So kann das Gesundheitssystem nach Corona besser werden

28.07.2021

Plus Die Corona-Pandemie lehrt, wie wichtig ein Mehr an Digitalisierung, Pflege und Qualität für die Versorgung der Bevölkerung wäre. Und dass manche Operation verzichtbar ist.

Nach den Milliardenausgaben in der Corona-Pandemie hat jüngst der Bundesrechnungshof kritische Fragen gestellt. Wo sind die ganzen Intensivbetten, für die der Bund hunderte Millionen Euro an die Kliniken überwiesen hat? Und warum haben die Krankenkassen mehr Geld für Krankenhausbehandlungen bezahlt, obwohl im Lockdown-Jahr weniger operiert wurde?

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Die meisten Kliniken steckten das Geld für neue Betten in Technik, wie Beatmungsgeräte. Doch nicht fehlende Intensivbetten waren das Problem, sondern ausreichend medizinisches Personal, um diese zu betreiben. Auch wenn niemand darüber sprechen mag: Weil sich weniger Pflegepersonal um viel pflegebedürftigere Patientinnen und Patienten kümmern musste, entsprach die Versorgung auf dem Höhepunkt der zweiten Pandemiewelle nicht der sonst gewohnten Qualität. Doch vom Kollaps blieben die Kliniken verschont.

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Während der Corona-Pandemie fanden weniger Operationen statt

Die Kosten waren für die Krankenkassen hoch. Sie mussten im laufenden Betrieb überall viel Geld für Schutzausrüstung, Tests und Corona-Kranke bezahlen: Die Behandlung eines beatmungspflichtigen Corona-Kranken wird auf über 38.000 Euro geschätzt – 300 Mal mehr als eine Komplett-Impfung inklusive aller Kosten. Deshalb sparten die Kassen unter dem Strich nichts in der Pandemie – trotz weniger Operationen. Dennoch können sie aus der Pandemie viele positive Lehren ziehen. Hierbei geht es um den intelligenten Einsatz von vorhandenen Kapazitäten, Geld und Personal, um Transparenz und vor allem um Digitalisierung.

In Deutschland kommt eine Pflegekraft auf 53 Patienten, unter den Industrieländern liegt der Schnitt besser: bei 32. Rechnet man die Versorgung aber auf die Bevölkerung um, liegt Deutschland mit elf Pflegekräften pro hunderttausend Einwohner weit besser als der internationale Durchschnitt von neun. Warum dennoch Pflegenotstand herrscht? In Deutschland wird viel zu viel operiert, wie selbst Chirurgen einräumen. Denn das System der Krankenhausfinanzierung über Fallpauschalen belohnt nicht Qualität und gute Pflege, sondern möglichst viele Behandlungen.

Deutschland ist ein digitales Entwicklungsland

Dies führt dazu, dass die Deutschen öfter unters Messer kommen als irgendein anderes Volk. Deutschland zählt mehr als doppelt so viele Klinikaufenthalte wie die USA, die Niederlande, Japan oder Schweden, aber eine niedrigere Lebenserwartung als die allermeisten EU-Länder. Da scheint es leicht verkraftbar, dass die Zahl der Eingriffe in der Pandemie um 13 Prozent zurückging. Es ist sogar ein gutes Zeichen: Der Pflegenotstand in den Kliniken wäre nicht nur durch mehr Geld heilbar, sondern vor allem durch weniger Behandlungsfälle. Dies würde sich leicht erreichen lassen, wenn bei der Krankenhausfinanzierung nicht eine große Menge an Behandlungen das meiste Geld versprächen, sondern möglichst großer Behandlungserfolg. Qualität statt Quantität.

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Eine nachhaltige Qualität ist jedoch nur durch Digitalisierung messbar, indem anonym bei künftigen Arztbesuchen nachvollziehbar wird, welchen Erfolg Behandlungen hatten. Doch die Pandemie lehrt, dass Deutschland ein digitales Entwicklungsland ist. Datenschutz ist meist nur Ausrede für politisches Unvermögen. Gerade die Intensiv- und Notfallmediziner haben in der Pandemie digitale Pionierarbeit geleistet, mit der Intensivbetten effizient genutzt wurden, streng getrennt von Patientendaten. Durch Digitalisierung, Vernetzung und transparente Qualitätskontrolle ließen sich nicht nur Milliardenbeträge sparen, sondern vor allem die regionale Versorgung der Bevölkerung verbessern. Doch mit einem „Weiter so“ nach der Wahl wird das System nur kränker und teurer.

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