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Foto: Francisco Seco, dpa
Foto: Francisco Seco, dpa

Hunderttausende Menschen demonstrierten in Barcelona und anderen Städten für die Einheit Spaniens und gegen die Abspaltung von Katalonien.

Spanien
08.10.2017

Konflikt um Katalonien wird zum Nervenkrieg

Von Ralph Schulze

Die Regierung in Madrid kündigt kompromisslose Härte gegen eine mögliche Abspaltung an. Beginnt die Woche der Entscheidung?

Lange hüllte sich Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy darüber in Schweigen, wie er die einseitige Abspaltung der spanischen Region Katalonien aufhalten will. Nun, kurz vor der erwarteten Unabhängigkeitserklärung, ließ Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy die Katze aus dem Sack: Er drohte der katalanischen Separatistenregierung in Barcelona mit der zwangsweisen Entmachtung, wenn sie nicht ihren rechtswidrigen Sezessionskurs aufgebe. „Wir werden alle Mittel nutzen, die uns die Gesetzgebung gibt“, sagte Rajoy. Zu diesen Mitteln zähle der Artikel 155 der spanischen Verfassung, mit welchem die spanische Zentralregierung in Madrid die Kontrolle über die Region und die Funktionen der katalanischen Regierung übernehmen kann. Auch die Ausrufung des Notstandes, mit dem die Befugnisse von Regierung, Polizei und Militär ausgeweitet werden, sei möglich.

„Ich schließe nichts aus“, betonte Rajoy. Er machte klar, dass die Suspendierung der katalanischen Autonomie und die Einschränkung der Bürgerrechte das letzte Mittel seien, um die illegale Abspaltung Kataloniens zu stoppen. „Es wäre wünschenswert, wenn wir keine drastischen Entscheidungen treffen müssen.“ Aber damit dies nicht geschehe, müsse die katalanische Regionalregierung umschwenken und ihrem gegen die Verfassung verstoßenden Unabhängigkeitsplan abschwören.

Verhandlungen mit der katalanischen Führung lehnt Rajoy unter Hinweis auf das verfassungsfeindliche Vorgehen der Separatisten ab: „Glaubt wirklich jemand, dass irgendeine Staatsregierung, angesichts einer angedrohten Abspaltung, verhandeln wird?“ Zumal die katalanische Regierung nur das Ziel der Unabhängigkeit vor Augen habe und sich „keinen Zentimeter“ bewege. Rajoy warnte, dass bei diesem Konflikt auch „europäische Werte auf dem Spiel stehen“, weil eine einseitige Abspaltung eine Kettenreaktion in anderen Regionen auf dem Kontinent auslösen könne.

Will Puigdemont am Dienstag die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen?

Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont hatte angekündigt, dass er am Dienstagnachmittag um 18 Uhr im katalanischen Parlament erscheinen will, um die Abgeordneten „über die aktuelle politische Lage“ zu informieren. Die für Montag geplante Sitzung der Kammer war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden.

Spaniens Regierung befürchtet, dass Puigdemonts Auftritt nur als Vorwand dazu dienen könnte, um die unilaterale Unabhängigkeitserklärung zu präsentieren und zu verabschieden. Bisher haben Puigdemont und seine Separatistenfront nicht signalisiert, dass sie von ihrem Versuch, Kataloniens Unabhängigkeit mit der Brechstange durchzusetzen, abrücken wollen. Alle Verbote des spanischen Verfassungsgerichts wurden ignoriert.

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Beim Katalonien-Referendum hatten sich 43 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt

Am 1. Oktober zogen die Separatisten ein illegales Unabhängigkeitsreferendum durch, das spanische Polizisten auch mit einem brutalen Knüppeleinsatz nicht verhindern konnten. Ein Referendum, das von der katalanischen Opposition boykottiert wurde und bei dem nur 43 Prozent der Wahlberechtigten mitmachten. 90 Prozent der Teilnehmer hatten mit Ja gestimmt. Obwohl dieses Ergebnis nicht repräsentativ ist und weder von Spanien noch von der EU anerkannt wird, sieht Puigdemont dies als „demokratisches Mandat“ an, um die Unabhängigkeit durchzusetzen.

Spaniens Außenminister Alfonso Dastis verglich das Vorgehen der katalanischen Regierung mit einem Putsch. „Die spanische Regierung muss den Rechtsstaat gegen eine Regionalregierung verteidigen, die einen Staatsstreich durchziehen will“, sagte Dastis dem Spiegel. Die Forderung nach internationaler Vermittlung sei in diesem Fall „nicht hilfreich“. Zuvor hatte Dastis eine Vermittlung der EU mit dem Hinweis abgelehnt, dass es hier nicht um einen Konflikt zweier Staaten gehe. „Hier geht es um die Befolgung des Gesetzes.“

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