore nicht nachkommen ist das jetzt sein Problem? Sorry, aber aus Nichts einen Elefanten zu machen, obliegt wohl nur den Zeitungen. Dass die Labore überlastet sind, sollte eigentlich jedem, normal denkendem Menschen bewusst sein.
Wenn Sie aber, wie von Herrn Söder (der übrigens, meiner Meinung nach, bisher einen guten Job macht) gefordert, die gleiche Gründlichkeit beim Online-Angebot der Zeitung an den Tag legen würden, müsste kein Deutschlehrer mehr vor Scham versinken.
Deshalb würde ich es vorziehen, zuerst mal vor der eigenen Türe zu kehren.
"Das Risiko, dass die 900 Erkrankten nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub andere angesteckt haben, Hunderte zumindest, wenn nicht gar Tausende, ist groß"
Das Risiko, dass sich 10-tausende Egoisten, die in Urlaub gefahren oder geflogen sind, infizieren, war und ist auch groß. Aber sie tun es trotzdem. Ist da auch Herr Söder schuld?
Gut, dass es immer wieder Kommentatoren gibt. Ja, es gab eine Panne. Ärgerlich. Aber Herrn Rudi Wais ist sicherlich noch nie eine Panne passiert. Wenn alle in der Politik nie Fehler machen würden, dann hätten die Zeitungen nichts zu schreiben. Es wäre einfach mal schön, wenn die Zeitung etwas positiv kommentiert. Aber dafür sind Sie wahrscheinlich nicht geschaffen............
Wir reden hier von 2% der getesten Personen die bedauerlicher Weise infiziert sind und leider noch nicht benachrichtigt sind. Ich finde die Aufregung etwas übertrieben.
Sicher wäre es wünschenswert, die Betroffenen wären bereits informiert, aber das ganze Hr. Söder anzulasten ist so nicht in Ordnung. Ich bin wahrlich kein Fan unseres MP aber da tut man ihm Unrecht. Wiedermal viel Lärm um nichts.
2% sind schon ganz schön viel. Auf Augsburg bezogen wären das 6000 Personen. Stand jetzt haben wir 585 Infiziert. Das sind 10mal so viel in kurzer Zeit nur durch Urlaub!
Herr Söder trägt nunmal als MP (nicht als Politiker) die Verantwortung. Warum tun hier alle so als ob er nichts dafür könne? Entweder ist er verantwortlich, dass er schlechte Führungskräfte hat oder dass er selbst nicht vorausschauend genug plante und organisieren ließ. Es war halt wieder mal ein Schnellschuss, statt sich schon im Vorfeld zu überlegen, wo das Equipment herkommt, um heimkehrende Reisende im Fall der Fälle (erhöhte Infektionsgefahr) testen zu lassen. Im Übrigen wäre angekündigte Quarantäne viel wirkungsvoller gewesen. Aber davor schreckte er wohl zurück, weil das Popularität gekostet hätte.
Wären alle vernünftig und würden nicht zwingend ins Ausland in den Urlaub müssen, müsste man sich auch keine Gedanken über Infektionsgeschehen und der gleichen machen. Herr Söder kann jedenfalls nix dafür was hier „verbockt“ wurde.
Sie vergessen, dass sich viele auch hier in Bayern mit Corona infizieren, besonders in den überfüllten Urlaubsregionen.
Verbockt hat es Söder selbst.
Noch einmal: wären diese Leute nicht getestet worden und wären direkt nach Hause gefahren - wäre die Ansteckunsgefahr dann geringer gewesen?
GENAU DAS! Ich verstehe nicht, wieso man hier so tut, als hätte Markus Söder 900 freilaufende Corona-Kranke zu verantworten. Die Alternative zu den schnellen Tests wären gar keine Tests gewesen. Dann würden die 900 Infizierten nicht nur verspätet sondern überhaupt nicht informiert. Ich finde den Kommentar von Rudi Wais einfach nur erbärmlich und peinlich. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Möchtergern-Kritiker, die jetzt aus ihren Löchern gekrochen kommen.
Ja Anita 100% Zustimmung. Denken ist manchmal Glückssache. Aus den Fehlern anderer politisches Kapital schlagen zu wollen, erscheint mir in der derzeitigen Situation "sehr unangebracht" zu sein.
Hochachtung vor einem Ministerpräsidenten, der das Rücktrittsgesuch von Frau Huml abgelehnt hat. Wenn wir im Moment etwas brauchen ist es Solidarität, keine selbstsüchtigen Streithansel.
Das kann man nur bestätigen. Die Alternative zu schnellen Tests wären keine Tests gewesen. Das wird aber anscheinend von den sämtlichen Kritikern gerne übersehen.
Selbstverständlich wäre die Ansteckungsgefahr geringer, wenn man weiß dass man positiv getestet wurde, das können sie doch nicht ableugnen. Schließlich ist das der Grund warum sich so viele Menschen testen lassen.
Herr Dr. Söder hat viel Versprochen aber wenig halten können, immerhin steht das fest.
Die meisten Getesteten warten immer noch und es sind seit Beginn 14 Tage vergangen. Leider ist die bayerische Staatsregierung nicht mal fähig eine Hotline in Bezug auf diese Panne einzurichten. Die Digitalisierung sollte in Bayern zum Vorzeigemodell werden, aber die ehrenamtlichen Helfer bekamen nicht mal eine funktionsfähige Software zur Verfügung gestellt. Bis heute gibt es noch ca. 100 positiv Getestete, die nicht zugeordnet werden können. Das ist bitter und rächt sich jetzt enorm.
Es gibt keinen Grund das Dilemma schön zu reden.
Lesen sie mal ein paar Artikel in der Süddeutschen, vielleicht verstehen sie dann das Dilemma besser.
@Richard M: Klar. Wenn die Tests optimal verlaufen wären, hätten sich die positiv Getesteten entsprechend verhalten können. Das bestreite ich nicht. Aber wenn Bayern erst einmal abgewartet hätte, bis alles optimal passt, wären diese Leute eben NICHT getestet worden, hätten somit auch nicht gewusst, dass sie positiv sind und damit wäre der Stand heute der selbe. Unbestritten ist die Tatsache, dass die Abläufe nicht gepasst haben. Aber jetzt so zu tun, als hätte Bayern DEN Fauxpas schlechthin geliefert, ist schon arg übertrieben. Andere Bundesländer testen einfach keine Rückkehrer - das geht natürlich auch. Und ich gehe davon aus, dass Sie genau wissen, wie ich das gemeint habe.
"Klar. Wenn die Tests optimal verlaufen wären...."
Etwas lautstark versprechen ohne sich zu versichern, ob die Durchführung überhaupt möglich ist, lässt Söder alt aussehen. Kurzfristig mussten ehrenamtliche Helfer gefunden werden, die sich dann auch noch mit veralteter Zettelwirtschaft abmühen mussten. Diese Fahrlässigkeit muss sich Söder selbst zuschreiben. Verantwortung hat er bis jetzt nicht gezeigt.
Mittlerweile testen auch andere Länder mit vermutlichen besseren Methoden. Im Übrigen sollen auch am Münchner Flughafen ernsthafte Probleme bestehen, denn auch dort warten Getestete vergeblich auf Informationen. Überwiegend ehrenamtliche Helfer hatten den Betrieb der Testzentren in Bayern bis jetzt am Laufen gehalten.
"Wenn man von heute auf morgen entscheidet, dass an den Autobahnen und Bahnhöfen getestet wird, dann muss auch die entsprechende Infrastruktur vom Staat zur Verfügung gestellt werden."
sagt BRK-Präsident Theo Zellner in der SZ