Kommentar: Punktsieg für die SPD
Über das Tauziehen in der Koalition um den Mindestlohn schreibt Walter Roller:
Ende Januar wählen Hessen und Niedersachsen. Es geht nicht nur um die Macht in zwei großen Bundesländern, sondern auch um einen bundespolitischen Stimmungstest. Der Wahlkampf ist in vollem Gang, der Umgangston in der Großen Koalition wird rauer.
Für SPD und CDU steht in Hessen und Niedersachsen viel auf dem Spiel. Die Union will die beiden Länder verteidigen und dadurch auch ihren (Umfrage-)Vorsprung im Bund festigen. Die SPD hofft auf einen Befreiungsschlag. Der Ausgang der Landtagswahlen wird nicht über das Schicksal von Schwarz-Rot entscheiden, wohl aber die Strategie der beiden zwangsverheirateten Volksparteien für den Verlauf der zweiten Halbzeit beeinflussen.
Weder CDU noch SPD ist an einem vorzeitigen Ende der Koalition gelegen, weil beide mit einer Abstrafung durch die Wähler rechnen müssten. Die Frage ist, ob sie noch einmal an die gute Zusammenarbeit der Anfangszeit anknüpfen können oder nach den Landtagswahlen umgehend in einen langen, für das Land schädlichen Bundestagswahlkampf starten. Der eskalierende Streit um den Mindestlohn lässt bereits das Schlimmste befürchten: Dauerwahlkampf und Stillstand.
Die SPD, von Lafontaines Linker schwer bedrängt, ist bisher die Verliererin der Großen Koalition. Nun aber hat die Sozialdemokratie ein emotionales Thema entdeckt, das sowohl zum Wahlkampfschlager als auch dazu taugt, die Union in die Defensive zu drängen.
Mindestlohn für alle - das ist, jenseits aller berechtigten ökonomischen Einwände, eine zugkräftige Parole. Die Kanzlerin, die sich bei der Post auf einen zu hohen Mindestlohn eingelassen hat, sitzt in der Falle; die SPD treibt die Union vor sich her. Ein klarer Punktsieg für die SPD, die nun das ganze Match wieder offenhalten kann.
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