
Erdogan verpasst nach Putsch-Versuch eine Chance


Nach der Niederschlagung des Putsch-Versuchs in der Türkei spielt sich Erdogan als Alleinherrscher auf. Damit hat er die Chance auf einen zeitnahen EU-Beitritt verpasst.
Es hätte die große Stunde des Präsidenten werden können. Man versuche nur einmal, sich vorzustellen, Recep Tayyip Erdogan hätte nach der Niederschlagung des Putschversuches den türkischen Rechtsstaat beschworen und die Unverletzlichkeit der geltenden demokratischen Regeln betont, die europäischen Nachbarn hätten ihm an diesem Montag den roten Teppich ausgerollt und vermutlich wäre der eine oder andere Zweifler eines EU-Beitritts verstummt.
Führt Erdogan die Todesstrafe in der Türkei wieder ein?
Doch der Präsident spielt sich als rachsüchtiger Alleinherrscher auf, der sich auch nicht scheut, das Tabu der Todesstrafe zu brechen. Erdogan hat nach dem Angriff auf den Staatsapparat alle Chancen für einen Aufstieg zum achtbaren Staatspräsidenten eines EU-reifen Landes in der Hand gehabt und verspielt.
Denn längst gibt es einen einstimmigen Chor aus den Regierungshauptstädten und der EU-Zentrale: Für eine Türkei, in der politische Gegner und Putschisten nach erkennbar lange vorbereiteten Listen verhaftet und mutmaßlich in Schnellverfahren zum Tode verurteilt werden, gibt es keinen Platz in der EU.
Die Diskussion ist geschlossen.
Dieser Kommentar stellt nur die Illusionen des Verfassers dar.
Zu erwarten ist folgendes:
Erdogan und die AKP errichten ihre Diktatur in der Türkei. Die Speichellecker der AKP erhalten hohe Posten im Staate und gehen dafür im In- und Ausland gegen Erdogan-Gegner vor.
Krieg gegen Kurden im Osten, Unterdrückung der Alawiten, Gülen-Anhänger, Säkularisten und Christen. Das ist Erdogans Programm seiner Diktatur.
So wenig wie die EU, NATO und USA Einwände gegen die Unterstützung des IS durch Erdogan hatte, so wenig werden diese "Menschenrechtler" gegen Hinrichtungen, faktische Abschaffung der Demokratie und den Krieg gegen die Kurden vorgehen.
Noch vor einigen Jahren benötigte Erdogan die Kurden zur Festigung seiner Macht in der Türkei, aber spätestens seit die kurdische HDP stärkste Kraft der Opposition wurde, steuert er auf Krieg und Unterdrückung jedweder Opposition.
Und Deutschland? Wir werden erleben, dass unsere rückgratlose Kanzlerin weiterhin das Wirken Erdogans duldet, die Bundeswehr in der Türkei belässt, weiterhin die Entsendung und Finanzierung reaktionärer türkischer Imame in der Ditib duldet, die Drohungen gegen deutsche Abgeordnete zulässt ebenso wie Wahlkampfveranstaltungen der AKP in Deutschland, aber die türkische Opposition in Deutschland behindert.
Das alles nennt man dann "Realpolitik". Die türkische, demokratische Opposition bezahlt es mit dem Leben. Erfahrung mit der Unterstützung von Diktaturen hat die deutsche Regierung schließlich ausreichend.
Es gibt viele Belege dafür, dass die Türkei in eine Diktatur verwandelt wird, dies gilt es genauestens zu beobachten und jedwede Bevorzugung der AKP zu verhindern. Leute die Abgeordnete deutscher Parlamente oder Kritiker der türkischen Regierung mit dem Tode bedrohen, haben in Deutschland nichts verloren, auch wenn sie einen deutschen Pass haben.
Und gerade lese ich noch das hier: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-07/eu-aussenminister-tuerkei-recep-tayyip-erdogan-putsch-nizza
Die EU-Außenminister finden zwar deutliche Worte für Erdoğans Vorgehen nach dem Putschversuch. Vor dem Stopp der Beitrittsverhandlungen schrecken sie aber wohl zurück.
Brav gemacht. Und "deutliche Worte" sind natürlich immer wohlfeil.
Noch Fragen, Kienzle?
Das Problem ist nur, dass die EU die Türkei gerade weit nötiger braucht, als es umgekehrt der Fall ist. Das liegt schon in der gemeinsamen Grenze der Türkei mit Syrien begründet.
Mit der NATO (die hat ja "günstig gelegene" Luftwaffenstützpunkte dort) ist es übrigens das gleiche. Es besteht keine, ich wiederhole: keine Gefahr, dass die Türkei demnächst wegen irgendwas aus der NATO fliegt. Egal, was passiert. Nicht die geringste.