Westerwelles Kalkül geht auf - vorerst
Die erste Hürde hat Guido Westerwelle genommen. Nach seinem Auftritt beim Dreikönigstreffen sitzt der FDP-Vorsitzende nun wieder etwas fester im Sattel. Ein Kommentar von Rudi Wais.
Die erste Hürde hat Guido Westerwelle genommen. Nach seinem Auftritt beim Dreikönigstreffen sitzt der FDP-Vorsitzende nun wieder etwas fester im Sattel.
Sein Kalkül, die Partei mit einer temperamentvollen, entschlossenen Rede noch einmal zur Loyalität zu zwingen, ist leichter aufgegangen, als es vor Weihnachten noch den Anschein hatte. Was diese Loyalität tatsächlich wert ist, wird sich allerdings erst nach den Landtagswahlen im Februar und im März zeigen. Bis dahin ist Geschlossenheit erste Liberalenpflicht - selbst wenn mancher frustrierte Freidemokrat insgeheim die Faust in der Tasche ballt.
Obwohl die FDP ihren Vorsitzenden in Stuttgart für eine gute, aber wenig selbstkritische Rede mit demonstrativem Trotz gefeiert hat: Auf ihn angewiesen ist sie nicht mehr. Mit ihrem Generalsekretär Christian Lindner geht es den Liberalen wie der CSU mit Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg: Die Zeit arbeitet unerbittlich für den Jüngeren. Eher unfreiwillig hat Lindner dem mächtigen Vorsitzenden mit einer geistreichen Rede schon beim letzten Parteitag die Schau gestohlen. Nun ist er dabei, den Freien Demokraten ein neues, inhaltlich ausgewogeneres Bild zu verpassen. An den missionarischen Eifer, mit dem Westerwelle gegen alles Linke und für ein einfaches, niedrigeres und gerechtes Steuersystem gekämpft hat, tritt allmählich ein nachdenklicherer und einfühlsamerer Liberalismus, für den der amtierende Vorsitzende allenfalls die zweitbeste Wahl ist.
Westerwelles Verständnis von liberaler Politik wurde bisher vor allem von ökonomischen Fragen und taktischen Zwängen bestimmt. Lindner dagegen hat einen fast schon philosophischen Blick auf die Dinge, er argumentiert nicht so kategorisch und erreicht damit auch Menschen außerhalb des traditionellen liberalen Milieus. An den Grünen lässt er zwar, wie sein Mentor Westerwelle, kein gutes Haar. Nachhaltigkeit, Integration oder Basisdemokratie allerdings sind für ihn auch selbstverständliche Anliegen einer freiheitlichen Partei.
Am Ende aber zählen auch in der Politik nur die Ergebnisse. Wenn die FDP sich bei den nächsten Wahlen über die Fünf-Prozent-Hürde rettet und in ein, zwei Ländern womöglich mitregiert, wird sich der Groll auf Westerwelle so schnell legen, wie er sich aufgestaut hat. Der Parteichef mag ein mittelmäßiger Außenminister sein. Als Wahlkämpfer war er bisher eine Klasse für sich. Sein Auftritt in Stuttgart hat das, wieder einmal, bestätigt.
Der Neue hat es ohnehin nicht eilig. Rainer Brüderle, der zweite denkbare Nachfolger, hat kein größeres Interesse mehr am Parteivorsitz. Damit bleibt nur Christian Lindner, der Guttenberg der FDP. Heute wird er 32 Jahre alt. Er muss nicht putschen. Er kann warten. Von Rudi Wais
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