Völkerwanderung nach Europa: Was die Politik jetzt tun muss
Millionen suchen ihr Glück in Europa, und nichts kann sie davon abhalten. Die Politik steht vor einer der größten Herausforderungen der jüngeren Geschichte.
Der Ansturm auf Europa ist in vollem Gange. Die Zahl der Flüchtlinge, die sich insbesondere in Deutschland ein besseres und sicheres Leben erhoffen, steigt unaufhörlich. Das Innenministerium rechnet mit rund 700.000 Neuankömmlingen in diesem Jahr. Eine Wende ist nicht in Sicht. Millionen von Menschen aus den islamischen Krisenregionen, aus Afrika und dem Westbalkan drängen gen Norden – auf der Suche nach dem gelobten Land. Es ist eine moderne Völkerwanderung, die das gänzlich unvorbereitete Europa vor eine der größten Herausforderungen seiner jüngeren Geschichte stellt.
Machen wir uns nichts vor: Dieser Prozess ist, wie es der Historiker Michael Stürmer zutreffend formuliert, „unumkehrbar“. Keine Mauer, kein Gesetz, keine Abschreckungsmaßnahme wird die Menschen davon abhalten, ihr Glück im alternden, seinen Wohlstand genießenden Europa zu suchen. Und wer will im Ernst infrage stellen, dass Deutschland auch künftig Verfolgten Asyl gewährt und Kriegsflüchtlingen Zuflucht bietet?
So schlimm ist die Lage nicht, als dass dieses Land angesichts dieser humanitären Katastrophe seine Prinzipien und Werte über Bord werfen dürfte. Die Gefahr, dass die massenhafte Zuwanderung selbst Deutschland überfordert und sowohl den Zusammenhalt der Gesellschaft als auch die Stabilität des politischen Systems erschüttert, ist schon heute mit Händen zu greifen. Aber es bleibt gar keine andere Wahl, als sich dieser Krise mit kühlem Kopf und einem nüchternen Blick für die Realitäten zu stellen.
Vordringlich ist die Beschleunigung der Asylverfahren
Der Glaube, wir könnten einen Zaun um uns herum errichten und diese Völkerwanderung stoppen, ist so unrealistisch wie die multikulturelle Träumerei, wir könnten alle Armutsflüchtlinge aufnehmen. Vielmehr kommt es jetzt darauf an, die begrenzten Möglichkeiten einer Steuerung des Zustroms entschlossen zu nutzen. Vonnöten ist eine Politik, die ohne ideologische Scheuklappen handelt und sich nicht im Gezänk um periphere Fragen wie das Taschengeld für Asylbewerber verzettelt. Was ist zu tun?
Erstens: Vordringlich ist die Beschleunigung der Asylverfahren. Das gilt vor allem für die vielen Flüchtlinge vom westlichen Balkan, die daheim nicht verfolgt werden. Man fragt sich, wie lange noch über die Einstufung Albaniens und des Kosovo als „sichere Herkunftsstaaten“ debattiert werden soll. Und: Kürzungen von Geldleistungen sind kein Tabu. Es darf sich jedenfalls nicht „lohnen“, in Deutschland um Asyl zu ersuchen. Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft stehen unserem Land gut zu Gesicht. Doch bei Kosten in Höhe von 12.000 Euro pro Flüchtling und Jahr stößt auch der Sozialstaat bald an seine Grenzen.
Zweitens: Berlin muss der EU Beine machen. Was ist das für ein Europa, in dem viele Länder die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern und Staaten wie Italien und Griechenland Flüchtlinge ohne Registrierung und Asylverfahren einfach nach Deutschland weiterreichen – entgegen allen Absprachen und Verträgen?
Drittens: Die Menschen flüchten aus nackter Not. Wann endlich beginnt eine konzertierte Aktion Europas zur Beseitigung der Fluchtursachen? Das kostet Zeit und viel Geld und wird sich, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren auszahlen. Doch es duldet keinen Aufschub mehr.
Viertens: Wir brauchen ein konkretes Konzept, wie sich hunderttausende von Flüchtlingen Jahr für Jahr – darauf läuft es ja hinaus – integrieren lassen. Sie brauchen Jobs, Wohnungen, Ausbildung, Hilfe beim Erlernen der Sprache. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die nur mit einer großen nationalen Kraftanstrengung zu schaffen ist – mitsamt einem realistischen Blick auch für die Chance, die darin steckt.
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