Die SPD steht wieder mit leeren Händen da
In völliger Verkennung ihrer Schwäche wollte Andrea Nahles Stärke zeigen und wurde von Horst Seehofer gedemütigt. Das gibt den GroKo-Gegnern Auftrieb.
Kevin Kühnert fühlt sich bestätigt. Von Anfang an hatte sich der Juso-Chef gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition ausgesprochen. Der Spagat werde misslingen, einerseits verlässlicher Koalitionspartner zu sein und andererseits die SPD zu erneuern. 33,98 Prozent der SPD-Mitglieder, die im Februar an der Urabstimmung teilnahmen, sahen das wie er und lehnten eine Neuauflage der Großen Koalition ab.
Und heute? Würde es nach den Vorfällen der vergangenen Tage überhaupt noch eine Mehrheit für eine Fortsetzung der Regierungsarbeit geben? Kevin Kühnert jedenfalls, der sich längst zum eigentlichen Widerpart von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles in der SPD aufgeschwungen hat – was nebenbei viel über die Vorsitzende sagt –, bringt bereits eine erneute Entscheidung der SPD über die Zukunft der Koalition ins Spiel. Die Gremien der Partei müssten entscheiden, ob sie den Konflikt mit der eigenen Basis oder mit dem Koalitionspartner austragen wollen.
Nahles macht Seehofer zum Alleinschuldigen
Es sind wahrlich schwere Tage für Andrea Nahles. Nichts wurde aus dem vermeintlichen Triumph, den umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen aus dem Amt gekippt zu haben. Vielmehr herrscht auf breiter Front Frust über den Preis, den sie dafür bezahlen muss: Maaßen wird zur Belohnung zum Staatssekretär befördert, schlimmer noch, um für ihn eine Stelle zu schaffen, wird der einzige Staatssekretär im Innenministerium mit SPD-Parteibuch, der ausgewiesene Bau-Experte Gunther Adler, in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Da hilft es auch nichts, dass Nahles mit dem Mute der Verzweiflung Seehofer zum Alleinschuldigen und Hauptverantwortlichen für diesen Deal machen will – im Kanzleramt hat sie dieser Rochade ausdrücklich zugestimmt. Und auch verhindern lassen sich diese Personalien nicht mehr. Jeder Minister entscheidet frei über die Berufung seiner Staatssekretäre, im Kabinett hat die SPD keine Mehrheit.
Ein Neuanfang mit neuem Spitzenpersonal?
So steht die SPD am Ende wieder einmal mit leeren Händen da. In völliger Verkennung ihrer Schwäche wollte sie in der Causa Maaßen Stärke zeigen, Merkel gegen Seehofer ausspielen und aus dem Unionszwist um die Flüchtlingspolitik Kapital schlagen. Erreicht hat sie das Gegenteil. Sie wird von Seehofer geradezu gedemütigt und muss einem Deal zustimmen, der in der Öffentlichkeit auf breiteste Ablehnung stößt und das Misstrauen gegen die Politik vergrößert.
Gleichzeitig schlingert die Koalition vor sich hin, verbraucht ihre Kräfte in der Beilegung selbst verursachter Konflikte und unterspült somit das Fundament, auf dem sie ruhen sollte. Hier der ungelöste Dauerstreit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel um die Flüchtlingspolitik, da das fehlende Vertrauen zwischen Union und SPD, nun auch noch der Aufstand der SPD-Basis gegen die Parteivorsitzende Nahles – wo sind eigentlich noch die Gemeinsamkeiten, die eine Regierung angesichts der gewaltigen innen- wie außenpolitischen Herausforderungen braucht?
Schneller als gedacht geht es in Berlin bereits um alles oder nichts. Spätestens nach den Wahlen in Bayern und Hessen werden in allen drei Regierungsparteien die schwelenden Konflikte offen ausbrechen. Auch in CDU und CSU dürfte die Frage nach einem Neuanfang an der Spitze nicht mehr aufzuhalten sein, schließlich ist der Umgang im Fall Maaßen auch Ausdruck einer eklatanten Führungsschwäche Merkels. Wenn die SPD wirklich glaubt, sie sei in der Opposition besser aufgehoben als in der Regierung, gibt es noch immer eine Option: Jamaika. Vielleicht gelingt ja im zweiten Anlauf mit neuem Spitzenpersonal, was vor einem Jahr noch scheiterte.
Die Diskussion ist geschlossen.
Nahles hat sich verspekuliert, Seehofer blockiert, Wahlen gehen verloren - aber: das System Merkel, das offenbar nur ihrem eigenen Machterhalt dient, läuft unbeirrt weiter. Ohne die Auswechslung der Spitze wird es zu keiner Erneuerung kommen. Und zur großen Hoffnung Jamaika: was soll das vor diesem Hintergrund denn bringen? Auch nur eine Fortsetzung.
Andrea Nahles und die SPD hat, mit vielen Anderen, den unhaltbaren Zustand benannt, dass es nicht sein dürfe, dass der oberste Verfassungsschützer dieser Republik sich unhaltbaren Thesen der völkisch Rechten verschwörerisch angedient hatte.
Dafür ist all denen zu danken, die DAS nicht haben durchgehen lassen. Eigentlich selbstverständliche, wehrhafte Demokratie.
Das die dann erzwungene Rechtsstaatlichkeit in bekannter Manier vom Innenminister dieser Republik, der sich ja auf die verschwörerische Seite des Verfassungs-Gefährders M. geschlagen hatte, trickreich unterwandert worden ist, ist nicht zu bestreiten.
Welchen Anteil an diesen antidemokratischen Spielen zur Ego-Wahrung hat N. zu verantworten?
Welchen der seit 3 Jahren berserkerhaft gegen seine Kanzlerin kämpfende Seehofer und welchen diese, würde sie tätig werden.
Die Weiterexistenz dieser GroKo stellte sich also allen drei Parteivorsitzenden.
Wenn man, wie die SPD-Vorsitzende, den Gefährder M. ins Zentrum stellt, wohl wissend, die aktuelle Koalition mit einer Kanzlerin und diese bekämpfenden CSU-Vorsitzenden nicht beenden zu wollen, sollte man DANN einfach den Mund halten und das Spiel der völkischen Undemokraten betreiben?
NEIN, Herr Ferber.
Sie haben natürlich Recht, dass N. für ihr rechtsstaatliches Eintreten einen Preis zahlen musste oder muss.
Daraus aber den Schluss zu ziehen, „die völlige Schwäche der Andrea Nahles“ habe sie zu Abenteuern verführt, geht fehl.
Richtig ist: sie hat in rechtsstaatlich wehrhafter Demokratie politisch gearbeitet.
Ich selber hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaatlichkeit in diesem Fall andere Konsequenzen gefolgt wären.
Ihr Hinweis auf Jamaika, Herr Ferber:
Glauben Sie im ernst, dass eine solche Koalition mit dem bewiesenen Egomanen Seehofer nunmehr möglich wäre? Das Gegenteil ist der Fall. Und was "Neues Personal" betrifft: das muss erst noch sortiert und bestimmt werden.
Wenn dann schon neues Spitzenpersonal zur Sprache kommt, dann mögen sich die neuen Herrschaften doch erst einmal um Bestätigung beim Bürger bemühen.
Und die gesamte Regierung sollte als dringendste Aufgabe das neue, nötige Wahlgesetz ausarbeiten und verabschieden, damit nicht im Parlament auch künftig fast verfassungswidrige Verhältnisse herrschen.
Wird Nahles am Ende zu einer tragischen Figur?
Jedenfalls scheint es schon fast, als ob die Causa Maaßen sich zu einem Problem Nahles entwickelt hätte.
Hat sie am Ende eine Entwicklung angestoßen, die Jamaika eine zweite Chance bringt?