Westerwelles politische Karriere steht auf dem Spiel
Guido Westerwelle ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass für ihn in den nächsten Monaten nicht nur der Parteivorsitz auf dem Spiel steht. Ein Kommentar von Rudi Wais
In schwierigen Situationen greift Guido Westerwelle gern zu maritimen Metaphern. Vor knapp zehn Jahren, zum Beispiel, wies er seinen Rivalen Jürgen Möllemann mit einem einprägsamen Bild aus der Seefahrt in die Schranken: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der die Dinge regelt - und das bin ich."
Nun, da die Liberalen von heftigen demoskopischen Stürmen geschüttelt werden, behilft ihr Vorsitzender sich erneut mit einem Vergleich aus der Sprache der Segler. Auch bei schwerer See, hat er gesagt, ehe er sich in seinen Weihnachtsurlaub verabschiedete, bleibe er an Deck.
Ruhige Gewässer wird das schlingernde FDP-Schiff im Wahljahr 2011 so schnell auch nicht erreichen. In Hamburg droht die Partei im Februar einmal mehr an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, in ihrer Hochburg Baden-Württemberg muss sie im März zumindest um die Regierungsbeteiligung zittern, wenn nicht gar um den Wiedereinzug in den Landtag. Welche Schlüsse der Kapitän daraus zieht, ob er seinen Platz auf der Kommandobrücke womöglich freiwillig räumt, ist vor dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart zwar noch unklar. Westerwelle allerdings ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass für ihn in den nächsten Monaten nicht nur der Parteivorsitz auf dem Spiel steht, sondern seine gesamte politische Karriere.
Als Hans-Dietrich Genscher im Februar 1985 als FDP-Chef abtritt, kann er problemlos Außenminister bleiben - seine Autorität im Kabinett ist nach 16 Jahren als Bundesminister nicht mehr von einem Parteiamt abhängig. Er ist, wenn man so will, sakrosankt. Guido Westerwelle dagegen fehlt die natürliche Autorität seines Mentors Genscher, er verdankt seine Macht vor allem dem fulminanten Ergebnis von 14,6 Prozent, das er als Spitzenkandidat bei der letzten Bundestagswahl erkämpft hat.
Dass ein Mann wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle oder Generalsekretär Christian Lindner neuer FDP-Vorsitzender wird, er selbst aber als Außenminister und Vizekanzler zumindest formell die Nummer zwei der Koalition bleibt, ist nach den ungeschriebenen Gesetzen der Politik kaum vorstellbar. Westerwelle wäre dann das, was die Amerikaner eine "lame duck" nennen, eine lahme Ente: ein Mann, dessen Macht bereits erodiert ist, ein Minister auf Abruf.
Ob der 49-Jährige noch die Kraft hat, das Ruder herumzureißen, wird sich am Donnerstag in Stuttgart zeigen. Dort muss Westerwelle nicht weniger als die Rede seines Lebens halten und den Liberalen das Gefühl geben, dass es sich trotz verheerender Umfragewerte noch lohnt zu kämpfen. Seinen Platz auf der FDP-Brücke kann er nur noch mit guten Wahlergebnissen verteidigen - und dazu braucht der Kapitän eine motivierte Mannschaft. Rudi Wais
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