Die Sorgen der Geimpften werden viel zu selten gehört

14.11.2021

Eine Mehrheit der Deutschen hat sich impfen lassen. Nun steht sie erneut vor einem harten Corona-Winter – weil eine Minderheit auf ihre Freiheit pocht.

Jetzt ist es also wieder so weit: Feste werden abgesagt, Operationen verschoben, Besuchsregeln verschärft. Die Infektionszahlen sind hoch wie nie, mehr als 50.000 Menschen stecken sich pro Tag an, Bayern ruft wieder den Katastrophenfall aus. Die Pandemie ist zurück, ähnlich wie ein Albtraum, der immer wiederkommt, nun zum vierten Mal.

Dabei hätte in diesem Winter alles anders laufen können, genauer gesagt: besser. Seit fast einem Jahr gibt es einen Impfstoff gegen das Coronavirus und damit ein Instrument, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Die Impfung ist der viel zitierte Ausweg aus der Corona-Krise. Für die meisten Deutschen ist das klar. Fast drei Viertel aller Menschen hierzulande haben sich impfen lassen, um sich und andere zu schützen.

Und doch erleben sie nun ein Déjà-vu: Wieder droht ein trüber Corona-Winter, drohen Vereinzelung und Einsamkeit, möglicherweise ein weiteres Weihnachtsfest allein zu Hause. Wieder müssen sich Menschen sorgen, ob das Virus ihre Liebsten trifft, ob ihre Kinder Schäden davontragen, weil sie ihre Freunde nicht sehen dürfen. Wieder arbeiten Ärztinnen und Pfleger bis zur Erschöpfung, ohne zu wissen, ob sie alle Patienten versorgen können.

Wer sich impfen lässt, zeigt Solidarität

Zu oft ging es in den vergangenen Wochen nur um die Sorgen ungeimpfter Menschen. Sicher, es ist richtig, Ängsten und Befürchtungen Information entgegenzusetzen. Doch nun müssen endlich auch die Sorgen jener ernst genommen werden, die alles dafür getan haben, das Coronavirus unter Kontrolle zu bringen. Sie haben das Verständnis verloren, sind wütend. Weil sie die Mehrheit bilden und sich dennoch einschränken müssen – zugunsten einer egoistischen Minderheit, die auf ihre Freiheit pocht.

Natürlich gibt es auch Menschen, die sich nicht impfen lassen können, für die es noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt. Sie sind hier nicht gemeint. Stattdessen geht es um all jene, die den Umgang mit dem Coronavirus als Privatsache betrachten. Die lediglich auf sich schauen und nicht auf den Nebenmann oder die Nebenfrau. Die keine Angst haben, selbst zu erkranken und darüber vergessen, dass auch sie für die Krankheit der anderen verantwortlich sein können.

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Die Impfung bewahrt Tausende vor der Intensivstation

Oft verweisen sie auf die angeblich mangelnde Wirksamkeit der Impfstoffe, auf Impfdurchbrüche. Klar, die gibt es, so wie es Wissenschaftler stets vorausgesagt haben. Doch Modellrechnungen zeigen ganz deutlich, dass die Impfung schon jetzt Tausende Menschen vor der Intensivstation bewahrt hat. Ein eindeutiges Bild ergibt sich auch, schlüsselt man die Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern nach Ungeimpften und Geimpften auf: Unter Menschen ohne Impfschutz liegt sie bei 953, mit vollem Schutz dagegen bei 97.

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Wer sich trotz aller Appelle, trotz Aufklärungskampagnen und wissenschaftlicher Evidenz nicht impfen lässt, der muss die Konsequenzen einer 2G-Regelung tragen. In Deutschland darf sich auch niemand an das Steuer eines Autos setzen, wenn er oder sie betrunken ist oder sich weigert, den Anschnallgurt zu tragen.

Ende dieser Woche kommen Bund und Länder zusammen, um über die Corona-Lage zu beraten. Das Treffen ist lange überfällig. Viele Wochen ist in diesem Herbst wenig geschehen, sogar ein Ende aller Maßnahmen wurde diskutiert. Nun braucht Deutschland endlich eine Strategie, wie das Virus in Schach gehalten werden kann, ohne das Leben aller komplett einzuschränken. Denn ein Lockdown für jeden und jede, unabhängig vom Impfstatus, würde sich für alle Geimpften wie Hohn anfühlen – und wäre zugleich die denkbar schlechteste Werbung für eine Impfung.

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